Was sind wir wirklich?

calimero+aaron

Super Knochen
Da das Thema auch zum Menschen passt, möglicherweise Interesse an einer Diskussion darüber besteht, mach ich es hier auf.

In einem anderen Thread habe ich schon gepostet:

Aber jetzt könnt ich überhaupt einmal provokant fragen....handelt auch der Mensch nur so, wie er handelt, weil in seinem Körper dieser und jener Funktionskreis von Neurotransmittern, sonstiger Botenstoffe, dem gesamten Stoffwechsel usw. eben so und so funktioniert?
Wär da ein Futzerl anders - wär das ein anderer Mensch? Wär der dann ausgeglichen, ruhig, usw.?
Sind wir nur Produkte unseres Stoffwechsels (mehr oder minder)? Was ist dann der "freie Wille"?

Ich weiß, es gibt ja zwei Richtungen - diejenige, die die Hauptursache unseres Verhaltens in der Umwelt (Eltern, Erziehung, usw.) suchen und diejenigen, die hauptsächlich die Gene dafür verantwortlich machen.
Obwohl jeder betont, dass man das Eine nicht ohne das Andere sehen könnte, verschieben sich die Schwerpunkte zugunsten der einen oder anderen Seite.
Wenn ich mir so diverse Priklopils, Fritzls usw. ansehe - wer war Schuld?
Nur die "Eltern, Umwelt, die Erziehung, die Lehrer - wer auch immer"?
Oder haben diese Menschen "schlechte" Gene? Läuft da irgendwas verkehrt? Und deshalb handeln sie so, wie sie handeln?

Ich hab's im anderen Thread geschrieben....
wird es irgendwann in der Zukunft so sein, dass bei der Geburt eine genetische Analyse erstellt wird, mit allen Schwachstellen aufgelistet, samt Rezept, wie Ernährung, Medikation, Erziehung, Förderung usw. auszusehen habe? Dass dann die Schwachstellen nicht zum Durchbruch kämen?
Schöne neue Welt oder doch nicht?
 
Hallo Calimero+Aaron!

Ich freue mich, daß Du diesen Tread aufgemacht hast; Das Thema ist allerdings soooo vielschichtig, daß ich jetzt schon eine ganze Weile überlege, was ich schreiben möchte und mir dazu so viel einfällt, daß ein Beitrag viel zu unübersichtlich und lang würde. Ich habe also beschlossen "in kleinen Portionen" zu schreiben, dann kann man auch leichter diskutieren.
Also was macht das Verhalten meiner Meinung nach aus:
Beim "höher entwickelten" Tier (wozu ich Säugetiere und Vögel rechne):
-genetische Faktoren
-Erziehung im weitesten Wortsinne (also alle Erfahrungen, die das Tier im Laufe seines Lebens macht) - wobei hier sicher der ersten Lebensphase die entscheidende aber absolut nicht alleinige Bedeutung zukommt.
-aktuelle Lebenssituation: hier spielen "innere" Faktoren wie z.B. Hormonsituation und Gesundheitsstatus ebenso eine Rolle wie "äußere" Faktoren - also z.B. wird das Tier satt? lebt es in einigermaßen sicheren Umständen oder gibt es Grund zu ständiger Angst? lebt es räumlich beengt mit anderen Lebewesen zusammen? Hat es ausreichend Bewegungsmöglichkeit? Rückzugsmöglichkeit? etc., etc.
Beim Menschen:
-All das oben genannte trifft auf den Menschen auch zu und beeinflußt sein Verhalten ebenso;
-Was beim Menschen aber noch dazu kommt, ist die Fähigkeit das eigene Verhalten zu reflektieren und hinsichtlich ethischer Grundsätze zu hinterfragen und dadurch eventuell bewußt zu ändern. Diese Fähigkeit kann durch verschiedenste Faktoren - u.U. sogar schwerst - beeinträchtigt sein (z.B. Krankheit), muß auch erst entwickelt werden, und wird sicher in hohem Maße durch Erziehung und mindestens ebensosehr durch gesellschaftliche Normen beeinflußt, aber grundsätzlich ist diese Fähigkeit vorhanden.

Woher kommt der Unterschied? Meiner Meinung nach hat ein höher entwickeltes Tier, genauso wie der Mensch ein breites Spektrum an Gefühlen (Freude, Angst, Trauer, Zuneigung, Wut etc.) und ist sich nach neuesten Forschungen auch seiner Existenz bewußt. Was ein Tier aber anscheinend nicht kann, ist einerseits in Zeitebenen zu denken (die Frage "Was wird in einem Jahr sein?" kann sich ein Tier nicht stellen) und "abstrakt" denken (denn dafür benötigt man sprachliche Begriffe). Dieses abstrakte Denken ist aber wiederum die Voraussetzung für ethische Überlegungen. Wie in dem Buch "Wer denken will, muß fühlen" so schön dargelegt sind uns Tiere dafür offenbar im Bereich der Wahrnehmung weit überlegen.

