Jo... also ich kann Finja auch gut verstehen... mir gings auch öfter schon so, zumindest in den ersten 2 Jahren wollte ich die Flinte oft ins Korn schmeissen...
Ich hab meinen "Wahnsinn auf 4 Pfoten" auch aus Ungarn, aus einer Tötungsstation. Hab ihn mit 10 Wochen bekommen und man sollte meinen wenn man einen Welpen bekommt, kann ja so schief eigentlich nix mehr gehen, sofern man sich auskennt und sich um gute Trainer bemüht...
Also unterschreiben würd ich das mal net.
Trotz konsequentem Training vom ersten Tag an - war der Hund einfach nur ein Horror...
Ich hab vor der Anschaffung natürlich Bücher gewälzt - und zwar solche die hier im Forum immer propagiert werden (wie übrigens auch in diesem Thread), hab in mehreren Hundeschulen reingeschnuppert (und da hatte ich noch keinen Hund - weil ich die optimale schon haben wollte, wenn der Hund da ist) und mich mit x Forumsusern und "realen" Hundebesitzern ausgetauscht. Selbstverständlich regelmäßig mit Tierheim- und Sitterhunden spazieren gegangen. Und in der Familie hatten wir auch immer Hunde (Pekinese, Bernhardiner und Pudel).
Ich kann also wirklich nicht sagen, dass ich ein Volldepp auf dem Gebiet Hund war oder mich nicht wirklich über die Anschaffung und die Verantwortung informiert hätte.
Dann kam Thyson.... und die Verzweiflung.
Die Ratschläge aus den Büchern konnte ich mir in die Haare schmieren - er machte NIX, gar NIX wie andere Hunde.
Er war sowas von anstrengend, nervös, hysterisch, unrund, lästig, anstrengend - hat alles kaputt gemacht und zwar wirklich ALLES, grobmotorisch, wild und einfach nur furchbar.
Am ersten Tag im Welpenkurs haben sie uns sofort "rausgeschmissen" und in den nächst höheren Welpenkurs gesteckt. Dort war er mit Abstand der jüngste - aber mit den gleichaltrigen konnte man ihn nicht spielen lassen. Er fand es super lustig alles anzurempeln, umzurempeln und so fest zu zwicken (die Wehlaute der anderen Welpen nahm er nur zum Anlass noch fester zu zwicken, weil das quietschen ja lustig war).
Bei den älteren hat er dann gelernt, dass er net immer der stärkste ist - sondern auch andere rempeln und zwicken können - und es wurde etwas besser. Zumindest hat er dort nicht mehr alles aufs Kreuz gelegt sondern langsam gelernt (und wirklich langsam) ganz lieb zu spielen.
Zu Hause wars Horror pur - wie gesagt er hat alles zerstört (trotz Ersatz anbieten, Nein sagen, wegnehmen, ignorieren, wasserspritzerl sprühen, leckerli tauschen, ich könnte noch unzählige Dinge aufzählen die wir versucht haben), er hat jeden umgerempelt - ob ich als Mensch nun gequietscht hab weil er mir weh getan hat, war ihm superwurscht - wie gesagt Wehlaute waren nur noch Anreiz eine Stufe höher zu schalten.
Er hat mich inkl. Besucher grün und blau gezwickt - in alle Körperteile die er erwischt hat - bis ich gar keinen Besuch mehr bekommen hab, weil sich niemand den Attacken aussetzen wollte und ich ihm einfach nicht "Herr" geworden bin. Egal was ich gemacht hab, es hat einfach nix genutzt - es zu ignorieren war unmöglich - in der Arbeit wurde ich mal vom Chef beiseite genommen ob ich vielleicht private Probleme hätte in der Beziehung oder so (wegen den vielen Blutergüssen an Armen, Händen, Beinen etc.).
Dafür war er blitzgescheit - stubenrein war er innerhalb von 10 Tagen und alle Kommandos hat er in Rekordzeit begriffen (umsetzen war eine andere Geschichte - aber verstanden hat er in Null komma Nix was man von ihm will).
