warum hält man sich eigentlich einen killerhund?

TanteMitzi

Super Knochen
Teil 1:

Irgendwann war ich an dem Punkt angelangt, mir zu denken: 70 Stunden die Woche zu arbeiten hat mich bisher nicht reicher gemacht oder zufriedener und eigentlich hatte ich mal ganz andere Träume, als in der Arbeit zu wohnen.

Einen eigenen Hund zum Beispiel.

(Nun folgt ein elendslanger Exkurs, wo das Wort Killerhund noch nicht mal vorkommt, weil es sich hierbei erst um eine Einleitung handelt. Quasi "Wie wird eine wie ich, trotz artüblicher Sozialisation zum psychisch gestörten, drogensüchtigen Kampfhundbesitzer - die Vorgeschichte")

Damals, als ich nach Wien ging, hätte ich gerne Nachbars Schäferhündin mitgenommen. Eine kleine, verängstigte Hündin, die in der Garage angekettet ihr Dasein fristete. Man hatte sich den Hund angeschafft, damit er das Haus bewacht, möglichst scharf sollte er sein, damit er die Neger vertreibt, die womöglich beim Fenster reinschauen.

Der einzige Farbige, den das Dorf bis dato gesehen hatte, der war bei meinen Eltern zu Besuch gewesen, Amerikanischer Universitätsdozent, dem eine Bekannte unbedingt das idyllische Landleben zeigen wollte.

Die Idylle sah allerdings eher so aus, dass sich die Leut daheim verschanzten und Angst vor dem Unbekannten hatten. "Was der Bauer ned kennt, das grüßt er nicht."

Also musste der Hund das Haus vor den mannigfaltigen Gefahren bewachen, die in einem 200 Seelen Ort lauern. Aber weil so ein Hund ja auch gefährlich ist, musste der sicherheitshalber an die Kette. Scharf abgerichtet hättens ihn gerne gehabt und eigentlich lieber einen Husky. (Der Husky vom anderen Nachbarn, der war nämlich bekannt dafür, dass er nichts ans Haus heran lies, am Schluss nicht mal die Besitzer.) Wie das mit dem Abrichten aber so läuft, hat eigentlich keiner gewusst und der Hund hat eh immer so laut aus der Garage heraus gebellt. Es hat immerhin 5 Jahre gedauert, bis die Hündin das erste Mal zaghaft nach jemandem schnappte. Gebissen hat sie allerdings nie, auch nicht, als sie früh erblindet, niemanden mehr an sich ran lies.

Ich hab manchmal heimlich mit ihr Sitz und Platz und Pfote geübt, spazieren gehen durfte ich nicht mit ihr, weil der Hund ja gefährlich war und können hat`s das ja auch nicht, das spazierengehen.

Ich wollt sie den Nachbarn abkaufen, die jedes Mal ächzten wie froh sie nicht wären, wenn der scheiß Köter endlich weg wäre, aber sie hatten Angst, ich könnte sie belangen, wenn irgendwas passiert, also haben sie die Hündin behalten und noch jahrelang eingesperrt.

Im Nachhinein machen sich sowohl meine Eltern als auch ich Vorwürfe, dass keiner, außer ein paar zaghaften Versuchen, die Leute zu überreden, den Hund doch jemandem anderen zu geben, irgendwas unternommen hat.

Doch diese Form der Tierhaltung war bis in die Neunziger am Land absolut üblich und wir waren komplette Freaks, weil wir unsere Katzen fütterten und dem Tierarzt vorstellten und der Hund sommers ins Haus durfte (- im Winter zog er es vor, sich einschneien zu lassen), wir gingen sogar spazieren mit den Tieren (die Katzen schlossen sich einer kleinen Runde nämlich gerne an).

Die übliche Katze am Land war von Revierkämpfen, Unterernährung und Würmern gezeichnet und Hunde hielt man ausschließlich draussen, meist an der Kette.

Wer kein Jäger war, hat seine Hunde auch nicht beschäftigt und wer ein Jäger war, hat seine Hunde gegen Katzen scharf gemacht. "Katzen und Kinder haben im Wald nichts verloren." Kinder haben sie keine erschossen, aber Katzen, wenn bei der herbstlichen Treibjagd eine in die Quere kam.

Das Landleben war insgesamt sehr idyllisch. Besonders wahrscheinlich für die Schweine am Vollspaltenboden, die zu hunderten in dunklen Hallen gehalten wurden, oder für die Hühner vom Hendlbauern, der nach jedem Mästdurchlauf in der Hühnerhalle für die herrlich frische Landluft sorgte, wenn er tonnenweise wochenalten Mist auf die Felder ausbrachte und ein paar tote Hendl, die schon vorm Schlachten verreckt waren. Übrigens - der durchschnittliche Bewegungsradius einer Kuh betrug cirka 60cm - vorwärts, rückwärts und seitwärts an der Kette.