Gut ich denke das reicht einmal als Anfang für eine Diskussion - bin wirklich gespannt, "was da kommt".

Liebe Grüße, Conny
 
:) auch mehr überlegen muss. liebe ja philosophischen themen.;)
mal nur kurz, ich bleib (mehr oder weniger) bei der 70/30 er regel. d.h., 70% aufzucht, sozialisierung, erziehung, erfahrung, umwelt und 30% gene.
und das bei mensch und hund. ;)
p.s. wobei ich grad bei meinen beiden hündischen exemplaren die ausnahme der regel kennen gelernt hab. denn die entsprechen dem nicht.
 
Ich find's auch sehr spannend, dass Darwins These von den graduellen und nicht prinzipiellen Unterschieden jetzt erst so richtig Anklang findet (bei der Evolutionstheorie ist's ja doch ein bißchen flotter gegangen...)

Was den Menschen, die Ethik und sogenannte zivilisatorische Errungenschaften betrifft. Hm, ich glaube da muss man vorsichtig sein. Regressionen, auch kollektive, sind möglich (das zeigt ja auch die Weltgeschichte).

Ich habe neulich "Durch den Schnee. Erzählungen aus der Kolyma" von Warlam Schalamov gelesen. Er hat aus 15 Jahren im Lager einige äußerst erschütternde Schlüsse gezogen und unter "Was ich im Lager gesehen und erkannt habe" zusammengefasst. Ich zitiere hier Punkt 1, weil mich der am meisten bewegt und so ziemlich an meinem Welt- und Menschenbild gekratzt hat: "Die außerordentliche Fragiltiät der menschlichen Kultur und Zivilisation. Der Mensch wurde innerhalb von drei Wochen zur Bestie - unter Schwerarbeit, Kälte, Hunger und Schlägen".

Also, was ist der Mensch, so gesehen, anderes als ein an sein Lebensumfeld höchst angepasstes Tier, das sich in eine Sozietät einfügt? Der Unterschied wäre dann lediglich die Fähigkeit das sehen und erkennen zu können. Ob wir als Menschheit allerdings auch die richtigen Konsequenzen daraus ziehen können, da bin ich mir nicht (mehr) so sicher.
 
:) auch mehr überlegen muss. liebe ja philosophischen themen.;)
mal nur kurz, ich bleib (mehr oder weniger) bei der 70/30 er regel. d.h., 70% aufzucht, sozialisierung, erziehung, erfahrung, umwelt und 30% gene.
und das bei mensch und hund. ;)
p.s. wobei ich grad bei meinen beiden hündischen exemplaren die ausnahme der regel kennen gelernt hab. denn die entsprechen dem nicht.

Und wie komst du grad auf die Quote?
 
Also, was ist der Mensch, so gesehen, anderes als ein an sein Lebensumfeld höchst angepasstes Tier, das sich in eine Sozietät einfügt? Der Unterschied wäre dann lediglich die Fähigkeit das sehen und erkennen zu können. Ob wir als Menschheit allerdings auch die richtigen Konsequenzen daraus ziehen können, da bin ich mir nicht (mehr) so sicher.


Ja Felipe; genau das ist der ganz entscheidende Unterschied. Der Mensch kann über das Erlebte nachdenken und es entsprechende seiner ethischen Wertvorstellungen beurteilen - "sehen und erkennen" wie Du schreibst.
Genau das ist ein riesiges Geschenk, die große "Chance" des Menschen - gleichzeitig eine kaum zu tragende Verantwortung und die riesige Bürde "schuldig werden" zu können (und es ja auch laufend - einmal weniger, einmal mehr - zu werden)
Genau das ist es im Prinzip, was die biblische Geschichte von "der Vertreibung aus dem Paradies" erzählt.
Das Tier, dem dieses "Sehen und Erkennen" nicht geschenkt ist, braucht sich dafür nicht mit den Themen Verantwortung und Schuld herumzuschlagen. Diese Dinge existieren für ein Tier schlicht und einfach nicht.
Aufgrund seiner Emotionen und seiner Fähigkeit emotionale Bindungen einzugehen, kann das Tier aber so etwas ähnliches wie ein Freund, Partner oder Familienmitglied für uns sein.
Und diese emotionale Beziehung über Artgrenzen hinweg sehe ich als einen der evolutionären Fortschritte an.

