Hallo,
ich kann da von mehreren Perspektiven sprechen. Zum einen wurde ich von meinem Vater misshandelt - also es waren deutlich mehr als Schläge - aber er hatte sich Gründe dafür gesucht! Um sich irgendwie abzureagieren. Wir gingen immer auf Scherben, weil wir gar nicht alles richtig machen konnten.
Unsere Mutter schlug uns selten, aber Watschen waren schnell verteilt, wenns um Vergehen ging, die wir nie erklärt bekamen.
Wir bauten viel Mist, vor allem ich. Ich mußte mich ja auch irgendwo abreagieren

.. Ich prügelte mich mit Jungs im Kindergarten und verschaffte mir so die Furcht der anderen. Ich fühlte mich dadurch erwachsener. Somit stärker.
Ich bekam meine Schwestern zur Erziehung untergeschoben, als ich selbst ein Kind war. Irgendwann rutschte auch bei Hand bei meiner jüngsten Schwester aus. Und es war wirklich ein Reflex. Ich hab sie damit alleine gelassen und hab mich vor Entsetzen verkrochen. Anschließend bin ich zu ihr hin, und es tat mir so weh, dass sie Angst vor mir hatte. Wir hatten geredet und ich habe gesagt, dass es falsch von mir war, aber irgendwo war doch der Bruch drinnen.
Wenn ich vom Vater verprügelt wurde, habe ich auch gelacht. Laut und schallend, bis mir die Tränen kamen. Unbewußt aber, also nicht um ihn zu provozieren. Es war auch ein Reflex, wie beim Kitzeln. Ich wollte es nicht, ich hatte furchtbare Angst.. Auch heute reagiere ich bei Angst mit Galgenhumor und Zynismus. Es half mir über die Zeit hinweg. Eine Mutter, deren Kinder ich eine zeitlang mit(allein)erzogen hatte, sagte mir, dass ihre Tochter, als sie von der Scheidung der Eltern hörte, plötzlich lauthals loslachte. Ohne Anlass und Grund. Sie versuchte zwischen dem Lachen noch zu reden, dass sie wüßte, dass das nicht lustig ist, sie aber trotzdem lachen müsste - das Kind kam nicht anders damit zurecht.
Von meinen Eltern hatte ich mich entfremdet und landete auf der Straße. Ich habe mir dort - auch nicht geplant - Ersatzeltern gesucht. Leute, von denen ich was lernen konnte und die mir auch zuhörten. Leute, bei denen ich wußte woran ich bin.
Jahre später kam ich wieder auf die richtige Spur, aber nicht dank der Erziehung meiner Eltern. Bei mir fruchteten die Versuche der Sozialarbeiter. Dennoch habe ich zweifellos Macken.
Heute betreue ich selbst Kinder, verschiedensten Alters. Es sind nicht meine eigenen, mag ein Manko in meiner Erfahrung sein. Dass ich einige von ihnen über Monate hinweg fast den ganzen Tag über habe, mag einen Teil wieder ausgleichen.
Ich habe einen Jungen, 11, der von seinem Vater geschlagen wird. Er prügelt sich, schimpft um sich und zeigt Respekt vor niemandem. Bei mir ist er tadellos. Nicht, weil ich ihm alles durchgehen lasse. Er hat nur gemerkt, dass ich mich nur mit ihm befasse, wenn es sein Verhalten wert ist. Umgekehrt jedoch genauso! Gerade er mahnt mich, wenn mir ein "fuck" ausrutscht *fg*
Dann noch ein Geschwisterpaar, das ich nun seltener sehe, da sich die Familienverhältnisse geglättet haben. Sie wurden nie geschlagen, und wir hatten oft Gespräche, wenn mal was im TV war, von wegen "Kinder darf man nicht schlagen - hat Papa/Mama gesagt". Also es stimmt, diese Kinder sind sich ihrer Rechte durchaus bewußt. Trotzdem konnte ihnen durch konsequente Erziehung vermittelt werden, dass - solange sie noch jung sind - trotzdem Mama und Papa das sagen haben. Und wenn Mama und Papa sagen, dass die Kinder der Betreuerin folgen sollen, dann ist das so.
Es ist nicht so, dass ich da nicht auf die Probe gestellt wurde. Vor mir hat man ja noch weniger Respekt als vor den Eltern. Schon allein durch das Alter

Bei "Nach der Serie ist Schluß mit fernschaun" wurde gebrüllt wie am Spieß, als ich es wagte, den Fernseher tatsächlich auszuschalten. Ich gebe zu, in der Wiener Wohnung war mir das echt sehr unangenehm, waren grad wieder Horrormeldungen von misshandelnden Babysittern in den Nachrichten. Ich hatte Kopfweh bis zum Zerplatzen, versuchte krampfhaft ruhig zu bleiben. Irgendwann hatte sie sich beruhigt, und dann kam noch ein "Aber morgen guck ich das und das!" Und schon konnte man ein Gespräch einlenken. Klar durfte sie das, wenn nachher abgedreht wird und es keinen Mucks gibt. Sonst ist die Abmachung beim nächsten Mal gestorben.
Es war so, Serie war aus, Fernseher wurde abgedreht und ich hab mich bei ihr bedankt. Es kam natürlich gleich die Frage, ob es dann morgen auch so gilt. Natürlich, solange es so funktioniert, bleiben wir bei der Abmachung. Und solange Abmachungen grundsätzlich eingehalten werden, kann man auch Ausnahmen einführen. Wenn es Probleme gibt, werden diese konsequent gestrichen usw.
Ich weiß, das kann man nur bei Kindern anwenden, die sich schon artikulieren können. Ich habe schon stundenlang mit Aber-Warum-Diskussionen verbracht, wo ich mehr als nah dran war, einfach nur "so halt!" zu brüllen *g*
Und auch ich komme manchmal mit Kopfschmerzen heim, wo dann die Kinder anfangen rumzumeckern und zu petzen, was ich in dem Moment absolut nicht ab kann. Auch da funktionieren Kompromisse. Wenns arg ist, setze ich die Kinder auch wirklich vorm Fernseher (auch nicht empfohlen *g*) damit ich mal ne Stunde Auszeit habe, und dann dürfen sie zu mir kommen und meckern *g*
Manchmal, wenn die beiden zeitgleich am Durchdrehen sind, würde ich sie auch am Liebsten an die Wand klatschen! Das streite ich gar nicht ab. Manchmal muß ich auch wirklich sehr mit der Selbstbeherrschung kämpfen, um meine Hand nicht ausrutschen zu lassen. Ich gebe ja zu, dass dieser Reflex-und-Ruhe-ist - Gedanke sehr lockend ist. Passiert ist es in den Jahren nie. Macht mich nicht automatisch zum guten Menschen, aber stolz bin ich dennoch drauf.
Viele Leute machen - meiner Meinung nach - auch den Erziehungsfehler, dass Gutes als selbstverständlich hingenommen wird, das Schlechte aber bestraft wird. Also gutes Verhalten wird ignoriert, das schlechte Verhalten bringt Aufmerksamkeit..
Einfaches Beispiel: "Dreh bitte den Fernseher leiser" - Kind machts - Null Reaktion, aber man ist zufrieden, denkt nur nicht dran, es auch zu erwähnen oder lobend zu honorieren. Aber wehe, es weigert sich
hmm.. langer Text.. das Thema liegt mir halt ziemlich im Magen *gesteh*
lg
Alina