hm, ich versuche schon zig schutzhundethreads zu entwirren, worum es befürwortern und gegnern des schutzsports im kern eigentlich geht.
(wobei ich mich selbst keiner seite zuordne, ich ghör zu der sorte hundebesitzer, die sich mit so simplen dingen abmüht wie "sitz heißt sitz und nicht platz, pfote oder juhu! streicheleinheiten, also sitz - jetzt, nicht in 5 minuten. siiiitz! bitte?!"
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in voreigenerhundzeiten war meine sichtweise ein klares "oh, mein gott - das sieht ja böse aus, was die da machen." und ich wär wohl die erste gewesen, die tierquälerei geschrien hätte - seit ich einen hund hab (nicht den doofie mit dem hinternzubodenproblem), der in mancher hinsicht sicher als sehr triebig zu bezeichnen ist, sehe ich das jedoch differenzierter.
wenn ich meinem hyperaktiven erdferkel keine ordentlich beschäftigung biete, ihre drang zum ganzkörpereinsatz keine entfaltungsmöglichkeit gebe, hab ich einen unrunden, unausgelasteten, grantigen hund zuhause.
"gibt ja eh soviele beschäftigungsmöglichkeiten" wird da nun mancher sagen - sicherlich, aber das heißt nicht zwangsläufig, dass wenn ich z.b. gern agility machen würde, das dem hund auch liegt. ich hab einen hund zuhause, der gerne läuft, kilometerweit, und der gerne dinge zieht. über hürden springen, allzu viel geistige beschäftigung, tricks lernen, unterordnung - laaaangweilig! bälle, stöcke - toll! (pusht den hund allerdings so hoch, dass ich solche spiele vermeide) - geschwindigkeit und ganzkörpereinsatz sind es, was das fräulein kampfhund will, alles andere ist nettes beiwerk, sorgt aber nicht dafür, dass sie wirklich ausgelastet ist.
also kriegt sie demnächst endlich ein zuggeschirr und wir werden mehr in die richtung "weightpulling für anfänger" oder "gemeindebaumusher" machen - eine art der beschäftigung, die vielen eher fremd ist und auch nicht jedem hund liegt.
die windhundfraktion auf meinem sofa tät mich fragen, ob ich bescheuert bin, wenn ich denen ein zuggeschirr umschnalle. die renntiere haben völlig andere interessen.
der langen rede kurzer sinn - welche form des hundesports jemand wählt, orientiert sich in erster linie daran, was dem hund liegt bzw. was dem hundehalter liegt. (grob formuliert - ich könnte das fräulein hund, wie man`s anno dazumals gerne tat, gegen andere tiere hetzen - diese "eignung" trägt sie in sich, oder ich kanalisiere diesen "trieb" anderweitig - in eine richtung, an der ich und der hund gefallen finden.)
denn es gibt natürlich hundesportler, die im vorhinein wissen, was sie mit ihren hunden machen möchten und sich deshalb einen hund einer rasse auswählen, der für das zukünftige aufgabengebiet geeignet scheint und dann gibt es eben die, die sich davor nicht sonderlich mit der thematik hundesport auseinandergesetzt haben und gewissermaßen "am hund" lernen, was mit diesem tier alles möglich ist - oder auch nicht.
beide können dies aus "guter" oder "böser" (ehrgeizzerfressener, egopushender, etc) absicht heraus tun.
ein riesiges problem moderner hundehaltung sehe ich ja hauptsächlich in der "hund ist hund" mentalität und der auswahl eines hundes nach optischen kritierien - die falschen leute haben die falschen hunde. (und zwar egal ob zwergpudel oder rottweiler, nicht jeder zwergpudel passt zu jedem zwerpudelbesitzer, nicht jeder rottweiler zu jedem rottweilerbesitzer)
ich zum beispiel tät an manchen hunderassen bestimmt verzweifeln - das beinhaltet keine wertung, kein die eine rasse ist besser als die andere - manche hunderassen sehe ich für mich als besser geeignet, zu meinem charakter und lebensumständen passend, als andere.
hätt ich einen bordercollie, würde ich vermutich binnen 2 wochen verzweifeln - oder der hund. nicht weil bordercollies "schlecht" wären, sondern weil die eigenschaften mitbringen, mit denen ich einfach nichts anfangen kann, liegt mir nicht.
ich selbst bevorzuge eher simpel gestrickte hunde, mag sturschädel, ein hund, der permanent gefordert werden will, macht mich nervös. andere täten wiederum an meinen hunden verzweifeln, die ich für mich als wunderbar passend empfinde.
die vielfalt der hunderassen macht also - obwohl die wenigsten hunde noch ihre ursprünglichen aufgaben erledigen, sondern nur noch reine begleit- und seelentrösthunde sind - insofern immer noch sinn, als dass die rassevielfalt auch der vielfalt an menschlichen charaktären, vorlieben und interessen entspricht - weil es einfach nicht egal ist, welcher mensch sich welchen hund wählt.
