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Montag, 26. Juni 2006
Zu Gast bei Bärentötern
Deutschlands Problemjäger
"Bruno" ist tot. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht. Internationale Medien wie BBC und CNN berichteten online über den Abschuss. Bei einem eilends im Internet eingerichteten Kondolenzbuch brach unter dem Ansturm zeitweise der Server zusammen, gegen den - unbekannten -Schützen gingen Morddrohungen ein. Mit seinen Eskapaden hatte "Bruno" alle Sympathien auf sich gezogen, Wetten wurden auf ihn abgeschlossen und Solidaritäts-T-Shirts angeboten. "Bruno" war der Medienstar des Sommers. Am Montagmorgen wurde er von Jägern im oberbayerischen Spitzingseegebiet erschossen. Fünf Wochen lang hatte der junge Bär aus dem italienischen Trentino die Behörden in Bayern und Tirol auf Trab gehalten, die dabei oft keine sehr glückliche Figur machten.
Scheinbar seelenruhig rastete "Bruno" etwa unter den Augen von Kneipengästen vor einer Polizeiwache - um sich aus dem Staub zu machen, bevor seine für mehrere zehntausend Euro aus Finnland eingeflogenen, auf Bärensuche spezialisierten Verfolger mit ihren Hunden auftauchten. Während die Verantwortlichen Expertenrunden einberiefen und Pressekonferenzen gaben, marschierte "Bruno" mitten durch alpenländische Ferienorte. Er erschreckte Urlauber, verspeiste Schafe und Hühner, knackte Bienenstöcke und stahl kiloweise Honig - und kam immer wieder ungestraft davon.
Zuerst hatte die bayerische Staatsregierung den zotteligen Einwanderer auf das herzlichste willkommen geheißen, schließlich sollte er der erste Braunbär seit 170 Jahren im Freistaat sein. Doch schon wenige Tage, nachdem "Bruno" seine Tatzen auf bayerischen Boden gesetzt und Schafe gerissen hatte, verkündete Umweltminister Werner Schnappauf (CSU): "Der Bär ist zu einem Problembären geworden. Der Bär ist ganz offensichtlich außer Rand und Band." "Bruno" sollte gefangen oder notfalls erschossen werden. Die Sorge: dass der Bär einen Menschen anfallen könnte.
Denn "Bruno" hatte offenbar jede Scheu vor Menschen verloren. Ein Lastwagenfahrer will ihn gesehen haben, wie er die Mittelleitplanke der Inntalautobahn überkletterte. Vor den Augen von Wanderern nahm er am Samstag ein Bad im Soinsee. "Er war von Anfang an ein Sonderling", sagt der Tiroler Landesrat Anton Steixner. Naturschützer hatten dennoch verlangt, die Versuche zum Fang fortzusetzen und attestierten dem Ministerium ein "Trauerspiel der Aufgeregtheit und der Planlosigkeit".
So frech "Brunos" Verhalten oft wirkte: Tatsächlich lief der junge Bär in den vergangene Wochen immer wieder um sein Leben. Mehrfach waren die Finnen ihm dicht auf den Fersen, trieben ihn in die Enge. "Bruno" wusste, dass er verfolgt wurde, und dass es ihm an den Pelz gehen sollte, dürfte er gespürt haben.
Nach dem Abschuss herrschen Trauer und Empörung. "Wir werden Dich nie vergessen", schreibt der Veranstalter des Online-Spiels "www.brunoderbaer.de". Der Deutsche Tierschutzbund kündigte rechtliche Schritte an, und Naturschützer kritisierten den Abschuss als "die dümmste aller Lösungen". Präsident Fulco Pratesi von der Umweltorganisation WWF Italien sprach von einem "Akt der Barbarei". Denn "Bruno" sei letztlich Kind eines Projekts zur Artenerhaltung im Adamello-Brenta-Park in Südtirol gewesen. Der dort zuständige Experte meinte, "Bruno" sei erst in Deutschland zum Problem geworden aus Mangel an Toleranz.
Zum Verhängnis wurde dem Bären letztlich seine "schlechte" Erziehung. Mutter "Jurka" hatte ihren Erstgeborenen "JJ1", der ebenso wie Bruder "JJ2" aus der Verbindung mit "José" stammte, früh gelehrt, dass bei menschlichen Siedlungen auf einfache Weise leckere Mahlzeiten zu holen sind. Und auch die Menschen machten Erziehungsfehler: Immer, wenn die Bären ein zweites Mal zum Fressen zu ihrer Beute zurückkehrten, lauerten ihnen Jäger auf und beschossen sie mit Gummigeschossen. Bruno lernte so nicht, dass Siedlungen tabu sind sondern dass er nur nicht an den Tatort zurückkehren darf. "Er ist ziemlich helle", fasste Bayerns Bärenbeauftragter Manfred Wölfl schon vor Wochen zusammen.
Jetzt wird "Bruno" genetisch untersucht, dann soll er präpariert und im Münchner Museum "Mensch und Natur" im Schloss Nymphenburg ausgestellt werden. Dort ist auch der bisher letzte vor rund 170 Jahren in Bayern erlegte Braunbär ausgestellt. Experten gehen davon aus, dass schon im nächsten Jahr erneut ein Bär aus dem Trentino nach Bayern wandern könnte. Doch der Präsident Hubert Weinzierl vom Deutschen Naturschutzring warnt schon jetzt: "Bären der Welt, meidet Bayern."
Sabine Dobel, dpa