Liebe Grüße, Conny
 
Ich hab mir die Frage auch schon öfters gestellt.
Bei Hunden zb gibt es verschiedenste Rassen bei denen es Rasstestandards gibt.
Demnach muss zb ein Malinois ein triebiger Hund mit viel Will to Please sein, ein Kangal hingegen wird generell als Wachhund mit viel Eigenständigkeit und beschrieben.
Jetzt hab ich auch noch keinen Kangal auf einem UO oder Schutzsport Turnier gesehen und denke die Rasse ist gänzlich ungeeignet dafür, wie eben jeden Züchter oder Informierte Laie
voraussagen kann.
Ist das beim Menschen auch so??
Gibt es gewisse Wesensmerkmale für zb Hellhäutige und Dunkelhäutige Menschen?
So auf die Art "Der weisse Mensch ist ruhig und besonnen, der dunkle Mensch sehr sportlich und ehrgeizig?"
 
Wenn man bedenkt was an körperlichen Merkmalen, Krankheiten etc. so alles vererbt wird scheint es doch ziemlich unwahrscheinlich, dass nicht auch "Wesensmerkmale" über die Genetik weitergegeben werden, und ein Lebewesen diesbezüglich als tabula rasa zur Welt kommt.

Trotzdem hat wohl das Umfeld den entscheidenden Einfluss, weil ein Wesenszug per se ja weder gut noch schlecht ist, ausschlaggebend ist doch nur in welcher Form er dann vom jeweiligen Individuum (Tier und Mensch) zum Ausdruck gebracht, "gelebt" wird.

Ich glaube in unserer Individualismus-geprägten Gesellschaft wird dieser Faktor der Anpassungsfähigkeit oft übersehen, und dabei zeigt er sich doch schon in unserem unterschiedlichen Verhalten in verschiedenen Lebensbereichen - vieles davon sind sicher auch gesellschaftliche Konventionen, tradierte Verhaltensregeln, manches auch Empathie, aber so einiges schlicht auch Anpassung. - Ein kleiner "Zelig" steckt wohl in jedem von uns.

Für mich war es lange Zeit so etwas wie ein Sakrileg den "freien Willen" anzuzweifeln, und ich war der Meinung man dürfe es nicht tun, selbst wenn es ihn nicht gäbe, weil die Konsequenzen, die man daraus ziehen müsste, schlicht unerträglich wären. Mittlerweile meine ich, man muss ihn in Frage stellen um ihn zu erlangen.

Möglicherweise wäre es tatsächlich einfacher diese Frage (die nach dem freien Willen) leichter über das Tierreich beantworten...
 
Ich hab mir die Frage auch schon öfters gestellt.
Bei Hunden zb gibt es verschiedenste Rassen bei denen es Rasstestandards gibt.
Demnach muss zb ein Malinois ein triebiger Hund mit viel Will to Please sein, ein Kangal hingegen wird generell als Wachhund mit viel Eigenständigkeit und beschrieben.
Jetzt hab ich auch noch keinen Kangal auf einem UO oder Schutzsport Turnier gesehen und denke die Rasse ist gänzlich ungeeignet dafür, wie eben jeden Züchter oder Informierte Laie
voraussagen kann.
Ist das beim Menschen auch so??
Gibt es gewisse Wesensmerkmale für zb Hellhäutige und Dunkelhäutige Menschen?
So auf die Art "Der weisse Mensch ist ruhig und besonnen, der dunkle Mensch sehr sportlich und ehrgeizig?"

Ui, eine heikle Frage.

Bleiben wir lieber beim Kangal. Der wurde doch dafür selektiert selbständig Herden zu bewachen. Dafür waren gewisse Wesensmerkmale notwenig aber auch ein imposantes Erscheinungsbild, körperliche Merkmale wurden also mit Verhaltenseigenschaften mehr oder weniger bewusst gekoppelt. Ich glaube nicht, dass es irgendwo beim Menschen ein derartiges Zuchtziel gegeben hat.

Eher würde ich da den Vergleich wagen mit Streunerpopulationen in verschiedenen Weltgegenden, da scheint es schon so zu sein, dass beispielsweise in Gegenden, wo es sehr heiß ist, die Hunde eher mittelgroß und schmal gebaut sind, weiter nördlich größer und dichteres Fell haben. Also wieder eine Frage der Anpassung an die Lebensbedingungen. Auf den Menschen übertragen hieße (Sprachpolizei?:o) das: wo die Lebensbedingungen (vielleicht auch nur klimatisch bedingt) härter sind, muß man vielleicht ehrgeiziger sein und schwerer arbeiten, um überleben zu können, die Besonnenheit kommt dann mit dem Wohlstand, den man bewahren muss.

Oder positiver formuliert: wenn es wärmer ist geht man lieber nach draussen, und weil alle oft draussen sind trifft man auch viele Menschen, ist geselliger und umgänglicher.
 
