Brigitte, wenn man helfen will, muss man zuerst schauen was der andere braucht - was er annehmen kann - und was ihm tatsächlich hilft.
Ganz egal wie lang du mit irgendwem in Russland redest - es wird nichts bewirken, außer diese Person in Gefahr zu bringen.
Wir leben hier in einem freien, demokratischen Land, wo jeder sagen kann was er möchte, und für was auch immer demonstrieren kann, oder Volksbegehren initiieren und unterschreiben kann, ohne deswegen irgendwas befürchten zu müssen. Und dennoch bewegen selbst große Demonstrationen und Volksbegehren meist nur wenig.
Am meisten bewirkt man, indem man wählt. Oder selbst in politischen Organisationen mitarbeitet und Lobbyarbeit betreibt.
Gibt es in Russland freie Wahlen? Möglichkeiten zu Demonstrationen, Volksbegehren? Nein. Etwas anderes zu sagen als es von Staats wegen erlaubt ist, ist gefährlich - und jetzt wurde das verschärft und jede Kritik ist mit jahrelangen Haftstrafen bedroht. Und das ist keine Haft wie wir sie verstehen. Folter, Mangelernährung und fehlende medizinische Versorgung sind eher die Regel als die Ausnahme. Die Familie erfährt nicht mal, wo die verhafteten Angehörigen sich befinden, und hat selbst auch unter Repressalien zu leiden.
Das ist ein Regime, das durch Angst herrscht.
Genauso brutal wie jetzt in der Ukraine vorgegangen wird, wird, wenn es für nötig befunden wird, auch gegen das eigene Volk vorgegangen.
Wenn du tatsächlich helfen willst - dann betätige dich nicht als Agitatorin, die andere ins Feuer schickt.
Ein Nawalny hat das Recht, andere zum Kampf gegen das Regime aufzufordern. Weil er selbst Leib und Leben riskiert dafür. Deshalb ist er nach Russland zurückgekehrt, obwohl er wusste dass er dort für lange, lange Zeit in Haft sein wird.
Ich, du, die wir hier im Westen in Sicherheit sind - wir haben dieses Recht nicht.
Hilf denen, die herkommen und Hilfe brauchen.