Erstmal danke ich Dir für die Mühe, die Du Dir gemacht hast. Ich finde Dein Posting sehr gut formuliert, sehr gut erklärt und auch sehr nachvollziehbar. Wenn da nicht zwei kleine (aber übliche) Denkfehler drin wären:
Du beschreibst hier, wie "es" Hunde untereinander regeln, lässt aber außer Acht, dass (und hier gefällt mir Calimeros Einwand sehr gut), dass Hunde bei weitem nicht so einfach gestrickt sind, wie es diese Erkenntnisse vermuten lassen würden. Das, was Du beschreibst, trifft vielleicht auf einen Durchschnittshund zu, vergleichbar wäre, dass man aus dem Verhalten von in einem Gemeindebau in Wien in den 70er Jahren lebenden Männern auf das Verhalten sämtlicher Menschen österreichweit schließen würde. Klar gibts Grundverhaltensmuster, die weitreichende Gültigkeit haben, aber ich beobachte auch schon seit über 20 Jahren Hundeverhalten in der Gruppe und kann ganz anderes berichten. Lässt man sie, sind Hunde viel einfallsreicher, sozialer und "humorvoller", als man auf den ersten Blick vermuten würde. Man muss nur genauer hinschauen.
Wir reden ja hier über einen kleinen Aspekt des sozialen Umgangs. Nämlich den, wo Grenzen Körperlich durchgesetzt bzw. dass Überschreiten von grenzen abgestraft wird.
Selbstverständlich haben Hunde untereinander andere Konfliktlösungsstrategien (Beschwichtigende verhaltensweisen, schlichtweg Ignorieren von Frechheiten usw.).
Und wir reden hier über Grundsätzliches, dass es Ausnahmen gibt ist da selbstverständlich.
Es gibt sicherlich Hunde, die es nicht nötig haben, körperlich zu werden, die eine derartige Ausstrahlung und Souveränität haben, dass sie auch so respektiert werden. Die sind aber eher selten.
Die meisten Hunde kenen den Aufbau Ansage-Verwarnung-Einwirkung bereits als kleinste welpen!!! Ich habe etwa 30 Würfe aufwachsen sehen und habe kein einziges Muttertier erlebt, was nicht abgestraft hätte.
Also "wissen" schon junge Hunde und welpen, was zu erwarten ist, wenn ein erwachsenener Hund so ist!! Und weil sie das wissen und rspektieren, kann es sich der erwachsenen hund auch leisten, sehr großzügig zu sein, die kleinen auf sich rumturnen zu lassen, sich piesacken zu lassen ... solenge er darauf Bock hat. Es reicht dann ja ein Blick, damit sie wieder sanfter, vorsichtiger werden, sollten sie es übertreiben.
Im übrigen sind Hunde da ja genauso individuell, wie wir Menschen. hat der eine eine Riesengeduld und zieht sich eher mal zurück als abzustrafen, ist der andere da durchaus rigoroser und läßt sich weniger gefallen.
Mir persönlich waren immer die Hündinnen am liebsten, die strenger waren. deren Welpen haben sich noch später immer genau die körpersprache der anderen hunde angeschaut und nie einen draufbekommen, wohingegen die anderen Welpen der sehr sehr großzügigen Mütter sich ihre "Packung" bei irgendeinem fremden Hund abgeholt haben, dem sie sich auf aus dessen sicht "distanzlose" art genähert haben.
Der zweite Denkfehler wohnt meiner Meinung nach in der Aussage, dass Hunde kein Alternativverhalten belohnen würden. Nach Deiner Rechnung würde es z.B. bei meiner Hundegruppenkonstellation so ausschauen:
tatsächlich aber durfte mein jüngster Hund auf dem sehr souveränen Rüden herumturnen, ihn fest beissen, im Schlaf belästigen usw. - der Lou hat nicht im mindesten darauf reagiert. Hat der Kleine einmal "adäquat" gehandelt, also zart geknabbert oder sanft gestupst, wurde ihm augenblicklich wohlwollende Aufmerksamkeit geschenkt - und das über Wochen. Nach dieser Zeit war es dann soweit - der Kleine hat nie wieder vergessen, was angemessen ist und was nicht. Und das hat er auf Hunde und Menschen umgelegt. Hunde, die lebenslang keine Gewalt erfahren haben, können sehr viel intelligentere Lösungen,
als scheinbar allgemeingültiges Hundeverhalten, entwickeln.
Ich glaub, das ist es, was mich an all den Hundeverhalten-Imitierern so stört
LG
Ulli