Ich bin 16 Jahre alt und falle somit ja genau in die angesprochene Gruppe
Ich kann nur davon schreiben, wie es bei mir und meinem Umfeld ist.
Meine Mutter hat, bis auf eine kurze Zeit, immer Vollzeit gearbeitet, mein Vater sowieso schon immer. Trotz allem war ich selten auf mich allein gestellt, denn ich habe jeden Nachmittag bei meinen Großeltern (und später auch hin und wieder bei meiner Tante) verbracht, wo ich selten länger als eine Viertelstunde vor dem Fernseher gesessen bin. Wir sind in den Tierpark gegangen, ins Museum oder waren einfach auf der Donauinsel spazieren. Und wenn es geregnet hat, haben wir gemeinsam ein Buch gelesen, Gemeinschaftsspiele gespielt oder gebastelt.
Als ich in die Schule gekommen bin, habe ich neben diesen Dingen eben auch meine Aufgaben gemacht. Wenn bei mir einmal die Sicherungen durchgebrannt sind und ich die Tür zugeschmissen habe, bin ich keine zwei Sekunden später reumütig zurück gekommen, um mich zu entschuldigen. Meine Familie hat mir beigebracht, dass man über alles, was einen bedrückt oder wütend macht, ruhig reden und eine Lösung finden kann. Und wenn ich wirklich jemaden zum Reden brauche, ist immer jemand für mich da, auch heute, wo ich viele Dinge gerne mit mir selbst ausmache.
Ich besuche noch heute täglich meine Oma und ich fahre am Wochenende immer noch gerne nach Ernstbrunn, wo sie früher gelebt hat. Auch wenn ich aufgrund dieser Tatsache (in der Schule) oft belächelt oder verspottet werde, schäme ich mich nicht dafür.
Versteht mich nicht falsch, ich möchte mich nicht als perfekt erzogenen Teenager darstellen, der immer alles richtig und allen recht macht. Es gibt Menschen und Situationen, die mich zur Weißglut treiben, aber deswegen werde ich nicht ausfallend.
Man hat mich schon in den ersten Jahren meines Lebens gelehrt, dass man jedes Lebewesen mit Respekt behandeln muss.
Psychische und Physische Gewalt sind Dinge, die mir zutiefst zuwider sind.
Auch heute, wo meine Emotionen öfters überkochen, würde es mir nicht einfallen diese Tatsache zu vergessen.
Ich grüße die Leute in unserem Haus und wenn ein noch so murrendes "Guten Morgen" zurückkommt, wünsche ich dennoch einen schönen Tag. Auch stehe ich in der U-Bahn, dem Bus oder sonst wo auf, wenn ich sehe, dass ältere Herrschaften, körperlich oder geistig Beeinträchtigte oder auch eine Mutter mit einem kleinen Kind einsteigen.
Von Freunden kenne ich es allerdings, dass dies alles nicht selbstverständlich ist.
Fast alle meine Freunde rauchen seit Jahren und waren schon einmal so betrunken, dass sie einen Filmriss hatten. Sie sind auch manchmal vorlaut, aber sie wissen, wann sie die Klappe halten müssen oder wann sie eindeutig die Grenzen überschritten haben (und entschuldigen sich dann dafür). Es gibt auch Situationen, wo ich mich mitreißen lasse, aber meine Identität habe ich trotzdem bewahrt und würde deshalb niemals meine Prinzipien vergessen.
Und obwohl ich eine gute Erziehung genossen habe und mir meine Kindheit nicht anders vorstellen könnte, habe ich seit zwei Jahren in der Schule Probleme. Ich war immer eine gute Schülerin, bis ich vor zwei Jahren (aufgrund einiger privaten Probleme) in Mathematik abgesackt bin. Den Anschluss habe ich verpasst und hänge nun seit dieser Zeit. Es kamen noch drei weitere Fünfen hinzu und ich weiß, dass ich zu faul bin und wenn ich mich nicht anstrenge weder einen Abschluss haben, noch eine gute Lehrstelle finden werde. (Dabei würde ich unheimlich gerne Journalismus studieren - es liegt also nicht daran, dass ich nicht weiß, was ich später machen möchte oder dass es mir gar egal ist!)
Hm, bin ich deswegen ein schlechterer Mensch, der undankbar ist, weil er manche Chancen nicht ergreift?
Bei meinen Freunden, die teilweise sehr gegensätzlich erzogen worden sind, sieht die Sache ganz anders aus, obwohl sie die Wochenenden mit Parties verbringen
Ich stimme euch in vielen Punkten zu. Respekt wird längst nicht mehr so groß geschrieben, wie früher und die Folgen sind nur den Wenigsten klar.
Zu wenige Kinder und Jugendliche können zu ihren Eltern kommen, wenn sie Probleme haben. Viele versuchen ihre Probleme oder Ängste mit Alkohol zu ertränken, versuchen die schlechte Stimmung einfach wegzutanzen oder sich nächtelang in schummrigen Discos die Kante zu geben. Probleme zu ignorieren ist eben einfacher, als Lösungen zu finden. Ich glaube, dass es viele Jugendliche (und auch Kinder) gibt, die es gerne anders hätten, auch wenn sie es nicht zugeben.
Übrigens danke, falls ihr euch den ganzen Roman durchgelesen habt
LG
Namida