Quelle:
Verfassungsschutzbericht 2006
VII. Militanter Tierschutz
1. Allgemeines
Unter militantem Tierschutz sind ausschließlich Aktivitäten zu verstehen, die sich außerhalb des Rechtsrahmens bewegen. Mit dem Begriff Tierrechtsgruppen wird eine Abgrenzung zum allgemein anerkannten Tierschutz, der innerhalb der Rechtsnormen ausgeübt wird, getroffen. Den gewonnenen Erkenntnissen zufolge ziehen militante Tierrechtsgruppen selbst eine Grenze zu den aus ihrer Überzeugung zu zurückhaltend bzw. zu einseitig agierenden Tierschutzorganisationen. Sie planen zur Umsetzung ihrer Vorstellungen zum Tierschutz vorsätzlich und bewusst den Rechtsbruch in ihre Aktivitäten bis hin zur Verwirklichung strafrechtlich relevanter Tatbestände ein.
Militante Tierrechtsgruppen machten auch 2005 durch umfangreiche Aktivitäten, die sich sowohl innerhalb als auch außerhalb des geltenden Rechtsrahmens bewegten, auf sich aufmerksam. Schwerpunkte der offiziellen Kampagnen und auch der illegalen Aktivitäten waren die Jagd, die Pelztierhaltung bzw. die Verarbeitung von Pelzen sowie Käfigzucht,
Masttierhaltung, Tiertransporte und erstmals in medien- und öffentlichkeitswirksamer Form der Vogelfang.
Die Strategie der öffentlichen Wahrnehmung von militanten Tierrechtsgruppen wurde von diesen in den letzten Jahren weiterentwickelt und lässt sich in zwei, dem jeweiligen Zielpublikum angepasste Bereiche teilen. So gibt es einerseits die öffentlichen und medienwirksamen Aktivitäten von Organisationen, die Missstände im Tierschutzbereich aufzeigen und die im Zuge von legalen Protestkampagnen zur Steigerung des Bekanntheitsgrades bzw. für die Mitgliederwerbung oder für Spendenaktionen eingesetzt werden. Daneben werden unter dem Begriff der Direct Action Groups zielgerichtete Aktionen gesetzt, die Rechtsbrüche und auch die Setzung strafrechtlich relevanter Tatbestände in Kauf nehmen. Die Publizierung dieser Aktionen und der dazugehörigen Bekennungen erfolgt anonymisiert unter diversen Synonymen das bekannteste ist ALF
(Animal Liberation Front) und zielt auf die Anerkennung und Unterstützung durch jene Sympathisanten ab, die die Umsetzung ihres Protestes auch durch militante, außerhalb der Rechtsnorm stehende, Aktionen verwirklicht sehen wollen.
Die in Österreich aktiven militanten Tierrechtsgruppen können bei ihren Aktionen auf gut ausgebaute regionale und nationale Netzwerke zurückgreifen. Die Rekrutierung für diese Verbindungen findet seit Jahren primär in jung-urbanen Gesellschaftsschichten statt. So entstanden sukzessive in fast allen Landeshauptstädten eigenständige lokale Gruppen, die im Anlassfall in überregionale Aktivitäten eingebunden werden können. Die dritte Ebene im Netzwerk der militanten Tierrechtsgruppen bilden die internationalen Kontakte, die durch rege Besuchstätigkeit und die Nutzung des Internet gepflegt werden. So ist es diesen Gruppen zum Beispiel möglich, in relativ kurzer Zeit auf elektronischem Weg gezielte und weltweit koordinierte Aktionstage gegen multinationale Konzerne zu organisieren. Bei den direkten Kontakten ist die wechselseitige Protestunterstützung von und für ausländische Tierrechtsgruppen und -aktivisten weiterhin gegeben. Im Jahr 2005 wurden vor allem Kontakte von und nach Bayern und Südtirol registriert, die sich u.a. in gegenseitigen Besuchsaktivitäten und der Teilnahme an Protestaktionen manifestierten. Institutionalisierte
organisatorische Verbindungen der militanten Tierrechtsgruppen mit Organisationen der linksextremen Szene waren im Jahr 2005 nicht evident.
