Nachdem mir dieser Thread unlängst wieder untergekommen ist und sich seit 2011 nochmal einiges geändert hat, dachte ich, es ist Zeit für ein Update. Wenn ich meine Berichte nochmal durchlese und revue passieren lasse, fällt auf, dass meine TWH Hündin tatsächlich einige Entwicklungsphasen durchgemacht hat und manches heute komplett anders aussieht.
Chinua ist jetzt 6,5 Jahre alt und mittlerweile erwachsen geworden. Wolfhunden sagt man nach, dass sie - im Gegensatz zu anderen Hunden - erwachsener werden (der Reifestand soll etwa einem 3 jährigen Wolf entsprechen). Nicht, dass sie sich immer angemessen und "würdevoll" präsentieren täte - wenn Madame nach Aufmerksamkeit gelüstet, lässt sie immer noch ordentlich den Kasperl raushängen. Sie weiß, wie sie sich in Szene setzen kann und tut dies am Liebsten, indem sie die Leute mit Faxen zum lachen bringt. Grundsätzlich sind erwachsene TWH aber recht ernsthafte, effiziente und ggf. energiesparende Hunde. Soll heissen: was nix bringt, wird vermieden, es sei denn, sie haben Spaß dran.
Spaß hat Chinua z.B. am UO/Obedience Training - von Anfang an fokkussiert, mag sie das wirklich gerne. Gerade was das gemeinsame "arbeiten" i.S. von Hundesport betrifft, hat sie mit etwa 5 Jahren nochmal einen großen Schritt gemacht. War ihre Bereitschaft bis dahin von ihrer Stimmung abhängig (hat sie Bock, gibt sie 150%, hat sie keinen Bock, gerade so viel um nicht ganz "schei.e" zu sein), zeigt sie heute konstante und stabile Leistung mit durchgehender Konzentration (mittlerweile haben wir die BgH-3 abgelegt und wollen nun Richtung GH weiter machen). Auch beim Mantrailing lässt sie sich kaum ablenken, ist motiviert, bemüht und gut lesbar. Wirklich angenehm ist, dass sie sich quasi "an- & ausschalten" lässt. Zudem ist sie ruhig und konzentriert beim lernen; sie hört zu und denkt mit, anstatt hektisch auszuprobieren und sich damit selbst im Weg zu stehen. Arbeiten mit ihr fühlt sich grundsätzlich anders an, als z.B. mit meinem Weißen, denn sie zeigt mit dir gemeinsam als Team eine Leistung und nicht, um dir zu gefallen. Schlichter Befehlsempfänger ist der TWH niemals, wenn die gezeigte Leistung auch etwas gleich schauen soll. Dennoch ist grade beim Training weniger oft mehr; Abwechslung ist unbedingt nötig - wieder und wieder das Gleiche wiederholen funzt nicht. Grundsätzlich ist der TWH für nahezu jede Hundesportart geeignet, man muss allerdings einplanen, dass seine Ausbildung eben länger dauert. Nicht weil er nicht intelligent genug wäre (sie sind sogar sehr intelligent, v.a. wenn es um Problemösungsverhalten geht), sondern weil eine Ausbildung nach Schema F nicht funzt und Arbeitsbereitschaft und -willen, sowie Konzentration erst mit zunehmener Reife und intensiverer Beziehung zum Hundeführer steigen (wenn mans richtig macht).
Spaß hat Chinua auch bedingt beim laufen, Rad fahren, spazieren gehen und wandern, allerdings nur, wenn man bei den Strecken abwechselt. Immer die gleichen Runden langweilen sie extrem. Wolfhundtypisch verfügt sie über eine hohe Ausdauer bzw. regeniert sich auch nach anstrengenden, langen Akivitäten wieder schnell und ist dann für neue Schandtaten bereit.
Sie braucht die psychische wie auch physische Auslastung (wir gehen, abgesehen von den normalen Schnüffelspaziergängen, 1x/Woche 10-15km Moutainbiken und 3-4x/Woche zwischen 5 und 10km laufen), fordert diese aber nicht aktiv ein. 1, 2 Pause-Tage sind durchaus in Ordnung, danach merkt man aber an ihrem Verhalten, dass sie unausgelastet und unausgeglichen wird und - für den 2-Beiner - dumme Ideen Überhand nehmen. Ausgelastet fällt sie daheim hingegen kaum auf.