Einen Bauern gab es, der hielt seine Küher sommers auf der Weide, aber der war nicht ganz richtig im Kopf, das wusste jeder, bekennender Zeuge Jehova und Biobauer, der von den Segnungen des Kunstdüngers nichts wissen wollte und auch keine schweren Maschinen im Fuhrpark wollte, um das Erdreich nicht zu plätten, der pflügte mit kleinen, leichten, alten Traktoren, aber wie gesagt, der war ja nicht ganz dicht.

Seit dem Jahr 2000 lässt noch ein anderer Nachbar seine Kühe auf die Weide. Mutterkuhhaltung. Die Kühe waren erst mal drei Wochen panisch, aber die neugeborenen Kälber fanden es herrlich, nicht in der Kälberbox aufzuwachsen und Kälberstarter aus dem Metallkübel zu trinken, sondern an Kuheutern zu nuckeln und durchs Gras zu springen. Dieser Nachbar ist aber vermutlich ebenfalls etwas seltsam, der ist auch schon sehr früh mit seinem Hund spazieren gegangen. So ab 1990 herum.

Wie ich jetzt von gefährlichen Hunderassen auf Haltung von Nutztieren komme? Ja, äh... ich war gerade so in Plauderstimmung und ich meine, ich hätte mal irgendwo gelesen, dass der Hund nur am Land artgerecht gehalten werden kann und Tierhaltung in der Stadt grundsätzlich Quälerei ist.

Und wenn der Mensch schon dazu neigt, sich manches schönzureden, das Landleben etwa, vielleicht neigt er auch dazu, sich Gefahren zu schaffen, die in der Form nicht existieren.

Da fallen mir wieder die Nachbarn ein. Die mit der Hündin Tanja. Ich persönlich vermute ja, seit die einen Fernseher mit mehr als 20 Programmen haben, empfinden sie die Bedrohung durch Schwarze gar nicht mehr als so groß, weil die sind eh meistens in Afrika oder in der Stadt und im Ort gibt es noch immer keine. Heutzutage hört man dafür so viel über die anderen Ausländer. Gesehen hat man noch selten welche im Ort, und wenn, dann waren die nicht von hier, aber im Fernsehen sieht man ja neuerdings so viel, das ist ja praktisch wie wenn man direkt dabei gewesen wär und man hört auch so Geschichten. So Geschichten hört man, wenn man wen kennt, der wen kennt.

Oh, und sollte ein anderer Eindruck entstanden sein - ich mag meine ehemaligen Nachbarn sogar recht gerne. Wenn ich - was selten vorkommt - der alten Heimat einen Besuch abstatte, dann besuche ich auch sie, obwohl ich glaube, dass die ihr Weltbild aus dem Fernseher haben.

Der neue Hund ist wieder ein Schäferhund, der Sohn macht Schleppleinentraining mit ihm und bringt ihn oft zum Tierarzt, wegen der HD und der Allergien. Er schaut sich gerne Hundesendungen an und liest Bücher. Der Hund darf ins Haus und sie sagen, dass der richtig dazu gehört zur Familie, weil ein Hund ja nicht gefährlich ist, nur manche Rassen halt.
 
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:) danke für den ersten exkurs des landlebens, wie er meist war und immer noch ist. ich harre der fortsetzung, allerdings erst morgen;)
lg heidi, froh, eine mizitant hier zu haben
 
Teil 2

Noch immer keine Spur von Killerhunden, stattdessen sentimentaler Rückblick. Ich verzettle mich leider unheimlich gerne in Nebensächlichkeiten und muss mich hier auch gleich als rührseliges Weichei outen - auch wenn mich das womöglich street credibility kostet.



Aufgewachsen bin ich mit einem Chow-Chow-Schäferhundmischling, ein Rassemix, von dem schon Konrad Lorenz schwärmte. Robuste Hunde mit dem Stelzgang des Chows, die rosa Zunge teils blaugesprenkelt, auch das ein Chow-Chow-Erbe, mit ausgeprägtem Wachtrieb und einem sturen, eigenwilligen Naturell gesegnet, gepaart mit einer stoischen Ruhe sollen das sein.