Gibt es gewisse Wesensmerkmale für zb Hellhäutige und Dunkelhäutige Menschen?
So auf die Art "Der weisse Mensch ist ruhig und besonnen, der dunkle Mensch sehr sportlich und ehrgeizig?"

Also die Tatsache, dass das z.B. Profiler oft erkennen können, lässt mich doch dazu tendieren, dass es bis zu einem gewissen Grad wohl Unterschiede gibt (wobei ich denke, dass auch da nicht nur die Gene mitspielen, sondern auch das Umfeld)
 
Für mich war es lange Zeit so etwas wie ein Sakrileg den "freien Willen" anzuzweifeln, und ich war der Meinung man dürfe es nicht tun, selbst wenn es ihn nicht gäbe, weil die Konsequenzen, die man daraus ziehen müsste, schlicht unerträglich wären. Mittlerweile meine ich, man muss ihn in Frage stellen um ihn zu erlangen.


Ich bin überzeugt davon, daß wir einen "freien Willen innerhalb bestimmter Grenzen" haben. Leider fehlen mir die richtigen Worte um auszudrücken was ich meine. Ich werde einmal versuchen es durch einen "Vergleich" darzustellen - keine Ahnung ob es mir gelingt verständlich zu machen, was ich denke.
Sagen wir einmal, wenn ein Baby auf die Welt kommt, bekommt es einen LKW voll Baumaterial (seine Gene) mit um sich sein "Haus des Lebens" zu bauen. Der eine bekommt in dem LKW vielleicht alles was zur Errichtung einer luxeriösen Villa nötig ist (Prädisposition zur körperlichen und emotionalen Gesundheit, Prädisposition zu emotionaler Intelligenz, Talente etc.) der andere vielleicht nur das womit man eine kleine Hütte errichten kann (vielleicht eine angeborene Erbkrankheit, wenig Talente, Prädisposition zu einer Wahnerkrankung etc.) - und natürlich alle Möglichkeiten "dazwischen".
Mit dem Baumaterial ist es aber noch nicht getan; dann stellt sich die Frage nach dem "Baugrund" für das "Haus des Lebens". Der ist natürlich abhängig von Ort und Zeit der Geburt. In den Slums einer südamerikanischen Großstadt, mitten in "Drogenkriegen" oder in Europa zur Zeit des 2. Weltkrieges ist der Baugrund ein anderer, als in einem Land in dem gerade Friede, Demokratie und Wohlstand herrscht.
Aber alleine kann das Kind mit seinem Baumaterial auch auf dem besten Baugrund nicht viel anfangen. Es braucht Menschen, die ihm zeigen, wie man die Bauteile optimal einsetzen und harmonisch zusammenfügen kann. Von dieser "emotionalen Kompetenz" der "Bauhelfer" (soziales Umfeld) hängt enorm viel ab. Vielleicht läßt sich dann aus dem "Material für die kleine Hütte" trotzdem eine wohnliche Behausung bauen - während die luxeriöse Villa vielleicht einsturzgefährdet bleibt, wenn das soziale Umfeld versagt.
Außerdem können natürlich während des Bauens auch einmal Unwetter (Schicksalsschläge) aufziehen und erheblichen Schaden anrichten.
Irgendwann ist das Kind dann erwachsen - das Haus ist fertig - es wird dann "in Eigenregie" immer wieder Änderungen daran vornehmen (Wertvorstellungen hinterfragen, Weiterreifen, Einstellungen ändern), aber grundsätzlich kann sich der Mensch nur innerhalb dieses "Lebenshauses" bewegen. Dieser Bewegungsspielraum ist eben der "freie Wille innerhalb von Grenzen".
Keine Ahnung ob ich das jetzt halbwegs "vernünftig" rüberbringen konnte. Falls nicht, sagt es mir, dann versuch ich's anders auszudrücken.

Liebe Grüße, Conny
 
Ja Conny, so hab' ich's gemeint: als ständigen Prozess des sich und seine Handlungen in Frage-Stellens - und dazu gehört eben auch das Eingeständnis, das so manches, was man tut, vielleicht nicht ganz so frei ist, wie man das gerne hätte.
 
Ja Conny, so hab' ich's gemeint: als ständigen Prozess des sich und seine Handlungen in Frage-Stellens - und dazu gehört eben auch das Eingeständnis, das so manches, was man tut, vielleicht nicht ganz so frei ist, wie man das gerne hätte.


