ZUR INFO!!!
*Betreff:* Anmerkung zu Protesten gegen ein angebliches Europagesetz zum Töten
von Streunertieren.doc
*Anmerkungen zum Protest gegen ein angebliches Europagesetz zur Tötung von
Streunertieren*
Die zahlreichen im Internet kursierenden Aufrufe und Petitionen sind leider nur
teilweise zutreffend und führen bei der Bevölkerung als Empfänger zu erheblichen
Missverständnissen – und bei den damit befassten Politikern vermutlich eher zur
Verstimmung. Das Missverständnis gipfelt in der schlichtweg falschen Behauptung,
es gäbe bald ein „Europäisches Gesetz zur Massentötung von Streunertieren“.
VIER PFOTEN liegt deshalb daran, hier einige Fakten zurecht zu rücken, da
falsche Petitionen das ohnehin in der Politik sehr ambivalente Image von
Tierschützern nicht gerade verbessern und unsere differenzierte politiische
Überzeugungsarbeit auf der europäischen Ebene eben nicht unterstützen, sondern
sogar das Gegenteil bewirken könnten.
Wir vertreten selbstverständlich das gleiche Grundanliegen wie die Petenten,
dass das Problem der Streunertiere und zwar mit humanen Methoden gelöst werden
muss. Hierzu ist aus unserer Sicht die Zuständigkeit der EU erforderlich, weil
die Mitgliedstaaten dazu entweder wirtschaftlich nicht in der Lage sind oder
trotz eindeutiger nationaler Gesetze diese nicht vollziehen wollen oder beides.
Nachfolgend hier die wichtigsten Stichworte:
Ausgangspunkt:
Die Komplexität des Themas kommt daher, dass Tierschutz kein eigenes Politikfeld
ist wie etwa inzwischen der Umweltschutz. Die Zuständigkeiten für den Tierschutz
sind daher stets in Zusammenhang mit den EU Themen der Gemeinsamen Agrarpolitik,
der Tiergesundheit als Bestandteil der Lebensmittelkette, also letztlich der
Gesundheit des Menschen – und als Handelsgut gegeben. Es gibt durchaus
Fortschritte in der europäischen Tierschutzpolitik , doch diese sind noch nicht
so weit gediehen, dass wir eine vergleichbare ‚EU Karriere‘ wie im Umweltschutz
haben, eine eigene Generaldirektion Tierschutz wäre zu wünschen. Man muss
gleichzeitig realistisch sein und darf die anderen Problemstellungen in Europa
nicht ignorieren , die die Menschen hier bewegen – der Tierschutz hat es schwer
in Brüssel. Daher erfordert unsere Arbeit qualitativ hohes Niveau, überzeugende
Argumente und fundierte Unterlagen.
Zu den kursierenden Meldungen sei daher hier ein Versuch unternommen, etwas
Klarheit in diese zum Teil oder sogar ganz falschen Aussagen und Forderungen zu
bringen:
1. Ein solches Gesetz gibt es nicht und ist auch nicht geplant. Im Gegenteil.__
2. Die EU ist rechtlich grundsätzlich nicht zuständig für Heimtiere und
auch nicht für die
Streunertiere.
Dies gibt es nur im engen Rahmen des gewerblichen Handels mit Zuchttieren oder
der privaten Verbringung von z.B. Haushunden über Grenzen, hierzu gibt es
tiergesundheitliche europäische und Handelsrichtlinien.
3. Eine solche Zuständigkeit wird (zurecht) immer mehr gefordert – und zwar
vom EU
Parlament und von Tierschutzorganisationen als Interessenvertreter der europäischen
Bürgerinnen und Bürger.
4. Das Europäische Parlament forderte am 22. Mai 2008 mit überwältigender
Mehrheit eine
Zuständigkeit der EU für die Streunertiere im Rahmen der
Tiergesundheitsstrategie der EU Kommission. Das bedeutet, dass Impfstrategien
als Vorbeugungsmaßnahmen anstatt zu Heilen (bzw. Keulen) nicht nur für
landwirtschaftliche Nutztiere, Wildtiere und Haustiere, sondern auch für
verwilderte Haustiere, wie sie dort genannt sind, gelten sollen. Die
Tiergesundheitsstrategie der EU Kommission ist im übrigen ebenfalls kein
Gesetz, sondern ein politisches Programm (2007-2013) mit dem Titel „Vorbeugen
ist besser als Heilen“.
5. Ferner haben die Abgeordneten des Europaparlaments Alain Hutchinson,
Neil Parish und David Hammerstein eine Schriftliche Erklärung zu Heimtieren und
Streunertieren initiiert, siehe
www.vier-pfoten.eu <http://www.vier-pfoten.eu>.
