Teil 12
Ein erweiterter Einblick in die Materie vermittels vertiefender Erörterung:
Jetzt hat die Mitzi also noch immer kein Wort von menschenfressenden Bestien geschrieben, obwohl bereits ein jeder sehnsüchtig darauf wartet, stattdessen erzählt sie Arbeitergeschichten.
Nun, die Mitzi denkt sich, dass man die Geschichte der Killerhunde so aufbereiten muss, dass das auch der standardisierte Soziologe versteht, der ja von soziologischen Phänomenen eine Ahnung haben sollte - wo doch der Hund neben dem Pferd DAS menschheitsbe- und fördernde Domestikationsphänomen schlechthin ist (Woraus sich übrigens zumindest ein seperates Kapitel ergäbe) oder eine Partei, die irgendwann einmal eine Arbeiterpartei war und die Anliegen genau der Menschen vertreten hat, die solche Hunde ursprünglich hielten, wenn auch weniger hierzulande, sondern bei die Engländer und Amis, aber damals hat noch keiner geglaubt, dass diese Hunde Menschen fressen.
Aber das war ja damals und ist lange her, heute ist ja alles ganz anders, die Welt hat sich verändert und den Menschen von vor hundert oder zweihundert oder noch mehr Jahren, den kann man nicht so einfach mit dem modernen Menschen vergleichen, die Gesellschaft hat sich gewandelt.
Heutige Hunde kann man aber natürlich mit damaligen vergleichen. Da hat sich nichts mehr verändert. Es geht ein jeder mit seinem Jagdhund auf die Jagd und lässt ihn Wildschweine umwerfen und jeder Schäferhund hat seine kleine Schafherde im Vorgarten und alles ist, wie es immer war.
Nur die bösen Hunde sind böser geworden.
Diese Hunde, die Hunde der working class, der fabriksarbeitenden Unterschicht, erst in England und, durch englische und irische Wirtschaftsflüchtlinge importiert, bald auch in den amerikanischen Städten, waren durchwegs Terrier. Kniehohe Hunde, wenn überhaupt.
Die Erdhunde durften die Drecksarbeit für Menschen erledigen, nämlich bevorzugt sich vor Publikum zu prügeln, was, wie bereits in Kapitel 11 thematisiert, ein beliebter und teils sehr lukrativer Zeitvertreib war, damals, als es noch keine Fernseher gab.
Ansonsten wurden Terrier gerne zur Jagd verwendet, weil diesen sturen Mistviechern der Ruf von ungemeiner Zähigkeit voraus eilte. Diese Hunde wurden in Fuchs- und Dachsbauten getrieben, um das Opfertier dem Jäger zuzutreiben, doch nicht immer hat ihm der Hund diesen Spaß vergönnt, sondern die Angelegenheit lieber selbst geregelt.
(Dem Pöbel war die Jagd allerdings nach wie vor offiziell zumeist nicht gestattet, was niemanden davon abhielt, aber ansich war die Jagd ein Zeitverteib der kultivierten Elite, mit ihren kulivierten Jagdhunden, den Saupackern, den Windhunden und all den anderen Hundevariationen, die der Mensch ersonnen hat, um seinem Faible für die Konfrontation Tier gegen Tier zu fröhnen, oder sich den Kampf Mensch gegen Tier zu erleichtern.)
Terrier gelten auch heute als kleine Raufbolde, waghalsige Draufgänger, tendentiell größenwahnsinnig und nicht sonderlich geeignet, für die Haltung in größeren Gruppen. Dennoch wechselt niemand schreiend auf die andere Straßenseite, so er eines Terriers ansichtig wird, es sei denn es steht ein American Staffordshire, Staffordshire Bull, Pitbull oder ein simples Bull davor.
Aber gut, das sind gar keine reinen Terrier, weswegen den vieren auch ein ruhigeres Temperament zugesprochen wird. Womöglich versucht der Schreier einfach, den Hund etwas anzufeuern.