Ja, da stimme ich Dir vollkommen zu. Wir sind nicht "ganz so frei" - aber wir sind "ein Stück weit frei".
Ich frage mich ganz im Ernst ob es wirklich wünschenswert wäre "ganz frei" zu sein. Zum einen ist mit der Freiheit absolut untrennbar die Verantwortlichkeit verbunden. Könnten wir die Verantwortung "absoluter Freiheit" wirklich tragen?
Zum anderen: Gibt nicht "begrenzt sein" - vorausgesetzt es ist nicht zu eng - auch Sicherheit.
Wenn dieses "Haus des Lebens" keine begrenzenden Mauern hätte, würden wir uns dann emotional und geistig irgendwo "zu Hause" fühlen?
Das sind sehr schwierige Fragen, finde ich.

Liebe Grüße, Conny
 
Conny, ich finde, dein Vergleich mit dem Haus ist ganz einfach super! :)
Um es noch ein wenig weiterzuführen....wenn jetzt Reparaturen am Haus gemacht werden müssen, wird sich derjenige, der im Lastwagen die allerbesten Bauteile, Werkzeuge usw. gefunden hat, leichter tun, als derjenige, der nur mit einem kleinen Hammer und einer Zange auskommen muss. Mit Hilti oder so arbeitet es sich leichter.
Wenn die Zange noch dazu verbogen ist und der Hammer locker, wird es überhaupt fast unmöglich werden, das Haus ordentlich zu reparieren.
Und da können die allerbesten Leute zuvor gezeigt haben, wie ein Haus zu bauen ist. (das heißt, auch das beste soziale Umfeld hat seine Grenzen, da überwiegen die Gene)

Ja, und da kann noch so viel Wille da sein, das Haus wieder auf Schuss zu bekommen - es geht leider nicht.
 
Ich kenne die Problematik Vererbung vs. Umwelt in Bezug auf Suchtkrankheiten. Nicht einmal da sind sich die Experten einig. Einige meinen, dass ein Kind eines suchtkranken Elternteils eher süchtig wird, da es das Elternteil vorlebt, andere sagen, dass diese Sucht bereits in den Genen steckt und bei vielen deswegen ausbricht. Dazu gibt es dann Untersuchungen von adoptierten Kindern. Leider habe ich den Namen vergessen, aber es gibt dazu Studien, dass viele Kinder die zu Pflegefamilien kamen, weil deren Eltern aufgrund der Sucht nicht im Stande waren, sich um das Kind zu kümmern. Diese Kinder entwickelten im Laufe ihrer Kindheit/im Jugenalter ebenfalls eine Sucht, obwohl die Adoptiveltern keinerlei Süchten nachgingen. Da meinen die Experten natürlich, dass es an der Vererbung liegt. Andererseits kenne ich viele Kinder aus div. Elternhäusern in denen einer Sucht nachgegangen wird und die zeigen keinerlei Anzeichen eine Sucht aufzubauen bzw einer Sucht nachzugehen.

Ich finde auch den Apsekt Kultur sehr wichtig. Was bei uns durch Normen und Werte geprägt ist und als richtig empfunden wird, wird in einem anderen Land als falsch betrachtet: Während es bei uns üblichen ist anderen in die Augen zu sehen zb beim Begrüßen, so ist das in zb Japan unüblich, wenn nicht sogar schon (wenn es eine Frau macht) eine sexuelle Anspielung. Während es bei uns normal ist seinen Partner in der Öffentlichkeit zu küssen ist das in Japan, Türkei, Tunesien, etc unüblich. Unsere Kultur prägt unsere Erfahrungen, wir erfahren durch unsere Erfahrungen was falsch ist und was richtig um in unserer Gesellschaft nicht negativ aufzufallen (ausser man möchte es bewusst oder ist krank).
 
Um es noch ein wenig weiterzuführen....wenn jetzt Reparaturen am Haus gemacht werden müssen, wird sich derjenige, der im Lastwagen die allerbesten Bauteile, Werkzeuge usw. gefunden hat, leichter tun, als derjenige, der nur mit einem kleinen Hammer und einer Zange auskommen muss. Mit Hilti oder so arbeitet es sich leichter.
Wenn die Zange noch dazu verbogen ist und der Hammer locker, wird es überhaupt fast unmöglich werden, das Haus ordentlich zu reparieren.
Und da können die allerbesten Leute zuvor gezeigt haben, wie ein Haus zu bauen ist. (das heißt, auch das beste soziale Umfeld hat seine Grenzen, da überwiegen die Gene)

Ja, und da kann noch so viel Wille da sein, das Haus wieder auf Schuss zu bekommen - es geht leider nicht.