Er hat kaum geschlafen, er war ständig munter, ständig Aktion, ständig auf 1000 - er kannte nur ein Gas und das war Vollgas.
Habe dann Stress Bücher gekauft, Box gekauft, fast nix mehr spazieren gegangen, keine Kurse mehr - war alles für den Hugo. Habe begonnen mit Nasenarbeit, fast nur noch ausschließlich Kopfarbeit... ich war jedenfalls schneller geistig und körperlich müde als der Hund.
Ich sags ehrlich ich war verzweifelt - ich hab jedes Buch gewälzt, war bei x Trainern und hab unzählige Methoden probiert ihn in den Griff zu kriegen. Es war einfach kein vorwärtskommen. Ich hab auch keinen Lichtblick gesehen.
Jeder Hundebesitzer hat - wenn ich ihm das Problem geschildert hab - immer einen Trick parat gehabt oder einen Tipp oder den ultimativen Lösungsansatz - wenn ich dann mit dem Irren hingekommen bin hab ich meist nur noch ein Schulterzucken gekriegt und ein "sowas hab ich auch noch net gehabt"...
Ich weiß gar net mehr wie oft ich wegen dem Hund geheult hab, neben dem Hund auf dem Boden gesessen bin und einfach nur geheult hab, weil ich nicht und nicht mit ihm klargekommen bin und mir niemand helfen konnte.
Mir wurde mehrfach von vielen Seiten zu einer Abgabe geraten - von Trainerin, anderen Hundebesitzern, Freunden und sogar von der eigenen Familie. Niemand mochte ihn leiden, er durfte nirgends mitkommen und war nirgends willkommen. Selbst die ultimativen Hundefreunde haben bei Treffen immer gesagt "aber der Thyson... na ja der bleibt eh daheim, oder?"...
Das Problem an der Leine zu gehen (ohne Ablenkung!!) hatten wir nicht und auch nicht das er gejagd hätte - aber sonst war er im Alltag eine gänzliche Katastropfe, das gezwicke, gehüpfte - ich schwöre man konnte den Wahnsinn in seinen Augen direkt manchmal sehen...
Mitnehmen konnte ich ihn nirgends - als er mich das dritte mal vom Heurigenbankerl gerissen hat (35kg) hab ichs aufgegeben. Im Einkaufszentrum hats mich mal voll auf die Schnauze gelegt, weil Herr Hund einfach unkontrolliert auf einen Herrn hinzwicken wollte... 2 x Krankenhaus hat mir Herr Hund auch eingebracht (1 x 4-fachen Bänderriss im Knöchel und 1 x Oberschenkelmuskeleinriss) - ja und er fands auch da einfach nur lustig von hilfeholender Lassie oder besorgtem Kommissar Rex hat mein Hund jedenfalls nix...
Meiner Großmutter hat er den Haxen gebrochen weil er sie einfach niedergerannt ist - ohne zu bremsen und ist dann lustig um sie rumgesprungen...
Man muss aber dazu sagen, dass ich zu der Zeit schon 3 x die Woche in die Hundeschule gekrochen bin - bei jedem Wind und Wetter, konsequent an der Erziehung gearbeitet hat - immer und ohne nachzulassen. Ich kann das wirklich sagen - weil es war definitv so!
Wir haben dann sogar schon die BGH 1 bestanden gehabt - wie gesagt Kommandos kapieren, lernen und umsetzen war ja NIE ein Problem - und trotzdem war er im Alltag unerträglich.
Ich habe geübt, mit fremden Menschen, mit alten Menschen, mit netten Menschen, mit lauten Menschen, mit allen Menschen - Nein, Aus, Ja, Später, Langsam, Vorsichtig, usw. usf. Mir kommt das Grauen wenn ich dran denk...
Ich hab wirklich gedacht, ich bin völlig unfähig, ein Trottel, ein geistiges Nackerpanscherl...
