Zwei Meinungen zum Thema "Dominanz" die mir persönlich sehr gut gefallen und
die sich mit meinen Erfahrungen decken.
Ich hoffe es macht nichts, dass ich die hier einstelle, wenn doch dann einfach löschen.
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Rund um den Hund
Dominanz - Rangordnung - Unterordnung
Viele Dinge, die in der Hundeerziehung heute praktiziert werden, berufen sich auf das Rudelverhalten von Wölfen und die Beobachtung von Rangordnung und Dominanz innerhalb dieser Rudel. Diese Beobachtungen werden auf die Beziehung zwischen Mensch und Haushund übertragen und sollen bei Erziehungs- und Verhaltensproblemen helfen.
Doch können die Begriffe "Rangordnung" und "Dominanz" überhaupt auf unsere Mensch-Hund-Beziehung übertragen werden? Neue Forschungsergebnisse von G.Bloch, D. Mech und L. & R. Coppinger lassen stark daran zweifeln. Sie zeigen vielmehr, dass Wolfsrudel wie eine Familie strukturiert sind und durch die Elterntiere über ein System der Arbeitsteilung souverän und ohne übertriebene Aggression geführt werden.
Der Begriff "dominant" wird in der Regel für Hunde verwendet, die z. B. durch Aufmerksamkeit heischendes Verhalten ihre Besitzer bedrängen, ihr Futter verteidigen, Gehorsamsübungen verweigern oder die häufig in Konfrontationen mit anderen Hunden geraten. Doch kann man einen Hund pauschal als "dominant" bezeichnen oder dem Hundebesitzer mitteilen, dass er ein "Rangordnungsproblem" hat?
Ein Tier, das eine "ranghohe" Position bekleidet, zeichnet sich durch Souveränität aus und nicht durch aufdringliches Verhalten oder gesteigerte Aggressionen. Hunde, die so ein Verhalten zeigen, haben es entweder nicht anders im Umgang mit dem Menschen oder anderen Hunden gelernt, sind unsicher, gestresst, über-oder unterfordert oder verteidigen Ressourcen, die ihnen wichtig sind.
Die Erfahrung, die wir im Laufe der Jahre mit den verschiedensten Hunden und ihren Besitzern gemacht haben, zeigen, dass die Begriffe "Dominanz", "Rangordnung" und "Unterordnung" nur zu Missverständnissen führen und viele Probleme erst verursachen.
Ein Hund braucht Regeln und Grenzen, genau wie wir Menschen. Doch die Einhaltung dieser Regeln erreichen wir nicht dadurch, dass wir uns zum "Alpha" machen, überzogene "Rangordnungsregeln" exerzieren und den Hund "unterwerfen". Die Basis dafür ist Vertrauen und das Wissen um die Verhaltensweisen unserer Hunde.
Mag. Heidrun Krisa (Österreich) hat auf dem PDTE - Treffen 2003 (Pet DogTrainers of Europe) einen sehr interessanten Vortrag zu diesem Thema gehalten. Die Verwendung des folgenden Textes erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Frau Krisa:
Dominanzverhalten bei Hunden - gibt es das?
von Heidrun Krisa, HUNDE-FORUM, Wien
Eine meiner ersten Erfahrungen mit der "Bedeutung" von Rangordnung bei Hunden machte ich 1996, als ich an einer geführten Wandertour für Hundeleute und Hunde mit Erik Zimen teilnahm.
Am Abend lagen die Hunde - müde von den Ereignissen des Tages - schlafend im Garten der Gaststätte. Auf meinem Weg zur Toilette wollte ich die Tiere nicht stören und wich in einem Bogen aus. Wissen Sie, was daraufhin passiert ist? Erik Zimen kritisierte mich, dass ich durch mein Verhalten "die Alpha-Position" den Hunden gegenüber aufgegeben hätte. "Wann immer ein Alpha-Hund oder ein Mensch einen bestimmten Weg nehmen möchte", sagte er, "haben untergeordnete Individuen auszuweichen!" Zimen prophezeite mir damals sogar, dass mein Vorhaben, mit Hunden und ihren Besitzern zu arbeiten, scheitern würde. Ja, dass ich bald Probleme mit meiner eigenen, zwei Jahre alten Hündin bekommen würde, wenn ich nicht diese so bedeutsamen Rangordnungsregeln beachtete.
Ehrlich gesagt kam es mir reichlich abwegig vor, die Hunde aufzuscheuchen, um "meine Macht zu demonstrieren". Würden sie mir deshalb tatsächlich einen höheren "Status" zuschreiben? Und warum eigentlich sollte meine Hündin daran interessiert sein, in der Rangordnung nach oben zu klettern? Sie hatte, was ein Hund sich wünschen konnte: Futter, Wasser, ein warmes Plätzchen, Sozialkontakt, Schutz vor Gefahr, ein weiches Bett und noch einiges mehr.