Die Verwendung des Internet ist für die Selbstdarstellung der militanten Gruppen und Vereine unerlässlich. Mit Hilfe von professionell gestalteten Homepages werden die Ziele und offiziellen Aktivitäten dargestellt, die Werbung von neuen Mitgliedern betrieben und diverse Spendenkampagnen forciert. Die Vorbereitung und Begleitung von Aktionen bzw. Kampagnen wird durch den Einsatz elektronischer Foren unterstützt, womit für einen
schnellen und unmittelbaren Informationsaustausch in der Szene gesorgt wird.
Die in den letzten Jahren unternommenen Versuche, durch eine Überwindung der Zersplitterung der Szene eine stärkere politische Position zu erreichen, waren im Berichtszeitraum nicht mehr evident. Es ist davon auszugehen, dass eine österreichweite Einigung der heterogenen Tierrechtsszene von den Aktivisten nicht mehr als prioritäres Ziel eingestuft wird.
2. Aktivitäten
Der überwiegende Teil der Aktivitäten militanter Tierrechtsgruppen entfiel im Jahr 2005 auf legale, rechtskonforme Aktivitäten wie die Abhaltung von Informationsveranstaltungen, Protestmärschen und Workshops, die vor allem auch der Rekrutierung von Spendern und aktiven Mitgliedern dienten. Im Zusammenhang mit den öffentlichen Auftritten konnte ein starkes Bemühen um mediale Präsenz festgestellt werden, das auch auf provokative,
aktionistische Störversuche ausgedehnt wurde. So wurden z.B. bei Protesten gegen die Jagd im Burgenland oder den Vogelfang im Salzkammergut erfolgreich Vertreter der Print- und der elektronischen Medien eingebunden.
Bei der Anzahl strafbarer Handlungen wurde im Jahr 2005 in quantitativer Hinsicht das Niveau des Vorjahres erreicht. Österreichweit wurden insgesamt 22 Straftaten angezeigt (2004: 24), die neben einem Hausfriedensbruch ausschließlich Beschmierungen und Vandalismusakte, wie der Zerstörung von Auslagenscheiben oder die Blockierung von Geschäftseingängen, umfassten. Die Gesamtschadenssumme belief sich auf rund 14.000 (2004: 31.000). Die Setzung eines Hausfriedensbruches kann als eine qualitative Änderung
hinsichtlich der Deliktsarten bewertet werden, nachdem 2003 durch mehrere
schadensintensive Brandstiftungen ein Höhepunkt der Aktivitäten erreicht und im Jahr 2004 eine relative Beruhigung eingetreten war.
Im Berichtsjahr war erstmals eine in quantitativer Hinsicht relevante Verlagerung illegaler Aktivitäten aus dem ostösterreichischen Raum nach Westösterreich evident. So wurden in Wien 12 und in Niederösterreich zwei Delikte registriert, aber auch in Vorarlberg wurden sieben Delikte und in Oberösterreich eine strafbare Handlung zur Anzeige gebracht.
Es ist davon auszugehen, dass die im Jahr 2005 verübten strafbaren Handlungen in erster Linie von sogenannten Direct Action Groups, in Form von konspirativen Kleinstgruppen agierenden militanten Tierrechtsaktivisten, verübt wurden.
Die Zahl der von Tierrechtsaktivisten abgehaltenen Homedemos zeigte im Berichtsjahr eine weiter rückläufige Tendenz. In verschiedenen Fällen wurden Homedemos zwar angekündigt, letztendlich aber nicht durchgeführt.
3. Prognose
Es ist zu erwarten, dass die bisher im Bereich der militanten Tierrechtsszene engagiertesten Gruppen ihre Aktivitäten weiter steigern werden. Einerseits führten die bisherigen Erfolge auf dem Gebiet der Tierrechte bzw. des Tierschutzes nur zu einer kurzfristigen Abnahme der Proteste und andererseits ist aus Sicht der militanten Tierrechtsgruppen noch eine Vielzahl
von Problemen im Umgang mit Tieren offen. Vor allem das Selbstverständnis der Tierrechtsgruppen, wonach herrschendes Tierleid bei mangelnden rechtlichen Schutzbestimmungen auch die Durchführung illegaler Aktionen notwendig macht, wird weiterhin zur Planung und Umsetzung einschlägiger Straftaten führen.
Na, die Prognose scheint sich bewahrheitet zu haben