Und irgendwann wars plötzlich vorbei - wobei vorbei ist ein zu großes Wort - aber es war deutlich (!) ruhiger und entspannter.
Dafür hat er zwar andere Macken entwickelt und zwar Garten/Auto vor jedem zu beschützen und zwar massiv, Kinder sind das absolute No-Go und fremde Männer sind auch nicht ratsam... aber sonst..
Vielleicht liegts auch an mir, denn ich hab mir irgendwann gesagt "Der Hund hat nun mal einen Vogel, es liegt nicht an mir, ich hab wirklich und wahrhaftig mein Bestes versucht - er ist einfach so wie er ist".
Ich hab mir selber den Druck genommen - das Thyson ein Vorzeigehund wird, ein Paradebeispiel für einen geistig gesunden Hund aus dem Tierschutz, einen alles liebenden und treudoof schauenden Hund - der unkompliziert und umgänglich ist.
Mein Hund ist heute noch nicht alltagstauglich - um Kinder geh ich einen gewaltigen Bogen um fremde Menschen sowieso - aber ICH kann ihn kontrollieren, ich komme damit zurecht und es ist nun mal so wie es ist.
Ich habe genau zwei Möglichkeiten: Entweder ich lebe damit und versuche mich zu arrangieren oder ich geb ihn her (wobei eine Vermittlung mit den Eigenschaften sowieso fast ausgeschlossen werden kann).
Wir trainieren immer noch in der Hundeschule - regelmäßig.
Er folgt, er horcht, er zerstört nix mehr, er geht brav an der Leine, er jagd nicht, er ist abrufbar, er bleibt ohne Probleme alleine, er zwickt niemanden mehr und hat eine enorme Bindung zu mir aufgebaut.
Für mehr wird es in dem Hundeleben nicht mehr reichen, aber das genügt mir mittlerweile. Meine Erwartungen hab ich ziemlich nach unten geschraubt - bzw. ans machbare angepasst.
Jetzt ist er schon 3,5 Jahre alt und mit zunehmenden Alter wirds noch leichter - vielleicht ist er wirklich erst vor kurzem "erwachsen geworden" - bei solchen Rassen dauert es oft lang bis sie geistig auf dem Stand eines erwachsenen Hundes sind...
Heute bin ich Stolz auf das was ich erreicht habe - was er alles kann und gräme mich nicht mehr damit was er nicht kann. Ich habe gelernt ihn so zu akzeptieren wie er ist, kein Lamm und halt kein braver Dodel - sondern einfach ein Thyson
Wir sind beide aneinender gewachsen - ich glaube auch der Hund war mit mir in der Anfangszeit nicht glücklich
Ich bin auch nicht mehr neidig wenn mir ein Mali, Golden oder Border Besitzer zeigt, was sein Hund alles kann, wie gutmütig und immer freundlich der Hund ist, wie super er eine GH III absolviert usw.
Ich kränke mich auch nicht mehr über Aussagen wie "wenn der hund kane Kinder mog gehört er daschoßn" oder "na bei DEM Hund is aber einiges schief gegangen" - das juckt mich nicht mehr.
Für mich ist es so wie es jetzt ist in Ordnung - ich höre nicht auf zu arbeiten und zu lernen (man kann sich immer verbessern) aber ich kann damit leben, wenn sich jetzt nix mehr tut.
Und seitdem geht es uns (dem Hund und mir) einfach gut.
Was ich meine ist: vielleicht stellst du sich selber unter einen zu großen Druck, das kriegt der Hund mit, er spürt, dass du verzweifelt versuchst ihn unter Kontrolle zu kriegen, das du frustriert bist und die Nerven schmeisst - das ist keine gute Basis für irgendwelche Übungen. Versuch dich frei zu machen - auch vom Kopf her, pack etwas Humor noch mit drauf und wenn du dich gelassen und gut fühlst, geh es einfach wieder (langsam) an