Weiters interagiert Chinua gerne mit Artgenossen. Ihre Hundefreunde liebt sie heiss und innig; beim Zusammentreffen besteht sie auf Höflichkeit ihr gegenüber, danach zeigt sie sich aber sehr tolerant. Ausgelassenem Spiel ist sie nicht abgeneigt, achtet aber stets darauf, dass es nicht kippt und stellt dieses bei Bedarf zeitweilig ein, bis sich die Teilnehmer wieder beruhigt haben. Hunde, mit denen sie längere Zeit regelmässig zu tun hatte, merkt sie sich. So erkennt sie heute noch ihren über alles geliebten Papa wieder, wenn wir ihn alle heiligen Zeiten einmal treffen. Welpen liebt sie heiss und innig, lässt sich erzieherische Maßnahmen - wenn nötig - nicht nehmen, wobei sie das recht gut macht. Mit fremden Artgenossen ist eine erste Kontaktaufnahme weiterhin problematisch. Chinua kann ohne Direktkontakt in Gruppen völlig entspannt und gelassen unterwegs sein (sei es bei Treffen, Spaziergängen, Ausstellungen, am Hundeplatz ect.), sobald es aber um direkte Interaktion geht, kann es zu Konflikten kommen. Sie geht dabei sehr "gehemmt" vor (d.h. sie verletzt nicht), fährt aber dennoch wie ein Wirbelwind über den Artgenossen, wenn sie sich diesem überlegen fühlt und ihr nicht der nötige Respekt gezollt wird (dürfte durchaus mit Kommunikationsproblemen mit Nicht-Wolfhunden zu tun haben). Bei großen Rüden, die starkes Imponierverhalten/"Machogehabe" Hündinnen gegenüber zeigen, ist sie unsicher und zeigt sich "zickig". Am besten lernt man erwachsene Artgenossen über mehrmalige Leinenspaziergänge kennen. Grundsätzlich hat sie aber nach einiger Zeit des Artgenossenkontakts genug und möchte dann wieder ihre Ruhe haben bzw. wird grantig, wenn sie diese nicht bekommt.
Menschen gegenüber ist sie nach wie vor die Freundlichkeit "in Person". Von Scheuheit keine Spur. Da ist sie fast wie ein Labbi im Wolfhundpelz, wobei sie nicht von sich aus zu fremden Personen läuft, um diese zu begrüßen. Kinder findet sie besonders toll; agiert da auch sanfter und vorsichtiger. Sollte es unsere Zeit irgendwann zulassen, peilen wir eine Ausbildung als Schulbesuchshund an. Dennoch würde ich niemandem raten, einfach so das Grundstück zu betreten, denn TWH und auch Chinua sind durchaus territorial. Wer nicht in "ihr Revier" gehört, wird mindestens gemeldet.
Panik hat sie eigentlich nirgends mehr; zumeist ist sie sehr cool und gelassen; ab und an auch einfach nur genervt und dadurch grantig. Ist sie doch einmal unsicher, orientiert sie sich sehr stark an mir.
Alleine bleiben ist - natürlich gemeinsam mit Nanook - überhaupt kein Thema mehr. Beide haben die ganze Wohnung für sich und sind 5x/Woche etwa 7 Std. lang alleine, während ich arbeiten bin. Zerstört wird nichts. Essbares darf man allerdings nicht stehen lassen, denn sie klaut nach wie vor wie ein Rabe und ist dabei verdammt schnell. Auch vergisst sie nicht, wo etwas Fressbares steht/liegt und passt geduldig den Moment ab, wo der Besitzer für einen Augenblick unaufmerksam ist, um dann blitzschnell und absolut ungeniert und frech zuzuschlagen. Es ist allerdings insofern besser geworden, als sie zumindest meist den Anstand besitzt und es nicht offenkundig unter meinem direkten Blick versucht.
In den letzten Jahren hat die Lust an einem kleinen Ball- oder Zerrspiel mit mir stark zugenommen, allerdings immer nur begrenzt. 2, 3x im Training als Bestätigung findet sie super, dann langts aber wieder. Ewiglanges Balli nachjagen oder zerren interessiert sie nicht. Jagdtrieb ist durchaus vorhanden, allerdings verfolgt sie nicht von sich aus irgendwelche Spuren, sondern reagiert auf Reh oder Hase, wenn diese plötzlich davon sprinten. An der Leine ist sie sehr gut kontrollierbar (kein schreien, in die Leine preschen o.ä., abwenden möglich), frei ist sie aber noch nicht verlässlich abrufbar. Sie hetzt nicht um des hetzens Willen, sondern dreht nach ein paar Metern ab, wenn sie sieht, dass sie nicht hinterher kommt (hier wieder Thema Effizienz und nein, selbstverständlich darf sie dennoch nicht einfach jagen gehen
).