Hm; Ich persönlich setzte den "Stellenwert" der Gene auch etwas höher an; ich würde einmal grob geschätzt sagen: 40%Gene : 60% Umwelt (beim Menschen; beim höherentwickelten Tier würde ich fast 50:50 sagen) Aber dieses Thema wirklich genau zu erforschen wäre schwierig. Man müßte im Prinzip das Leben eineiiger ZWillinge, die unmittelbar nach der Geburt getrennt wurden und dann in möglichst unterschiedlichen "Mileus" - ev. sogar in unterschiedlichen Kulturkreisen aufgewachsen sind, genau "beobachten" und vergleichen. Und hier eine ausreichend große Zahl an Menschen zu finden, um wirklich zu aussagekräftigen Erkenntnissen zu kommen, ist kaum möglich.
Wie auch immer - für die Alltagsbewältigung ist es egal ob es nun 30:70 oder 40:60 ist. Tatsache ist immer, daß beides große Bedeutung hat und eng zusammenspielt.
Um zu erklären was ich meine, eine frei erfundene Geschichte - die aber insoferne "wahr" ist - als die Überzeugungen die ich in vielen Jahren Berufserfahrung gewonnen habe, einfließen.
Nehmen wir einmal an, der Fritz und die Gabi haben unglücklicherweise in ihrem LKW auch den Baustein "Prädisposition zu einer paranoiden Wahnerkrankung" mitgeliefert bekommen. Ein schweres Schicksal für beide, das die Häuser ihres Lebens wohl auf jeden Fall weniger "stabil" bzw. "gefährdeter bei Sturm einzustürzen" werden läßt, als das Haus von Menschen, die diesen unglückseligen Baustein nicht in ihrem LKW hatten.
Die kleine Gabi, wächst nun in einem weltoffenen sozialen Umfeld auf; ihre Eltern leben in der festen Überzeugung daß alle Mensche "gleichwertig" sind und vermitteln diese Überzeugung auch der Gabi. Vielleicht hat sie einen Onkel, der nach einem Unfall behindert ist, aber deswegen kein bißchen weniger von seiner Familie geachtet und geliebt wird. Sie lernt auch, daß man sich für Probleme nicht "genieren" muß sondern offen darüber reden kann und in der Familie Hilfe und Unterstützung bei der Bewältigung erfährt.
Irgendwann als die Gabi eine junge Frau ist, beginnt sie sich merkbar zu verändern. Sie wird mißtrauisch, empfindet das Leben und ihre Umwelt als bedrohlich, fühlt sich vielleicht sogar verfolgt - es weht ein ganz arger Sturm, der droht ihr "Haus des Lebens" einstürzen zu lassen. Da die Gabi aber gelernt hat, daß man offen über Probleme sprechen kann, vertraut sie sich jemandem an und nachdem sie gelernt hat, daß sie als "kranker oder behinderter" Mensch, nicht weniger wert ist als andere, kann sie auch ärztliche Hilfe annehmen. Die Chancen der Gabi, ein zwar etwas eingeschränktes, aber insgesamt trotzdem erfülltes Leben führen zu können, stehen ziemlich gut. Die muß ihr "Haus des Lebens" jetzt ein bißchen umbauen, vielleicht einen "Windschutzgürtel" davorpflanzen - aber ihr Haus bleibt ein wohnlicher Ort.
Beim Fritz ist die Sache anders. Er wächst in einem sozialen Milieu auf, wo nicht die Überzeugung herrscht, daß alle Menschen gleichwertig sind, sondern wo der Wert des Menschen über die Leistungen und das Ansehen in der Gesellschaft definiert wird. Er lernt schon früh, daß seine Eltern fast "ausrasten" wenn er etwas tut, das dazu führt, daß die "Nachbarn schlecht reden". Vielleicht hat er auch einen Onkel der nach einem Unfall behindert ist und hört die Familie oft darüber "stöhnen" welche Arbeit und Belastung dieser "behinderte Alte" doch für den Rest der Familie bedeutet. Über Probleme wird in der Familie nicht wirklich gesprochen, denn es ist eine "Schande" überhaupt welche zu haben. Wenn's extrem schlimm "läuft" hört der Fritz in seiner Kindheit noch ein paar Mal Sätze wie z.B. "Was der Hitler, dem Land angetan hat, war ein Verbrechen, nur daß er dafür gesorgt hat, daß sich die "Depperten" nicht noch fortpflanzen können, war schon gut."
Wenn bei dem Fritz nun als junger Mann die "paranoide Schizophrenie" ausbricht, ist sein Risiko hoch, daß er sich nie jemandem anvertrauen wird, erst dann in ärztliche Behandlung kommt, wenn er bereits so "auffällig" ist, daß er zwangsweise auf eine Psychiatrie eingeliefert wird, trotzdem ärztliche Hilfe nie annehmen kann, denn zu seiner Kranheit zu stehen würde für ihn bedeuten, daß er "wertlos" ist. Das Risiko, daß sein "Haus des Lebens" einstürzt und er seinem Leben durch Suizid ein Ende setzt, ist leider nicht gering.
Trotzdem widerstrebt es mir zutiefst von "Schuld" des sozialen Umfeldes zu sprechen. Denn die Eltern vom Fritz sind vielleicht in den 30-er Jahren geboren, und hatten einen ganz schlechten "Baugrund" und "schlechte Bauhelfer" für ihr eigenes "Haus des Lebens". Die wurden schon im Kindergarten mit verbrecherischen Wertvorstellunge "seelisch vergiftet", die hatten von ihren Lehrern selbst gelernt, daß das menschliche Leben nur dann Wert hat, wenn es gesund, kräftig und leistungsfähig ist, die wurden in Luftschutzkellern schwer taumatisiert und es stand kein "Psychologenteam zu Stelle" das ihnen bei der Aufarbeitung ihrer Traumen geholfen hätte. Vielleicht haben sie sagar gelernt, daß das Überleben davon abhängig ist, nur ja beim Nachbarn, der bei der "Gestapo" war nie schlecht aufzufallen.
Es hängt alles immer ganz eng zusammen; die Gene, das soziale Umfeld; in welcher Zeit, an welchem Ort man in welchen Kulturkreis mit welchen Wertvorstellungen geboren wurde; welche Schicksalsschläge einen Menschen traumatisieren oder wo er Freude, Geborgenheit und Liebe erlebt hat. Wieviel Prozent das was ausmacht, ist theoretisch zwar interessant, in der Praxis aber relativ bedeutungslos.

