Also meiner steht sicher in einem guten Gehorsam... er würde im Freilauf niemals weglaufen (und das kann ich wirklich zu 100% sagen, weil der Trieb die "Herde" zu schützen - und sich damit nicht zu entfernen - einfach viel höher ist, als alles andere). Das höchste der Gefühle sind 10-15 Meter, weiter würde er nicht gehen. Selbst wenn wir mit mehreren Hunden spazieren gehen und die ewig weit vorauslaufen - er bleibt ab einem gewissen Punkt stehen und wartet auf mich.
Das musste ich ihm aber nicht beibringen... irgendwie hat er das immer schon so gemacht.
Jagen tut er auch nicht - er findet aufspringende Hasen, Fasane etc. zwar durchaus lustig und macht mal einen Sprung in deren Richtung... bleibt dann stehen, wedelt und geht mit mir weiter - Ich nehme an, auch da ist der Schutztrieb einfach stärker.
BGH Kommandos sitzen 1A - wir sind einige Tuniere gegangen, wir waren keine Tuniersieger (und werden wir auch nie) aber es reicht, damit im Alltag alles klappt.
Er zieht nicht an der Leine (zumindest nicht bei mir) und ist auch sonst sehr brav.
Das war aber nicht immer so - Thyson war ein Alptraumhund und ich meine das genauso wie ich es sage. Der war als Welpe keinesfalls lieb/niedlich/süss sondern eine Heimsuchung.
Dieser Welpe hat alles zerstört was es so gibt (Haushalt, Garten, Unterwegs), war überall drauf/drin/dran und in ungefähr so wie ein völlig aufgedrehter/super hektischer Jack Russel Terrier - nur das er dann irgendwann schon 30kg gewogen hat..
Er hat gebissen (und zwar so, dass man blaue/lila Flecken hatte), gekratzt, an der Kleidung gezerrt - keine 5 Minuten war Ruhe.
Und NICHTS - aber gar NICHTS - hat dagegen geholfen. Weder ignorieren, ablenken, umdrehen, anderes Zimmer, konsequent sein, Leckerlis, Spielzeug, schimpfen und mal die eine odere andere körperliche Zurechtweisung (meistens aus Reflex weil man wieder so fest gezwickt wurde und es wirklich bös weh getan hat)...nothing... sinnlos.
Ich habe monatelang keinen Besuch bekommen, weil sich niemand diesen Hund antun wollte - wer will bitte schon von oben bis unten von einem 30kg Hund besprungen, gezwickt und gerempelt werden??
Nein, Aus, Schluss jetzt - Kommandos waren ebenso wurscht wie Leckerlis, Wasserspritzpistolen usw. Er hat getan was er wollte und wann er es wollte.
Ich habe insgesamt 7 Trainer kontaktiert (und Hundeschule sowieso) und alle waren gelinde gesagt, etwas ratlos. Selbst Trainer die hier im Forum hoch geschätzt werden, haben die Köpfe geschüttelt
Dann gings los mit Menschen stellen und verbellen, Angriffe auf Kinder und Männer und auf andere Rüden...
Da war er so um die 8 Monate alt, 35kg schwer und wir waren bereits im Welpenkurs, Junghundekurs und mitten im Grundkurs...
Die Angriffe auf andere Rüden konnte ich schnell abstellen - Kastration und Ruhe war (und zwar für immer).
Irgendwann war ich wirklich 4 mal die Woche im Trainung, hatte einen privaten Trainer zu Hause und hab nichts mehr getan als mich von Morgens bis Abends um diesen Hund zu kümmern. Und es wurde und wurde einfach nicht besser... ich habe bittere Tränen geweint weil ich weder aus noch ein wusste und mir niemand helfen konnte.
Und nicht nur einmal habe ich an eine Abgabe nachgedacht und mir wurde dazu auch von verschiedenen Personen geraten - viele meiner Trainer sagten mir, dass es nie klappen würde und der Hund irgendwo auf einem Berghof auf der Alm am Arsch der Welt, viel besser aufgehoben sein würde als bei mir wo er nun mal viele Regeln und Kommandos befolgen muss.
Nur finde mal so einen Platz?? Ich wußte wenn ich ihn ins Tierheim gebe, er kommt da nie wieder raus... wer nimmt so einen Hund?? Kein Schwein macht das.
Also hab ich weiter alles getan, mir eine Bibliothek von 600 Hundebüchern zugelegt und alles gelesen und jedes angebotene Seminar besucht... und es wurde nicht besser...
Ich habe festgestellt das Theorie und Praxis GANZ WEIT auseinander liegen.
Thyson ist dann auch auf mich losgegangen - ich glaube es war 2 mal wo er es wirklich ernst gemeint hat. Ich habe nicht nachgegeben. Und ich glaube irgendwann im Laufe der Zeit habe ich seinen Respekt verdient... anders kann ich es mir nicht erklären.
Als er 2,5 Jahre alt war (oder 3 Jahre ganz genau weiß ich es nicht mehr) war er plötzlich wie ausgewechselt. Er hat aufgehört mich wahnsinnig zu machen und war von dieser Zeit an einfach nur folgsam (und zwar aufs Wort), brav, viel ruhiger, angenehmer, leicht führiger und einfach eine Wohltat.