Ebenso gab die Europaabgeordnete Elisabeth Jeggle MEP das ein ein klares
Statement dazu ab in der Broschüre „Science based solutions for the management
of stray dogs in Europe“ 7/8 October 2008. Und nicht zuletzt gibt es zunehmende
Anfrage der Parliamentarier an die EU Kommission, so auch von den
Europaabgeordneten Hiltrud Breyer und Cem Özdemir, um nur einige deutschen
Mitglieder des Europaparlaments zu nennen.
6. VIER PFOTEN fordert die Zuständigkeit der EU in der Conclusion ihrer EU
Streunertiere Konferenz am 7. Oktober 2008 in Brüssel (Broschüre kann angefordert
werden, alle Vorträge dazu auf der Website).
Dies fordert auch die Hessische Landesregierung mit Ihrer
Tierschutzbeauftragten Frau Dr. Martin und der Bund gegen Missbrauch der Tiere,
ENT und Tasso e.V. ebenfalls, um nur einige Partner zu nennen. Mit einem
gemeinsamen Parlamentarischen Abend in Brüssel im Februar 2008 haben wir mit der
Landesvertretung Hessen erstmals die Einbeziehung der Streunertiere in die
Tiergesundheitsstrategie gefordert.
7. Es gibt vom Europarat in Strassburg (zu unterscheiden von der EU) eine
Konvention
(Empfehlung) zu Streunertieren, die jedoch ebenfalls nicht rechtsverbindlich
ist, und die in etwa kaum die Hälfte der Mitgliedsländer des Europarates
unterzeichnet haben. Auch eine solche Konvention ist kein Gesetz, sondern ein
völkerrechtlicher Vertrag und nicht unmittelbar sondern indirekt
rechtsverbindlich, stärker politisch bindend.
8. Offenbar beziehen sich hier die besagten Petenten auf den _Entwurf einer
Richtlinie der
Welttiergesundheitsorganisation (OIE)_, eine Organisation, die in erster Linie
im Sinne der Tierseuchenbekämpfung entstanden ist, sehr intensiv auch für die
Entwicklungsländer und Schwellenländer arbeitet und sich nun auch dem Tierschutz
mehr und mehr zuwendet.
9. Richtig ist, dass diese Organisation in diesem Richtlinienentwurf die
Tötung
gesunder Straßentiere als Bestandteil einer global gültigen Lösung des Problems
sieht. Immerhin hat die _OIE in ihrer Tierschutz-Resolution vom 22. Oktober 2008
_in Kairo „humane Methoden“ zur Reduzierung der Überbevölkerung der
Streunertiere gefordert. Die ursprünglich im Text enthaltene unbegrenzte Tötung
und Beseitigung von Streunertieren wurde auf Betreiben der anwesenden
Tierschutzorganisationen zumindest eher als Ausnahmeregelung für einige Länder
formuliert und in eine Fussnote verschoben.
10. An dieser Stelle kommt zum Tragen, dass VIER PFOTEN hier eine (die einzige)
_Übereinstimmung mit den Aufrufen_ im Internet hat: auch VIER PFOTEN vertritt
von jeher die klare Auffassung, dass das _Töten gesunder Tiere unter keinem
Aspekt zu befürworten_ ist, mit Ausnahme der veterinärmedizinisch indizierten
Euthanasie einzelner z.B. schwer kranker Tiere. Wir handeln auch
dementsprechend in unserem Projekt „Stray Animal Care“ SAC .
Nachgewiesenermaßen ist das Töten _keine nachhaltige Methode_, da sich in einer
Umgebung entsprechend den Rahmenbedingungen die Rudel immer wieder erneuern.
Hierzu finden Sie u.a. einen Vortrag mit Statistiken, der im Rahmen unserer oben
genannten Streunertiere-Konferenz im Oktober 2008 in Brüssel gehalten wurde, auf
unserer Webseite (Dr. Chinny Krishna, Paolo Dalla Villa, Ioana Dungler etc.).
Zweitens _lehnen wir dies ebenso aus verantwortungsethischen Gründen ab_. Wir
halten in unseren Schulprojekten die Kinder zu einer verantwortungsvollen
Haltung gegenüber dem Tier an- das Töten und Beseitigen von Streunertieren
steht dem diametral entgegen.
Broschüren unserer Konferenz sind bei uns noch in begrenzter Anzahl kostenlos zu
erhalten. Die Vorträge sind in voller Länge auf unserer Website. Im letzten Teil
der Konferenz wurde über die Tötung als Methode sehr kontrovers diskutiert.
VIER PFOTEN - Stiftung für Tierschutz
9. März 2009
Director European Policy
Dr. Marlene Wartenberg