Bald hegte ich ernste Zweifel an der Bedeutung der Rangordnung bei Hunden. Mehr hatte ich zum damaligen Zeitpunkt aber nicht vorzuweisen, und jedes Hundebuch, das ich finden konnte, beschrieb ausführlich Rangordnungs- und Dominanzverhalten bei Hunden... Mir fiel allerdings folgendes auf: Je mehr Druck von Seiten des Hundebesitzers auf den Hund ausgeübt wurde, umso häufiger und heftiger zeigte der jeweilige Hund Verteidigungsverhalten, sprich: Aggressionsprobleme. Um es auf den Punkt zu bringen: "Dominante" Hundebesitzer hatten "dominante" Hunde; der Mensch hatte sie dazu gebracht, sich genau so zu verhalten!
Und es ist nichts leichter als das: Wissen Sie, wie man schon einem Welpen beibringt, sein Futter oder seinen Knochen bzw. sein Spielzeug zu verteidigen? Genau, Sie müssen ihm seine Schätze nur ein paar Mal wegnehmen und schon weiß er, dass er Ihnen nicht vertrauen kann. Was würden Sie denn sagen, wenn ich Ihnen Ihren Kugelschreiber oder Ihre Brille ganz einfach wegnähme? Wären Sie immer noch nett zu mir?
Was häufig unter der Bezeichnung "dominantes Verhalten" geführt wird, ist vielmehr
* Verteidigungsverhalten
* ungestümes Verhalten
* jugendliches Verhalten
* einschüchterndes Verhalten
* und sehr häufig Stressverhalten!
Um den Hunden und ihren Besitzern weiterzuhelfen, brauchen wir folglich kein "Rangreduktionsprogramm" sondern in erster Linie ein Stress-Reduktionsprogramm. Schon allein durch Stressabbau werden gewisse Verhaltensprobleme eingedämmt.
Aber ich möchte noch einen Schritt weitergehen und das Konzept der Rangordnung bei Hunden generell in Frage stellen - ja, ich weiß, das ist hier bei uns Blasphemie!
Sehen Sie es doch einmal so: Das Konzept der Rangordnung ist nichts anderes als ein Erklärungsmodell, das uns helfen soll, bestimmte Verhaltensmuster soziallebender Tiere besser zu verstehen und auch vorherzusagen. Es wurde von Wissenschaftlern im frühen 20. Jahrhundert eingeführt. Aber es handelt sich dabei nach wie vor um ein Modell; für einige Hundeleute, scheint es, ist es jedoch zur Religion geworden. Wenn ein bestimmtes Modell nicht mehr hilfreich und veraltet ist, können und müssen wir es ersetzen!
Möglicherweise haben Sie schon von den Forschungen von David Mech sowie Raymond und Lorna Coppinger gehört. Mech fand heraus, dass freilebende Wolfsrudel ganz einfach Familien sind, in denen die Eltern ihre Nachkommen umsorgen und anführen. Dieses Familienleben spielt sich sehr ruhig und unspektakulär ab - ganz anders, als wir es von den in Gefangenschaft lebenden Wölfen kennen. Deren leicht aggressive Verhaltenstendenzen lassen sich durch den offensichtlich unerträglich hohen Stresslevel erklären, dem die Tiere durch das Leben in Gefangenschaft unweigerlich ausgesetzt sind. Wir dürfen daher keinesfalls den Fehler begehen, Stressverhalten von Wölfen mit dem Normalverhalten unserer Hunde gleichzusetzen!
Des Weiteren zeigten Coppinger und seine Frau auf, dass die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den heute lebenden Wölfen und unseren Haushunden weniger eng sind als wir gemeinhin annehmen. Daher ist es auch bedenklich, zu viele Parallelen zwischen diesen beiden Tierarten zu ziehen. Selbst wenn sich also bei Wolfsfamilien eine Rangordnung finden ließe, heißt das noch nicht, dass es etwas Vergleichbares auch bei Hunden gibt!
Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Kritikpunkt bezüglich der Rangordnung bei Hunden stellt in Frage, ob Hunde tatsächlich in der Lage sind, jetzt eine Handlung zu setzen, um später dadurch einen höheren Status (der aber abstrakt ist!) zu erreichen. Das setzt hohe kognitive Fähigkeiten voraus, an deren Erforschung derzeit aber erst gearbeitet wird.
Und zu guter Letzt: Wir sind keine Hunde. Der Alltag in einer Menschenfamilie folgt anderen Gesetzmäßigkeiten als jener in einem freilebenden Rudel. Auch die Kommunikation von Hund zu Hund ist nicht vergleichbar mit jener von Hund zu Mensch und umgekehrt.
Was sollten wir daraus schließen? Um Hunde zu verstehen und ein problemloses Zusammenleben mit ihnen zu ermöglichen, ist es nicht notwendig Rangordnungs- oder Dominanzregeln zu strapazieren!
Es ist viel wichtiger zu wissen:
* wie Hunde gut sozialisiert werden, um Sozialisationsproblemen vorzubeugen
* wie Hunde kommunizieren und lernen
* wie positives Training angewendet wird
* wie eine starke Bindung und eine vertrauensvolle Beziehung aufgebaut wird.