rassevielfalt empfinde ich grundsätzlich als wichtig und gut - auch wenn tragischerweise diesem punkt in der hundeauswahl oft viel zu wenig bedeutung beigemessen wird. auswahlkriterium scheint heutzutage eher zu sein "gefällt mir dieser hund und falle ich damit auf", statt "entsprechen die eigenschaften dieser hunderasse dem, was ich mir von einem hund erwarte".
aus dieser rassevielfalt ergibt sich aber auch zwangsläufig, dass es an breitgefächertes angebot an beschäftigungsmöglichkeiten geben muss.
hundesport und ausbildung orientiert sich ja an verschiedenen ausprägungen hündischer eigenschaften. dass alle hunde bewegung und geistige beschäftigung brauchen, steht außer frage - das wie, wieviel, womit ist allerdings durchaus rasseabhängig. sicher auch individuell, aber die rasse eines hundes gibt eine gewisse tendenz vor - bringt der hund mehr oder weniger territorialverhalten mit, oder jagdtrieb oderoderoder?!
für meine windhunde etwa ist der jagdtrieb sicher essentiell - bissl hürdenspringen oder unterordnung schadet gewiss nicht - aber ihre passion ist highspeedjagd auf sicht. ich kann nun antijagdtraining machen und diesen trieb unterdrücken versuchen (was meiner meinung nach einer amputation gleich kommt - wozu habe ich eine solchen hund, wenn er nicht von zeit zu zeit tun kann, was er "tun muss"), oder ich kann ihnen geziehlt die möglichkeit geben, diese spezialfunktion, die der windhund mitbringt, auszuleben. auf der bahn, oder - mir persönlich sympatischer - beim coursing.
ich kann meine staffordhündin artgenossenunverträglich werden lassen, oder ich kann ihr ein ventil bieten, für ihren drang sich mit 134% ins getümmel zu werfen. ich kann sie mit steckerl schmeissen so überdrehen, dass sie keine konkurenz neben sich duldet, oder ich gebe ihr die möglichkeit die 134% in andere bahnen zu lenken, die ihrem bedürfnis nach "volles programm und zwar am besten mit allen beinen gleichzeitig, kopf und hintern voran und nur ja nicht zu wenig anstrengend" entsprechen.
jede rasse, jedes individuum verlangt einen anderen umgang, eine andere beschäftigung - sonst bräucht man auch nicht zigtrilliarden ausbildungs- und trainingskonzepte, es gäbe einen einzigen richtigen weg, eine heilbringende lösung für alle hundeprobleme, und alle hunde und alle menschen wären gleich.
(puh... noch immer nicht bei dem punkt angelangt, zu dem ich eigentlich wollte...)
achja, schutzsport war das thema - hm... was war zuerst da? der schutzhund? oder die schutzausbildung?
weshalb die frage? nun, es gibt rassen, die im prinzip genau für diese ausbildung gezüchtet wurden bzw. wurde diese form der ausbildung für einige rassen geschaffen, die sich für solche art der arbeit eignen, oder sie sogar "brauchen".
die typischen oder beliebtesten schutzhunde sind ja, von ausnahmen abgesehen, schäferhunde. wobei der schäferhund (egal ob deutscher, herder, malinois) ja nicht mehr viel mit dem idyllischen hund umrundet eine herde niedlicher schäfchen gemein hat - den job verrichten hütehunde und idyllisch isser auch nicht.
schäferhunde, gerade die arbeitslinien, werden ja seit x jahren auf ganz andere dinge hin selektiert. klassischerweise ja für den unterordnungsbereich und für einen möglichen dienstlichen oder sportlichen einsatz. der eine oder andere mag dogdancing o.ä. ganz toll finden (wobei ich mir zwar vorstellen kann, dass der hund daran spaß hat, so manchen halter kann ich mir aber nur schwer bei solcherart betätigung vorstellen...
).
wenn ich das richtig verstehe, geht es beim schutzsport durchaus ja darum, schäferhund (und rottweiler, dobermann, etc.) eigenschaften einerseits zu verstärken, gleichzeitig aber kontrollierbar zu machen. eigenschaften, auf die jahrelang hin gezüchtet wurde - denn auch wenn sich sicher vereinzelte königspudel, labrador, ridgeback, smooth collie, undsoweiterundsofort für einen dienstlichen einsatz eigen würden, man hat bestimmte rassen ja gezüchtet, um eine gewisse vorhersagbarkeit über ein zukünftiges einsatzgebiet zu bekommen.
eine hundestaffel der polizei wird nicht hunde jahrelang ausbilden und durchfüttern um dann zu erkennen "ach, lieb isser ja, aber der taugt kein bisschen als polizeihund" - da vermisch ich jetzt zwar zivil- und sportschutz, doch der züchterische hintergrund der hunde, die für eins der beiden ausgewählt werden, ist ja in etwa der selbe.
man züchtet nicht über generationen hinweg hunde, die, wenn der bestand zu klein wäre, irgendwann an inzuchtdefekten eingehen, damit man 200 welpen im jahr an diensthundeführer abgibt und die restlichen 2000... ja keine ahnung...erschlägt man.
