Das Wichtigste ist, dass es auch von Rudel zu Rudel Unterschiede geben kann. Nur weil dieser Typ eines beobachtet und studiert hat, heisst das noch lange nicht, dass seine Erkenntnisse auf jedes Rudel übertragbar ist!
Ich habe von diesem Herren auch gehört bzw. Filmausschnitte gesehen, aber im Prinzip beantwortest du dir ohnehin schon selbst, wieso das alles nicht 1:1 auf unsere Haushunde und deren Leben im menschlichen Familienverband übertragbar ist:
er hat - soweit dies einem Menschen möglich ist - versucht, sich wie ein Wolf zu verhalten. Mit Sicherheit haben die Tiere ihn nicht für einen solchen gehalten, aber er konnte so eine Zeit lang mit ihnen verbringen und Einblicke in das Leben dieses Rudels machen. ABER - abgesehen davon, dass sich Hunde und Wölfe eben nicht mehr gleichen (lies doch bitte den von mir verlinkten Text, da sind einige Unterschiede wirklich schön und logisch erklärt) spielst du daheim auf Hund? Versuchst du wie ein Hund zu bellen, zu knurren? Rennst du gähnend, schmatzend oder andere Signale einsetzend durch die Gegend? Frisst du aus einem Futternapf (ich kann mich erinnern, dass der Typ an einem Kadaver rumgenagt hat - ganz wie die Wölfe selbst) am Boden? Hockerlst du dich zum pieseln in die Wiese? Nein? Wie soll das dann bitte auch nur annähernd funktionieren? Du willst eine Rangordnung, nach Vorbild eines Wolfsrudels auf das Zusammenleben mit deinem Hund übertragen, verhältst dich jedoch nicht mal annähernd wie einer!
Du berufst dich auf eine strikte Rangordnung, meinst, als Chef hart durchgreifen zu müssen? Nun, interessanterweise sind die Wölfe, welche das Rudel anführen (Wölfe deshalb weil es zwischen Männchen und Weibchen getrennte Hierarchien gibt) nicht diejenigen, die am lautesten, am grobsten oder aggressivsten sind, sondern im Gegenteil eher die ruhigsten von allen. Sie sind daran interessiert, dass es in ihrem Rudel möglichst harmonisch zugeht. Eigenschaften, die die Rudelführer auszeichnen sind viel mehr Erfahrung, Souveränität, die Fähigkeit, das Überleben aller zu sichern und auch Sicherheit und Geborgenheit zu vermitteln. Und genau das ist auch unser Job als HundeFÜHRER - nämlich, den Hund sicher und souverän durch die für ihn fremdartige menschliche Welt zu führen. Um sich führen zu lassen benötigt es übrigens Vertrauen - verbind dir mal die Augen und lass dich blind von irgendwem (zu dem du keine Bindung und kein Vertrauen hast) über einen Hindernisparcours führen? Wird nicht besonders gut klappen, weil du Unsicher bist, immer wieder versucht sein wirst, zu gucken und selbst zu agieren. Genauso kanns auch dem Hund gehen, wenn er keinen Menschen hat, der es versteht, ihm Sicherheit und Vertrauen zu vermitteln, so dass sich Hund quasi blind von ihm führen lassen kann.
Um wieder aufs Wolfsrudel zurück zu kommen: diejenigen, die gerne mal auftrumpfen, Lärm machen und grob agieren sind in der Regel die Beta-Tiere.
Die oftmals zitierte Ordnung beim fressen variiert zB. auch von Rudel zu Rudel - manchmal sind es tatsächlich die Alphawölfe, die zuerst zum Zug kommen, es gibt aber genauso auch Rudel, wo sie erst zuletzt fressen. Genauso stimmt es nicht, dass der Alpha jedem anderen alles abnehmen kann - selbst die rangniedrigeren Tiere lassen Futter, welches sie einmal ergattert haben, nicht einfach kommentarlos fallen, sondern versuchen, es zu verteidigen - sofern es ihnen tatsächlich ein anderer streitig zu machen versucht.
Wie auch immer - ich bin der Meinung, dass es sicher interessant ist und nicht schaden kann, sich ein bisschen mit dem Wolf zu beschäftigen. Ich finde es aber absolut fatal, wenn man sich das Verhalten von Wölfen untereinander zum Vorbild für die Beziehung zu seinem Hund nimmt. Erstens weil mein Hund kein Wolf sondern ein Hund ist und die nicht mehr 1:1 vergleichbar sind und zweitens weil ich als mensch weder Wolf noch Hund bin. Ziel sollte vielmehr sein, dass jeder Hundehalter einen Weg findet, fair mit seinem Hund umzugehen und lernt, sich so auszudrücken, dass der Hund deuten kann, was von ihm erwartet wird - ohne sich dabei als Pseudo Wolf oder Hund zu versuchen! Weiters sollte man sich bemühen, auch seinen Hund lesen zu lernen. Ich spreche nicht davon, seinen Hund auf Laissez-Faire durchs Leben taumeln zu lassen, aber klare Regeln und Strukturen, sowie Konsequent bedeuten nicht automatisch Grobheit dem Hund gegenüber!