Das Problem beim "Hundeverstehen" ist vor allem die Interpretation gezeigten Verhaltens. Wie viele Leute glauben denn auch heute noch, daß ein Hund sich jedenfalls freut, wenn er mit dem Schwanz wedelt?
Die Mißinterpretation gezeigter "sogenannter" Beschwichtigungssignale ist ein weiterer (modernerer) Faktor, durch den Leute, die das eine oder andere Seminar besucht und das eine oder andere Buch gelesen haben, meinen, sie könnten Hunde jetzt verstehen.
Da wird nur geschaut, ob der Hund sich die Lefzen leckt, den Kopf ein bißl abwendet, oder ob er pfötelt. Aber keiner dieser selbsternannten Hundeversteher sieht sich den Rest des Hundes an; Rutenhaltung, Ohrenstellung, Körperhaltung. Und dann wundern sich diese Schlauberger, daß ein sich über die Lefzen leckender Hund dann doch mal zubeißt. Pissen (Markierverhalten) wird entweder zum ultimativen CS hochstilisiert oder als Zeichen höchster Dominanz gewertet. Daß es oftmals nur Ausdruck eines sozialen Miteinanders oder schlichtes Pinkeln ist, verstehen noch nichtmal die meisten erfahrenen Trainer.
Selbst unter Profis gibt es die verschiedensten Auslegungen von Hundeverhalten, auf denen ganze ErziehungsSYSTEME fußen, die zwar Hunden kaum helfen, ihre Erfinder aber jedenfalls reich machen. Diese methodischen Erziehungssysteme scheren Hunde meist nur über einen Kamm, richten sich so gut wie nie nach dem geezeigten Ausdrucksverhalten des Hundes bzw. wird dieses ins passende Schema hineingepreßt. Ob die (Wunder)-Methode auf Hund X genauso gut paßt, wie auf Hund Y, ist weitgehend uninteressant. Ob ein anderer Weg besser zum Ziel führen würde, ist solange irrelevant, wie der Hundehalter gut bezahlt.
Und da meinen Leute noch allen Ernstes, daß es nicht wichtig wäre, sich selbst ein theoretisches Grundwissen anzueignen? Würde nicht jeder halbwegs intelligente Mensch versuchen, die Sprache eines ausländischen Lebenspartners zumindest in Grundzügen zu verstehen (nein, ich glaub, ich will die Antwort eh nicht wirklich wissen

)?
Natürlich sollen wir versuchen, unsere Hunde zu verstehen. Aber die Wahrheit ist, daß die - vom menschlichen Standpunkt aus gesehen - nur wenig intelligenten Hunde es offenbar sehr leicht vermögen, unsere (Körper)sprache und unsere Stimmungen zu erkennen und ihr Verhalten dementsprechend darauf abzustimmen. Nur so können z.B. Meinungen entstehen, daß Hunde uns manipulieren würden oder sie uns die "Rudelführerschaft" streitig machen wollen.
Und daß die sogenannte Krone der Schöpfung dermaßen unfähig (bzw. uninteressiert, überheblich oder faul) ist, die Sprache, die Gefühlslagen und die Bedürfnisse unserer angeblich besten Freunde zu lernen und zu verstehen, führt dazu, daß ich mich immer wieder mal fragen muß, wer in der Mensch-Hund-Beziehung denn die wahrhaft intelligente Lebensform ist?

LG, Andy