Apropos Terrier, da entsinnt sich die Mitzi einer Anekdote, die ihr eine Jägerstochter neulich zutrug. Vom Jagdterrier der Famile war die Rede. Der 10 Kilo Hund hatte beschlossen, den Kampf mit dem 20 Kilo Dachs alleine auszutragen und war für Stunden im Dachsbau verschollen. Der Jäger rätselte, ob er den Hund nun ausgraben solle, um ihn zu befreien, oder ob der Hund schon längst im Duell dem Dachs erlegen war. Und als er so grübelte und sich sorgte, da tauchte der vom Erdboden verschluckte Hund aus selbigem wieder auf, Blut strömte ihm aus klaffenden Wunden und er wirkte insgesamt recht ramponiert, doch er zog triumphierend den getöteten Dachs hinter sich her, den er nach aufreibendem Zweikampf endgültig besiegt hatte.
"Das war ein Kampfhund", sagt die Mitzi. "Geh Blödsinn, das war ein Jagdhund, das ist normal." sagen die, die noch immer auf Geschichten von menschenmordenen Hunden warten.
"Wie ist das jetzt zum Beispiel mit Hunden, die in der Meute jagen?", fragt die Mitzi und nimmt als Beispiel einfach mal den russischen Barsoi, ein großer, gelockter Hund, der den russischen Adeligen als Begleiter zur Jagd diente. Wölfe sollte eine solche wilde Meute von Barsois hetzen. Hetzen bedeutet nicht im Schlurfgang einhertrotten, sondern hinterher laufen - Highspeed, im Idealfall garniert mit schrillem Jagdschrei und irrem Blick - bis der Gegner aufgibt und gestellt wird, was auch im Falle eines Opferwolfes - trotz der Artverwandschaft - nicht im gemeinsamen Gruppenkuscheln endete. Denn so ein Wolf ließ sich nicht ohne Gegenwehr von dahergelaufenen Hunden töten, und der Hund sich nicht vom bösen Wolf, falls der Jäger nicht rechtzeitig hinterher kam, um den Kampf per Büchse zu beenden.
Oder der Rodesian Ridgeback, der im afrikanischen Busch Löwen stellte, der tat dies nicht um neue Bekanntschaften zu schließen und auch dem solcherart bedrängten Löwen war nicht nach Einhaltung von Höflichkeitsregeln. Eine Kombination aus der sich selten friedliche Dialoge und Freundschaften für`s Leben entwickelten.
Ja, sogar der angeblich selbsterziehende Retriever trug Enten nicht durch die Gegend, weil er sie so gerne hat, sondern nur deshalb, weil er lernen musste, dass gegen Enten nicht gekämpft wird, sondern dass nur erlegte Enten zu bringen sind und diese aufzufressen sich eines gut ausgebildeten Jagdhundes nicht schickt.
Nun mag an dieser Stelle so mancher einen Einwand hegen, denn gegen Enten kämpfen ist doch wohl ein absolut lächerlicher Vergleich.
Der Einwendende hat dann allem Anschein nach noch nie Erfahrungen mit einer aggressiven Ente gemacht, wobei die Mitzi natürlich zugeben muss, dass Gänse und Schwäne deutlich gefährlicher und wehrhafter sind. Bei einem Schwan, der sein Gelege verteidigt, macht sich selbst der todesmutigste Kampfhund nur äußerst ungern unbeliebt.
"Von der Jagd mit Hund hat die Mitzi aber nicht die geringste Ahnung" wird sich nun womöglich einer denken und sich daran stoßen, dass die Mitzi Retriever meint und Kampfhund sagt. "Naja", sagt die Mitzi, "wenn ein Kampfhund einer ist, der gegen andere Tiere kämpft, warum soll dann ein Jagdhund kein Kampfhund sein? Das Prinzip ist dasselbe, auch wenn die meisten Jagdhunde lernen, die Beute nicht selbst zu erlegen, wollen täten`s schon, wenn man sie ließe."
Oh, der Beispiele gäbe es viele, aber am Ende müsste die Mitzi dann die dreiste Behauptung aufstellen "Jeder Hund ist im Prinzip ein Kampfhund.", was die einen dazu veranlassen würde, aufzuschreien: "Hab ich es doch gesagt, Hunde sind gefährlich und gehören verboten!", wohingegen die anderen sagen täten: "So ein Blödsinn, die will mir allen Ernstes erklären, dass mein Hund gefährlich ist?!".
Weder das eine, noch das andere will die Mitzi sagen, sondern dass die Leut das wichtigste und faszinierendste an der Spezies Hund noch immer nicht ganz verstanden haben.