6 Jahre Studium, dann relativ schlecht bezahlte Lehrjahre und dann v.a. bei Pferde- und Kleintierleuten ein ein wirres System aus Internships und Residencies, wo man eigentlich nix bezahlt kriegt, ja wo man teilweise sogar noch dafür zahlen muss, und in der Realität teilw. 80h in der Klinik steht und sich wirklich abbuckelt. Man darf ja schließlich etwas lernen.
Es geht ja schon schlicht um die Frage, wie finanziert man das. Nicht alle haben eine fördernde Geldquelle zu Hause und neben einem Internship geht sich meistens kein Nebenjob aus.
Und dann möchte man sich gerne selbstständig machen und dann wird es echt verdammt schwierig und das kann ich dir aus erster Hand sagen. Zusatzausbildungen, die du vielleicht machen möchtest um dich in einen Bereich zu setzten, der deiner Meinung zukunftsreif sind, wären in meinem Fall bei ungefähr 12-18.000 Euro. Gut dann sucht man sich vielleicht für das noch eine Quelle, sprich man pumpt irgendwen an, weil angespart hast du in deiner Zeit mit wenig Verdienst, aber trotzdem bestehenden Fixkosten(Miete +NK, Handy, Auto, Hund, Versicherung, priv. Pensionsvorsorge, Kammerbeiträge) eher wenig.
Inzwischen bist du topausgebildet, hoch ambitioniert, vielleicht nicht mehr ganz so jung, deine Familienplanung hast du auf die Pension verschoben
, und wirst vorstellig bei der Bank, die beim Wort "Tierarzt" die Augen verdrehen und mitleidig den Kopf schütteln oder mal vorsichtig fragen, wieviel Eigenkapital man denn so hat.
Und das hat alles nichts mit reich werden zu tun, sondern mit dem Punkt erstmals heut dahin zu kommen, dass man das tun kann, für das man eigentlich studiert hat. Dass jeder, auch in anderen Branchen ein Risiko hat, ist mir schon bewusst, aber das Erstinvestitionsausmaß ist selbst bei der (gesetzlich vorgeschriebenen) Minimalausstattung relativ hoch, die Folgekosten auch.
Und dass man dann frustriert ist, wenn Rechnungen nicht bezahlt werden, oder die Leute nicht bereit sind auch die Arbeits- bzw. Beratungszeit zu bezahlen und einem vorwerfen, es mangele einem schlichtweg an Tierliebe, weil man sich nicht die Zeit für eine einstündige Telefonberatung nehmen kann, für jemanden der nicht in der Kundenkartei steht (und das kommt häufig vor), verwundert nicht unbedingt.
Ich liebe Tiere, ich gehe auf im Kontakt mit Patientenbesitzern - macht mir enorm Spaß, aber mein Hauptmotivationsgrund ist Freude an der Medizin und den Naturwissenschaften. Und kein Tierarzt verrechnet die tröstenden Worte, die man spendet, wenn sich eine Familie von ihrem Lebensfreund verabschiedet, oder wenn einem eine Seniorin ihre Lebensgeschichte erzählt, Kinder interessiert Fragen stellen, auch einmal den Herzschlag ihres Kaninchens hören wollen etc.
Aber fachliche Expertise, Arbeitszeit und Beratung sind Dienstleistungen und sollten auch so verrechnet werden. Schließlich kann ich meine Praxismiete und Mitarbeiter auch nicht mit Tierliebe und Ambition bezahlen.
Lg Selina