Für mich jedenfalls - für andere Menschen war er immer noch "ein bissal Irre".
Die Angstaggression gegen (einige) fremden Männern und Kindern ist zwar bis heute geblieben - aber das schreckt mich nicht mehr und ich bin eine Ausgeburt an Vorsicht beim spazieren gehen. Das hat mir Thyson jahrelang anerzogen
- verlasse dich NIE darauf das NIX passiert, sei IMMER vorsichtig, lass dich NIEMALS ablenken und geh nur dort spazieren wo du einen guten Überblick hast. Das ist mein Alltag seit 6 Jahren, seitdem kann mich auch so gut wie nie etwas überraschen.
Ich habe immer all jene beneidet deren Hunde einfach nur freundlich, lieb, brav und viel "will to please" hatten... oh hab ich die Mali/Goldie/Aussie und Border Besitzer in der Hundeschule beneidet.... während ich mit dem Chaos auf 4 Pfoten geschwitzt und gekämpft hab - haben die immer nur völlig entsetzt die Köpfe geschüttelt.
Am schlimmsten waren aber immer die Besserwisser und Obergscheiten die mir ihre braven Hunde vorgeführt haben und alles besser wussten. Noch nie im Leben so einen Hund wie Thyson gesehen, selber einen Goldie an der Leine (der außer brav nur brav war und keinerlei aufwendiges Training nötig hatte) aber gscheit daher reden...
Oder aber zB. eine sehr angesehene Agility und Clicker Trainerin die mir wortwörtlich sagte:
"Ich bewundere dich, hätte ich so einen Hund hätte ich ihn schon an die Wand geklatscht"
Und weil ich das alles erlebt hab und weiß wie frustiert man ist, wenn man "sowas" zu Hause hat und hier im Forum oft als Trottel hergestellt wird, reagiere ich bei manchen Themen empfindlich.
Jemand der "normale" Hunde führt - hat keine Ahnung wie sich jemand fühlt der so eine Zecke zu Hause hat die einfach jede Regel der Hundeerziehung in den Wind bläst und wo die tollen Tipps hier NULL helfen.
Und es liegt nicht IMMER am Besitzer - ich wage zu behaupten, dass ich kein Idiot bin und alles in meiner Macht stehende getan habe um diesem Hund Erziehung angedeien zu lassen... ich war auch kein Hundeneuling und ich habe mich entsprechend informiert. Trotzdem war nichts so, wie es sein sollte.
Und trotz dem bin ich diesem Hund sehr dankbar... wäre Thyson nicht so eine Bestie gewesen, hätte ich mich niemals so intensiv mit Hunden (und deren Ausbildung) beschäftigt. Ich hätte nie soviele Bücher gewälzt, zig Seminare besucht, in der Hundschule einen Meldezettel ausgefüllt und alles gelesen was das Internet zum Thema Hund hergibt.
Ich habe von diesem Hund mehr gelernt, als es viele von 15 Hunden lernen. Er hat mich gezwungen mich mit ihm auseinander zu setzen, seine Körpersprache zu lernen und meine Handlungen zu perfektionieren. Thyson duldete keine Fehler - jeder Fehler zog monatelanges Training nach sich und hatte immer Konsequenzen.
Das Resultat nach 6 Jahren zusammen leben: eine Bindung die dermaßen stark ist, dass ich sie nicht beschreiben kann. Und zwar er zu mir, als auch ich zu ihm. Dieser Hund liebt mich und was das wichtigste ist... er hat gelernt mir zu vertrauen.
Ich - im Gegenzug - kann ihm aber noch immer nicht vertrauen. Ich würde ihn niemals auch nur 1 Minute unbeaufsichtigt laufen lassen, oder ihn einmal nicht anleinen wenn uns jemand entgegen kommt... - am Vertrauen in meinen Hund muss ich noch arbeiten. Er hat deswegen nicht viele Freiheiten weil ich eben nicht über meinen Schatten springen kann und die Dramen in der Vergangenheit nicht vergessen sind.
Aber ich habe mich bereits überwunden und ihn mit in die Arbeit genommen - und er hat es honoriert in dem er dort einfach nur toll ist
Fazit: mein Hund folgt und mein Hund ist abrufbar und viele - die mich heute kennen lernen - sagen "pfau... wie hast du DAS denn geschafft, der hört ja aufs Wort".... aber niemand weiß wie viel Arbeit, Zeit, Mühe und Tränen das gekostet hat...
Und zwar viel mehr, als manche bereit sind überhaupt zu geben... bei sehr vielen wären Thyson im Tierheim gelandet.
Ich bin mir sicher bei sehr vielen WUFF Usern hier die großartig tönen, wie toll nicht ihre Hunde sind und wie brav die nicht folgen - die hätten Thyson in der Sekunde abgeschoben...
Dieser Hund war nicht nur traumatisiert (Tötung) und kaputt - sondern auch charakterlich einfach eine Herausforderung. Und es gibt nun mal Hunde die eben nicht so sind wie man sich einen Hund vorstellt
Deswegen plädiere ich dafür, jeden dessen Hund nicht so gut folgt nicht sofort an den Pranger zu stellen, wie es hier oft Usus ist