Unsere Hündin war zurückhaltend im Umgang mit Menschen, Kindern gegenüber die personifizierte Sanftmut. Im Winter lebte sie ganztags im Freien, ähnlich einem Husky waren ihr tiefe Temperaturen recht angenehm, sommers dagegen flüchtete sie sich in den Hausflur oder an sonstige kühle, schattige Plätzchen. Die 16 Jahre ihres Lebens hat sie großteils mit der Bewachung ihres Gartens zugebracht, erst im Alter wurde sie vermehrt zum Haushund, obwohl sie immer Familienanschluß hatte.

Sie hatte nie eine Hundeschule besucht, kannte kein „Bei Fuß“ und war streng genommen ziemlich unerzogen. Dennoch war sie der unkomplizierteste Hund, der mir bis zu diesem Zeitpunkt untergekommen war. Sie sprang nicht an Menschen hoch, klaute kein Essen, bettelte nicht, Räume, in die man sie nicht ausdrücklich bat, hätte sie von alleine niemals betreten, am Sofa zu liegen wäre ihr in 16 Jahren nicht in den Sinn gekommen, sie zeigte niemals aggressives Verhalten Menschen gegenüber, bewachte unsere Schafe, behütete unsere Katzen, regelte ihre Angelegenheiten mit anderen Hunden souverän, aber niemals brutal und war, wie es mir rückblickend scheint, ein völlig normaler, ausgeglichener, zufriedener Hund – dabei hatten wir, das muss ich mir wohl eingestehen, nicht die geringste Ahnung vom Wesen eines Hundes und es hätte auch ganz anders kommen können. Wieviele unglückliche, bösartig gewordene Kettenhunde hab ich in meiner Kindheit am Land erlebt, wieviele frustrierte, verhaltensauffällige Hunde erlebe ich heute in der Stadt?

Wir Kinder hatten uns einen Hund gewünscht, die Eltern schließlich eingewilligt, die Vorstellung vom Hund, der das Haus bewacht war irgendwie romantisch. Wir hatten alle keinen blassen Tau von Hundeerziehung, von unterschiedlichen Rasseeigenschaften, ein Hund war für uns anfangs einfach nur ein Haustier mehr, etwas, das man mag und versorgt, im Endeffekt aber doch recht emotionslos betrachtet (aller Zuneigung zum Trotz, gegessen wurden die Schafe dennoch), aber welche spezielle Verbindung der Mensch ausgerechnet zu Hunden aufbaut, ist uns allen erst im Laufe der Jahre bewusst geworden.

Ich mochte alle unsere Tiere, die Schafe, die Katzen, die Meerschweinchen, die Schildkröten, die Hühner - aber Tonka war nicht „nur“ ein Tier, zu keinem animalischen Hausgenossen sonst hatte ich eine solch innige Beziehung. Tonka war ein übermäßig behaartes, stets dezent nach nassem Hund riechendes, stures, eigenständiges Familienmitglied. Und als solches werd ich sie immer vermissen, auch wenn ihre Hundehütte nun seit Jahren leer steht.

Denn irgendwann war es an der Zeit, die traurige Entscheidung zu treffen und die Hündin, deren Kraft in der Hinterhand mehr und mehr nachließ, die zum Pinkeln in den Garten getragen werden musste, weil ihr die Beine versagten, die im Sommer zuvor wohl einen Schlaganfall erlitten hatte und zusehends ihre altgewohnte, stolze Haltung einbüßte, den letzten Gang zum Tierarzt antreten zu lassen. Sie einfach der Tierkörperverwertung zu überlassen, hätte keiner von uns fertig gebracht und der Tierarzt hatte ein Einsehen, obwohl es offiziell nicht erlaubt ist, größere Tiere im Garten zu bestatten.

Heute liegt sie an der Kuppe des Hügels begraben, am Fuß einer Eiche, von der aus man den besten Überblick über das Grundstück hat, um es immer noch zu bewachen zu können, wenn auch nur in unserer Vorstellung.



Aber versprochen, im nächsten Teil kommt dann endlich voll der krasse Kampfhund. Stay tuned!
 
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:) wir haben hier drin ja richtige Schriftsteller beheimatet...ich staune, lese und freue mich und kann einiges vom Landleben wieder erkennen,
 
Hallo erstmal !

..dachte eigendlich ; "mein gott, gehts schon wieder los !!!"
..wurde überrascht und werde weiterlesen !
 
darf man die geschichte wenn sie fertig ist, verbreiten??? würd sie gern in meinen mail-ordner "schmeissen"

TOLLE STORY!!
 
Teil 3

Auf der Suche nach dem Kampfhund.


Jetzt ist vermutlich jedem klar, welch tragische Kindheit die Tante Mitzi hatte, denn es wehte ein rauer Wind am Land und die Schotterwege waren hart.