Liebe Grüße Conny
 
Ich kenne die Problematik Vererbung vs. Umwelt in Bezug auf Suchtkrankheiten. Nicht einmal da sind sich die Experten einig. Einige meinen, dass ein Kind eines suchtkranken Elternteils eher süchtig wird, da es das Elternteil vorlebt, andere sagen, dass diese Sucht bereits in den Genen steckt und bei vielen deswegen ausbricht. Dazu gibt es dann Untersuchungen von adoptierten Kindern. Leider habe ich den Namen vergessen, aber es gibt dazu Studien, dass viele Kinder die zu Pflegefamilien kamen, weil deren Eltern aufgrund der Sucht nicht im Stande waren, sich um das Kind zu kümmern. Diese Kinder entwickelten im Laufe ihrer Kindheit/im Jugenalter ebenfalls eine Sucht, obwohl die Adoptiveltern keinerlei Süchten nachgingen. Da meinen die Experten natürlich, dass es an der Vererbung liegt. Andererseits kenne ich viele Kinder aus div. Elternhäusern in denen einer Sucht nachgegangen wird und die zeigen keinerlei Anzeichen eine Sucht aufzubauen bzw einer Sucht nachzugehen.

Ich finde auch den Apsekt Kultur sehr wichtig. Was bei uns durch Normen und Werte geprägt ist und als richtig empfunden wird, wird in einem anderen Land als falsch betrachtet: Während es bei uns üblichen ist anderen in die Augen zu sehen zb beim Begrüßen, so ist das in zb Japan unüblich, wenn nicht sogar schon (wenn es eine Frau macht) eine sexuelle Anspielung. Während es bei uns normal ist seinen Partner in der Öffentlichkeit zu küssen ist das in Japan, Türkei, Tunesien, etc unüblich. Unsere Kultur prägt unsere Erfahrungen, wir erfahren durch unsere Erfahrungen was falsch ist und was richtig um in unserer Gesellschaft nicht negativ aufzufallen (ausser man möchte es bewusst oder ist krank).

Zu ersterem: Da wär's natürlich interessant zu wissen, ob die Pflege/Adoptiveltern dieser Kinder wussten, dass deren Eltern suchtkrank waren (im Sinne einer self-fullfilling-prophecy).

Dann müsste man vielleicht auch noch berücksichtigen, dass ja auch die Zeit der Schwangerschaft einen Einfluss auf den sich entwickelnden Menschen haben kann. Ich hab' mal - lang, lang ist's her - mit großer Begeisterung die Publikationen von Stanislav Lem gelesen (der, der seine Klienten mit LSD und später Hyperventilation in tranceähnliche Zustände versetzt hat und sie diese Zeit gleichsam wieder erleben ließ), war auf jeden Fall sehr verblüffend. Klingt alles ein bisschen eso, aber vieles schien mir damals (müsst's mir wieder mal zu Gemüte führen um sagen zu können, was ich jetzt davon halte) - obwohl ich nie an Esoterik interessiert war, sondern mich immer schon gerne mit den Fragen Bewusstsein/Wahrnehmung beschäftigt habe, plausibel. Und der kam eben zu dem Schluss, dass Unstimmigkeiten in verschiedenen Schwangerschaftsphasen später zu Schwierigkeiten in bestimmten Entwicklungsstufen des Kindes führen können (wie gesagt ist lang her, aber so ähnlich hab' ich's in Erinnerung...)