Madame ist zwar ruhiger geworden, ist aber dennoch noch temperamentvoll und ab und an eine wilde Hummel. Sie verfügt nach wie vor über einen starken Willen den sie durchzusetzen versucht. Hat sie sich etwas in den Kopf gesetzt, lässt sich sich nicht so schnell und ohne weiteres von etwas anderem überzeugen. Sie hat viel gelernt, weiß welches Verhalten wann gewünscht wird, ob sie dies dann auch zeigt, hängt davon ab, wie stark sie etwas will und wie reizvoll die Alternativen sind. Das kann durchaus stimmungsabhängig sein. Grundsätzlich ist das Zusammeleben mit einem TWH umso stimmiger, je enger die Beziehung ist. Und die Beziehung ist umso besser, je eher man sich als qualifizierter, souveräner "Führer" auszeichnet und je größer das Vertrauensverhältnis ist. Einen TWH führt man weder mit Gewalt und Unterdrückung (die Chance, dass er sich dann gegen einen wendet, ist ziemlich hoch, zumal die Hunde dazu tendieren, in Bedrängnis oder die Enge getrieben, sowie bei ungerechter Behandlung nach vorne zu gehen), noch mittels Bestechung, sondern durch die innere Überzeugung des Tieres, dass sein Sozialpartner Mensch weiß, was er tut. Obwohl TWH sich stets sehr ausgiebig freuen, wenn bekannte Personen, die sie mögen zugegen sind, binden sie sich nur an 1 Person wirklich. Deshalb (und weil die Führbarkeit ganz stark mit der Beziehung Hund-Mensch zusammen hängt) ist es nicht so einfach, sie mal für über Nacht jemandem zum aufpassen zu geben. Meine Hündin hat die ersten 4 Jahre gemeinsam mit mir und meinem Ex-Freund gelebt; der Weiße freut sich durchaus, wenn er mal 1 WE bei meinem Ex verbingt, Chinua findet das weniger toll.
Für mich ist der TWH die genialste Hunderasse, die mir je untergekommen ist. Abgesehen davon, dass sie mir natürlich optisch zusagen, ist es in allererster Linie das Wesen, das mich absolut fasziniert. Sie sind absolute Charakterköpfe; sehr ernsthafte Hunde und dennoch riesige Clowns - es vergeht kein Tag, an dem mich meine Chin nicht zumindest zum schmunzeln bringt. Sie hat Ecken und Kanten und mich oft genug an meine Grenzen gebracht. Gerade deshalb habe ich aber wahnsinnig viel von ihr und durch sie gelernt - auch über mich selbst. TWH erziehen gnadenlos zur Ordnung und lehren Geduld und Demut. Es ist ratsam, immer einen Plan B zur Hand zu haben - Flexibilität ist ein absolues Muss. Weiters empfehlen sich gute Nerven und eine nicht zu kleine Portion schwarzer Humor. Beim TWH gilt: alles kann, aber nichts muss sein. Man sollte über ein Mindestmaß an Kommunikativität verfügen, da man doch öfters mal angesprochen wird. Wer aber meint, ein TWH sei das perfekte Accessoire um aufzufallen oder sich darüber zu profilieren, sei gewarnt - der Aufwand steht sich garantiert nicht dafür! Diese Hunde laufen nicht einfach nebenher. Bis man einen erzogenen und angenehmen Begleiter an seiner Seite hat (und das kann ein TWH durchaus werden!), muss man um einiges mehr Zeit investieren, als bei vielen anderen Rassen und sich wirklich auf das Tier einlassen.
Als TWH-Halter wird man oft gefragt, ob diese Hunde anders sind, als andere Hunde. Tja nun... ich weiß nie, was ich darauf sagen soll. Ja und nein. Sie sind jedenfalls Hunde und keine Wölfe, obwohl sie durch die noch nähere Verwandtschaft über ein Mehr an Mimik und Gestik, über höhere Ausdauer und bessere Sinne verfügen. Erzählt man aus dem Leben mit einem TWH, bekommt man oft zur Antwort: ja, aber das können andere Hunde auch bringen. Absolut richtig. Der Unterschied liegt meiner Meinung nach schlicht in der Intensität, denn TWH sind in allem was sie tun und indem wie sie sind sehr intensiv. Und dementsprechend intensiv kann auch die Beziehung zwischen einem TWH und seinem Menschen werden, wenn man sich auf sie einlässt und nicht allzu viel verkehrt macht. Umgekehrt kann sie auch zu einem Disaster werden, wenn man meint, einen wilden Wohnzimmerwolf, eine Bestie zum dominieren und Ego stärken oder ein Accessoire zum auffallen zu wollen.
Für mich gehört meine Spitzmaus, mein kleiner Springfloh, meine Terrorzicke zu den besten "Dingen", die mir je passiert sind. Sie ist mir in vielem ähnlich, ist mein Seelen- & Herzenshund; nie hätte ich mir vorstellen können, dass es möglich ist, mit einem Tier eine solche Beziehung einzugehen und ich möchte sie keinen Tag mehr missen.
Allen die sich für die Rasse interessieren und einen TWH für sich selbst in Erwägung ziehen, kann ich nur raten, sich umfassend zu informieren, sich nicht von diverse Horrorgeschichten sofort abschrecken zu lassen, sie aber auch nicht leichtfertig unter den Tisch zu kehren. Am besten ist es, sich mit möglichst vielen TWH-Haltern zu treffen und zu unterhalten und die Tiere kennen zu lernen, denn es ist nahezu unmöglich, eine Beschreibung abzuliefern, die diesen genialen Lebewesen gerecht wird. Wie hat ein TWH-Halter mal so treffend geschrieben: Life starts, when you buy your first TWH...