wenn nun diese hunde gefährlich wären, könnt man argumentieren, diensthunde ja, privathunde nein. aber es schwirren aktuell ja grad wieder die interessantesten theorien über gefährliche hunde durch medien und köpfe. ein z.b. schäferhund aus einer arbeitslinie ist nicht per definitionem gefährlich - er eignet sich für andere dinge als ein pitbull, ein dackel, ein komodor, ein...
die schutzhundausbildung orientiert sich ja genau an solchen hunden (oder es wurden eben genau solche hunde gezüchtet, die... im prinzip egal...) - die tribigkeit eines malis ist eine andere, als die eines borders, als die meiner staffhündin, als die meiner windhunde, als die von nachbars rattler.
alle genannten können natürlich an allen möglichen hundesportlichen disziplinen ihren spaß finden, das heißt aber nicht, dass ich rassetypische eigenheiten dabei beachte und auch im griff habe - alle hunde bewegen sich gerne, interagieren gerne mit "ihren" menschen, freuen sich über leckerlies.
aber ein kangal z.b., der keinen fremden in den garten lässt, macht das aber aus einer anderen motivation heraus, als der malteser, der besuch ankläfft. ein rottweiler, der ein haus bewacht, tickt anders, als ein afghane, der den hauseingang zu dekozwecken versperrt - im hundesport und training sollte es aber auch darum gehen - die jeweilige hündische, rassebedingte "motivation" zu kanalisieren.
insofern hat meiner meinung nach schutzsport eine absolute daseinsberechtigung als einerseits auslastungsinstrument für bestimmte rassen im besondern, für andere rassen im speziellen (- wie gesagt, die eignung/neigung eines hundes ist ja durchaus auch immer individuell zu betrachten. gibt sicher auch malis, die schutzsport doof finden), als triebgenerator und -kontrolle andererseits.
denn warum halte ich einen hund, der permanent seine arttypischen eigenschaften unterdrückt halten muss? (warum etwa halte ich einen bordercollie, wenn ich nicht mit ihm arbeiten will. wenn ich mir keine schafherde halte, dann muss ich diesem tier eine andere möglichkeit bieten, die rassetypischen bedürfnisse auszuleben - mitlesende bordercolliebesitzer mögen mir verzeihen, der border ist mein "liebstes" paradebeispiel, nicht weil ich border collies nicht mag, sondern weil ich zuviele in falschen händen gesehen habe und mich besonders bei solchen hunden zu oft gefragt hab "herrgott, warum hat dieser mensch ausgerechnet einen border collie?" neuerdings lässt sich border durch aussie, kelpie oder cattle dog ersetzen...)
damit will ich nicht sagen, dass "ärmelarbeit" für den hund überlebensnotwenig oder artgerecht ist. dennoch glaube ich, dass man mit sachkundig durchgeführter schutzsport den "bedürfnissen" mancher hunde gut gerecht werden kann.
(so spontan fällt mir zum thema "ärmel" noch ein, dass auch manche menschen glauben, meine hunde würden die katze auffressen, weil sie ja echtes, totes tier fressen und deshalb blutrünstig werden und nicht mehr unterscheiden können... nur so am rande... wie auch die ärmelsache eigentlich eine randerscheinung im weiten feld schutzausbildung ist)
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worauf ich eigentlich hinaus wollte:
in der ganzen für und wider debatte hier und andernorts kristallisiert sich für mich cirka folgendes heraus.
hundebesitzer denken:
a) die ausbildungsmethoden im schutz sind antiquiert, nicht tierschutzkonform, da werden hunde gequält
b) schutzsportler sind primitivlinge, die sich profilieren wollen
oder
a1) schutzausbildung ist eine möglichkeit, hunde auszulasten
b2) unter schutzsportlern gibt es einige ziemlich volltrottel, die zu lasten des hundes ihre profilneurose ausleben wollen.
nichthundebesitzer denken:
a) schutzsport dient dazu, hunde scharf zu machen und gegen menschen zu hetzen.
b) schutzsportler sind primitivlinge, die sich profilieren wollen.
ich habe den eindruck, hundebesitzer kritisieren schutzsport in erster linie wegen eines möglicherweise brutalen umganges mit hunden, befürchten aber kaum, dass schutzsport wirklich gefährliche, unberechenbare hunde "produziert", während das bild des nichthundebesitzers eher den gefährlichen, unberechenbaren hund zeichnet.
(gratulation an alle, die bis hierher gelesen haben!
ich seh schutzsport nicht nur negativ, aber auch nicht nur positiv. dennoch bin ich der überzeugung, dass ein verbot blödsinn und letztlich kontraproduktiv ist - denn ähnlich wie bei "kampfhunden" sind nicht die idioten, die professionell hunde aufeinanderhetzen, und deren hunde gefährlich, sondern die hinterhofnachahmungstäter, die sich auf youtube ein bissl information zusammensuchen und im keller ihre krude weltsicht nachbasteln versuchen. falsch ausgeübter schutzsport ist sicher nicht unproblematisch. vernünftige schutzausbildung dagegen eine weitere möglichkeit, wie unterschiedliche menschen- und hundetypen ihr zusammenleben möglichst reibungsfrei gestalten können. just my 222222 cents
)