Zu zweiterem: Ich denke mal, Kultur ist etwas menschengemachtes und demnach eine Folge der Anpassungsfähigkeit von der ich in einem meiner früheren Beiträge geschrieben hatte.
Auch das eine ausgesprochen spannende Frage!
Ich habe mal wo gelesen (und ich bitte inständig darum, mich nicht mit der Forderung nach Quellenangaben festzunageln, ich schreibe das aus dem Gedächtnis und quasi frei von der Leber weg;)) - kann es aber insoweit eingrenzen als es in einem Interview mit einem maghrebinischen Kalligraphen oder bei Michel Tournier (La Goutte d'Or) gewesen sein muss, dass das Bilderverbot in der muslimischen Kultur z.B. seinen Ursprung in der Eintönigkeit der Wüstenlandschaften hat, der Sand, die Kamele, das grelle Sonnenlicht - alles die gleiche Farbe und das so weit das Auge reicht - es gab keinen Grund das abbilden zu wollen - deshalb die ausgeprägte Ornamentik (auch in der Schrift!) - deshalb ist das eine ausgeprägt narrative Kultur, weil man sich die (üppige, ausufernde) Schönheit (nicht dass die Wüste nicht auch schon wäre!) im Inneren erst schaffen musste. - Auch das klingt für mich durchaus plausibel...
 
o.t., schade, dass ich derzeit psychisch ständig müde bin, weshalb ich zum lesen degrediert bin. aaaber, ich freue mich sehr (um net zu sagen, ich staune...), welch, für mich, erfrischende postings hier landen. dafür danke ich euch!!:)
und hoffe, mal wacher zu sein, um mitschreiben zu können. bis dahin, genieße ich einfach eure postings. wow, ein novum!
 
Noch dazu, dass man mit einer eher - na, sagen wir - "desolaten" genetischen Grundausstattung keine "Hochhäuser" bauen kann...

ich lese gerade das Buch "Wer denken will, muss fühlen" von Elisabeth Beck.

Darin wird eine Studie angeführt, die Rhesusaffen betrifft.

Es wurden "Risikoaffen" gezüchtet, die mit einem eher minder leistungsfähigen Serotoninsystem (und das ist anscheinend das, was auch bei Aggressionen eine große Rollen spielt) ausgestattet waren. Also mit Lebewesen mit sehr geringem "Werkzeug" zum Hausbauen.

Es gab eine Vergleichsgruppe mit normalen Affen. Gleich nach der Geburt bekamen die Babyaffen Ersatzmütter. Diese Ersatzmütter waren in zwei Gruppen aufgeteilt, in normale Mütter und in sogenannte "Supermütter", also solche, die besonders liebevoll, geduldig und fürsorglich waren.

Dann wurde die Entwicklung der normalen Affenkinder und der Risikoaffenkinder angesehen.

Es zeigte sich, dass bei den normalen Müttern das eintrat, was man erwartet...die normalen Affenkinder entwickelten sich normal und zeigten normales Verhalten, während die Risikoaffenkinder ein gestörtes Verhalten entwickelten.

Dann aber war man mehr als verblüfft...bei den "Supermüttern" waren zwar die normalen Affenkinder auch normal - die Risikoaffenkinder (die eigentlich ein total gestörtes Verhalten hätten zeigen müssen) bewiesen überdurchschnittliche Fähigkeiten! Sie waren toll darin, mit anderen Affen Allianzen einzugehen und viele von ihnen erreichten in der sozialen Ordnung im Affenverein Spitzenpositionen (wurden also Leader).

Und es kommt noch besser...alle weiblichen Affenkinder, die von den Supermüttern aufgezogen wurden, gaben dieses fürsorgliche Verhalten an ihren Nachwuchs weiter. Auch der Teil, der eigentlich "gestört" war. (und nicht so hätte handeln sollen)

Man prüfte auch das Serotonin - trotz des gestörten Serotoninsystems ergab sich ein höherer Serotoninspiegel bei den von den Supermüttern aufgezogenen Affen.

Was aber das Beste dran ist...und da will ich jetzt aus dem Buch zitieren:



Diese Entdeckung war eine richtige Sensation, denn zum ersten Mal hatte man herausgefunden, dass nicht nur ererbte genetische Anlagen das Erleben und Verhalten von Lebewesen beeinflussen, sondern dass Erfahrungen umgekehrt auch auf genetische Angelegenheiten zurückwirken können.
 
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