Ich glaub die unterschiedlichen Herangehensweisen liegen daran, dass verschiedene Leute die Ursachen des Knurrens verschieden interpretieren.
Variante 1: Der Hund bekommt Stress, weil er im Rang nicht richtig eingeordnet ist und sich auf seinen Alpha nicht verlassen kann und daher versucht die Situation selbst zu lösen => Antwort darauf: im Rang unterordnen.
Ich denke, dass bei der Variante mehrere Dinge zu beachten sind:
1. Es gibt keine Indizien, dass es zwischen verschiedenen Arten eine Rangordnung gibt. d.h. es wird gerade in letzter Zeit darüber gestritten, ob es zwischen Mensch-Hund überhaupt eine solche Beziehung gibt. Ich finde das beste Buch dazu ist von James O'Heare, Die Dominanztheorie bei Hunden, Verlag: Animal Learn (2004), ISBN - 3936188211. Die Originalausgabe ist auf Englisch, aber dafür muss man gut sein in Englisch ;-)
2. Wenn man davon ausgeht, dass es Dominanz zwischen Mensch und Hund gibt, ist die Frage, was einen guteN "RudelführerIn" ausmacht. Lange Zeit wurden Verhaltensweisen von Wölfen, die in Gefangenschaft leben als normal eingestuft. Nach neueren Forschungen durch z.B. Mech ist klar, dass die "AnführerInnen" in einem freilebenden Wolfsrudel schlichtweg die Eltern sind und diese keine seltsam drakonischen Strafmaßnahmen anwenden (wie Nackenfellschütteln, Kämpfe, etc.) sondern schlichtweg durch Erfahrung, Ruhe, Sicherheit und weise Entscheidungen trumpfen. Natürliche Autoritäten sind selten die, die es nötig haben zu schreien
3. Gibt es nach Federsen-Petersen nicht den "dominanten" Hund sondern Dominanz ist etwas Situationsbezogenes. Es kann sein, dass in einer Situation der eine "dominiert" und in der anderen ein anderer. Weil soziale Gefüge sehr komplex sind, machen wir es uns oft mit "der Rudelchef verwaltet und bestimmt alles" etwas zu einfach.
Variante 2: Der Hund knurrt, weil er Angst hat. Dann kann man das Problem natürlich nur lösen, indem man ihm die Angst vor der Situation nimmt. Das Knurren ist dann ja eine Äußerung eines inneren Gefühls - sprich, wenn ich das Knurren unterbinde z.B. durch ein "Nein", dann ändert sich das Gefühl des Hundes zur Situation nicht sondern es bleibt nur die Äußerung weg. Wenn man davon ausgeht, ist es natürlich so, dass - wenn man das Knurren bestraft - der Hund in Zukunft diese Kommunikation unterlässt, sich aber weiter ängstigt und wenn die Situation zu schlimm wird, die nächste Stufe verwendet, also z.B. schnappen.
Ich kann zu beiden Varianten nur eines sagen: Ich betreue seit über 10 Jahren im Tierheim Hunde, die Aggressionsprobleme mit Menschen haben im Tierheim und keiner dieser Hunde war souverän und selbstsicher. Die Lösung für das Knurren war immer die Einstellung und das Gefühl der Hunde gegenüber (z.B. fremden) Menschen zu ändern. Warum das Strafen trotzdem oft funktioniert: die meisten Hunde fühlen sich nur ein wenig unsicher. Wenn man sie für diese Äußerung bestraft, unterlassen sie diese Kommunikation, kommen aber in keine Situation, die so bedrohlich für sie ist, dass sie schon die nächste Stufe erklimmen würden - also z.B. schnappen. Wenn Du aber mal einen Hund hast, der so unsicher ist und der gelernt hat, dass Beschwichtigungssignale, Stress- und Anspannung nicht erkannt werden, Knurren und Schnappen bestraft wird und er glaubt sich jetzt nur noch mit Beissen helfen zu können - dann hast Du ein wirklich gravierendes Problem. Ich kenne bisher 2 solche Hunde und mit einem davon habe ich zusammengelebt. Man kann solchen Hunden die Kommunikation wieder erlernen, aber es ist extrem gefährlich bis sie wieder kommunizieren und manchmal macht man eben Fehler im Alltag oder schätzt eine Situation falsch ein und wenn ein Hund dann nicht Knurrt sondern gleich fest beisst...
Das soll nicht heißen, dass man dem Hund alles machen lassen soll. Meine Herangehensweise ist:
1. Warum knurrt der Hund?
2. Wie ändere ich seine innere Einstellung?
3. Bis diese geändert ist, bringe ich ihn nicht in Situationen, die er nur mit Knurren zu bewältigen glaubt => er lernt, dass er sich auf mich verlassen kann.
4. Wenn er in blöde Situationen kommt, entschärfe ich sie für ihn z.B. durch Distanzvergrößerung.
5. Der Hund lernt gewisse Signale z.B. Richtungswechsel und merkt, wenn er diese befolgt, dass er dann blöden Situationen entkommen kann.
=> Der Hund vertraut meiner Einschätzung und wird sich, wenn sich dann eine bestimmte Situation EINMAL nicht vermeiden lässt, genug Vertrauen haben, dass ich sie für ihn entschärfe.
Sorry, dass es länger geworden ist.
LG