Gewaltbereite Sturschädel sind das, die Leute vom Land.

Schon in der Volksschule hat die Mitzi alles ausgelöscht, das ihr nicht genehm war, die offensichtlichsten Rechtschreibfehler etwa - mit Tintenkiller.

Dass die Mitzi zu einem dubiosen Subjekt heran wuchs, braucht niemanden zu wundern, denn Lehrers Kind und Pfarrers Vieh gedeihen selten - oder nie.

Jetzt lebt die Mitzi in der Stadt, bei den Gscherten und hält sich vermutlich auch für was Besseres, denn die redet auch so gschraubt. Und die kann ziemlich wild schauen. Oida, und schimpfen hat die gelernt in Wien, da haust dich freiwillig über die Häuser.

Integration nennt das die Mitzi, die das einerseits ned so leiwaund findet, ein dubioses Subjekt zu sein und andererseits ziemlich komisch. Weil die Gschdudierten die mögens nicht, bei ihr daheim, da hilft auch nix, dass die Mitzi die Uni mehr von aussen kennt und vom Zeitunglesen im Kaffeehaus - in dem sie gearbeitet hat.

Aber jedenfalls, wie die Mitzi sich in den Kopf gesetzt hat, sie müsse jetzt unbedingt einen Hund haben, hat sich die Mitzi, weil dubioses Subjekt, eingebildet, es müsse ein dubioser Hund sein - einen Beagle wollt`s, die Mitzi.

Im Grunde findet die Mitzi große Hunde toll, mit großen Hunden ist sie aufgewachsen, das prägt. Wieso muss sich der Mensch ausgerechnet einen großen Hund einbilden, mag so mancher fragen, der mit Hunden nichts am Hut hat. Aber wieso die Mitzi große Männer mag, mit komischen Brillen, oder warum die Mitzi Beuschl grauslich findet, aber Leberstreichwurst mag, das fragt sie keiner, weil das was völlig anderes ist. Die Mitzi sieht das allerdings nicht so, die sagt: "Was einem früh vertraut ist, das findet man auch später eher gut."

Wirklich wollen hätt die Mitzi eine deutsche Dogge oder einen Bullmastiff, weil sie als Kind einige sehr nette Doggen und Mastiffs kennen gelernt hat, Zwergspitz zum Beispiel mag sie bis heute nicht, da hat sie mal einer so fest gezwickt, dass sie 2 Wochen lang einen blau angeschwollenen Finger hatt, was übrigens damals nur dazu führte, dass alle Erwachsenen fragten, warum die Mitzi so dumm ist und den Hund nicht in Ruh lässt.

Aber all ihren Vorlieben zum Trotz war selbst der Mitzi klar, dass kleine Wohnung - GROSSER Hund jetzt nicht unbedingt die genialste all der genialen Ideen war, die die Mitzi im Laufe ihres Lebens schon hatte. Außerdem ist der Mitzi dann wieder eingefallen die die kalbsköpfige Schoßdogge elendiglich an ihrer HD zugrunde gegangen ist und wie der nette Mastiff von nebenan an einer Magendrehung krepiert ist, und wenn, dann will die Mitzi einen Hund länger als ein paar Jahre und keinen der womöglich von Anfang an schwer krank ist, weil ihn der Mensch so zerzüchtet hat.

Also hat die Mitzi genauer darüber nachdgedacht, was sie möchte: auf alle Fälle einen netten Hund, einen gefährlichen Hund tät sich die Mitzi nie zutrauen. Menschen muss er also mögen, der Hund. Weil ja die Mitzi die hausfrauliche Betätigung nicht gerade erfunden hat, war ihr ein kurzhaariger Hund natürlich lieber und gefallen tut ihr das auch mehr. Und dann hat sich die Mitzi gedacht, wenn schon kein großer Hund, dann ein mittelgroßer.

Dann hat die Mitzi noch weiter überlegt und sich Bilder angesehen, nachgelesen und ein bissl über Rasseeigenschaften nachgedacht und darüber zu welchem Hund so eine dubiose Mitzi wohl passen könnte. Schließlich war sie sich sicher: Mittelschnauzer, Pinscher oder Beagle möcht sie haben, die Mitzi.
 
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Tolle Story und super geschrieben. Da werden auch wieder so manche Kindheitserinnerungen wach, an die man gar nicht mehr gedacht hat.
Und es räumt auch gleich mal mit dem Vorurteil auf, dass Hunde nicht in die Stadt gehören, denn am Land haben sie es viel besser.

Wollte Dich auch fragen, ob ich diese Geschichte verbreiten darf.

lg desertrose
 
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