Die Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Hannover am 28.09.2011:
Hunde sind Lebewesen, die von der Natur mit einem Geruchssinn ausgestattet wurden, der unendlich viel empfindlicher ist, als der Geruchssinn von Menschen. Wenn Menschen eine Umgebung nur mit Atemschutzmasken ertragen können, weil die Luft dort so beizend ist, daß die Augen tränen und das Luftholen Übelkeit verursacht, was mussten erst die Hunde ertragen, die dort leben mussten? Diese Hunde erlitten zweifellos große Qual...
Dieses Zitat möchte ich mit Bedacht an den Beginn eines Berichts über die heutige (gestrige) Verhandlung vor dem Hannoverschen Verwaltungsgericht stellen. Dieses Zitat soll nicht provozieren. Es stammt auch nicht von mir (obwohl ich diesen Aspekt von Tierleid öfter im Kopf hatte, jedoch nicht äußern mochte), vielmehr ist dies ein fast wörtliches Zitat aus der mündlichen Urteilsbegründung der Vorsitzenden Richterin. Mich hat dies tief beeindruckt, dies soll ein Motto dieses Berichts sein.
Es ging hier um insgesamt noch sieben Einzelentscheidungen, bei denen die "Gnadenhof"-Betreiberin als Klägerin auftrat (im Folgenden "Klägerin" genannt), die Verwaltung des Landkreises Diepholz (vertreten durch Frau Leciejewski, Frau Pottkamp und Frau Hinrichs) war hier die Beklagte (im Folgenden auch "Beklagte" genannt).
Die Verhandlung fasste diese sieben Einzelentscheidungen, was die Beweisaufnahme betraf, zusammen. Zu diesem Zweck wurden Zeugen zu nacheinander drei Zeitabschnitten gehört: Dem ersten Halbjahr 2010, dem zweiten Halbjahr 2010, sowie den ersten vier Monaten 2011. Die Einvernahme der Zeugen umfasste vordringlich die Haltungsbedingungen und die jeweils dort angetroffene Anzahl von Tieren (vor allem der Hunde). Hierzu wurden mehrere im Jahr 2010 befasste Veterinäre sowie eine Tierärztin vom LAVES gehört, die Klägerin hatte mehrere Zeugen benannt, deren Schilderungen jeweils in erheblichem Maße von den Eindrücken der Veterinäre abwichen. Bei den Anordnungen im ersten Halbjahr 2010 handelte es sich (verkürzt dargestellt) um die Einforderungen von Maßnahmen zur Verbesserung der Situation dort vorhandener Hunde, sowie um die Eingrenzung der Anzahl dort lebender Hunde. Gegen diese Anordnungen klagte die Klägerin (AZ 11A2352/10 gegen den Beschluss vom 16.04.2010, sowie auch AZ 11A2452/10 gegen den Beschluss vom 23.04.2010).
Dazu kam eine Klage gegen die Untersagung, eine tierheimähnliche Einrichtung betreiben zu können (AZ 11A2415/10 gegen den Beschluss vom 20.04.2010), sowie die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die Befähigung nach §11 TierschG entgegen des abschlägigen Beschlusses doch zu erteilen (AZ 11A2422/10).
Zu diesem Zeitabschnitt wurde auch der behandelnde Tierarzt A.M. gehört, der den Hof schon vor dem Zuzug der "Gnadenhof"-Betreiberin kannte, und seit September 2008 dort Tiere behandelte (vor Ort im Freien im Bereich der Freifläche vor dem Wohnhaus, oder aber in seiner Tierarzt-Praxis). Laut seinen Unterlagen fanden Behandlungen und Medikamenten-Abgaben im ersten Halbjahr 2010 häufiger statt. Über die jeweilige Gesamtzahl dort vorhandener Hunde war er nicht informiert. Die für ihn ersichtlichen Haltungsbedingungen der Tiere bezeichnete er jeweils als "befriedigend".
Obwohl die "Gnadenhof"-Betreiberin sich immer wieder als wenig kooperativ zeigte, war das Handeln der Kreisverwaltung durch die Hoffnung auf Einsicht, einer Verbesserung der Haltungsbedingungen und einer langfristigen Reduzierung des Hundebestands bestimmt. Ansätze für eine Verbesserung konnten jedoch auch Ende Juli 2010 nicht festgestellt werden. Hier war Frau Dr. E. erstmals in amtlicher Funktion auf dem "Gnadenhof". Dort zugegen war auch abermals die Tierärztin vom LAVES, und auch der behandelnde Tierarzt.
Somit war der Abschnitt, der die Zeit der zweiten Hälfte 2010 umfasst, erreicht. Es war ein Mediationsverfahren angedacht, um hier eine gütliche Einigung der gegensätzlichen Standpunkte zu erreichen, jedoch wurde durch Erkenntnisse, die im Oktober 2010 hinsichtlich der unglaublichen Steigerung des Hundebestands und der Verschlimmerung der Haltungsbedingungen erlangt werden mussten, diese Mediation verworfen, bevor sie richtig beginnen konnte.
So kam es zur Beschlagnahmungsaktion am 11.11.2010, die mit umfangreichem Bildmaterial und den eindringlichen Aussagen der Zeugen hinsichtlich der dort herrschenden fürchterlichen Haltungsbedingungen beschrieben wurde. Es fand auch eine Einvernahme der beteiligten Polizisten statt. Den Aussagen des behandelnden Tierarztes ist hier eine besondere Bedeutung beizumessen: Nach seinen Patientenunterlagen fanden ab Juli keine Behandlungen von Tieren auf dem "Gnadenhof" mehr statt, nur noch kleine Abgaben von Entwurmungsmitteln für Katzen. Somit wurde zum Beispiel auch klar, daß die Hündin "Mikka" seit August 2010 nicht mehr bezüglich ihrer Leishmaniose therapiert wurde (im Juli 2010 fand die letzte Abgabe von Allupurinol statt). Die Aussagen anderer durch die Klägerin benannten Zeugen beinhalteten weiterhin zufriedenstellende Haltungsbedingungen sowie die Unkenntnis über die tatsächliche Anzahl von Hunden auf diesem "Gnadenhof". Vor allem die detaillierten Aussagen von Frau Dr.E. lieferten ein eindringliches Bild der vorgefundenen Zustände am 11.11.2010, hierzu wurde auch ein Bericht verlesen.
In direkter Folge wurden seitens des Veterinäramts Bescheide am 19.11.2010 sowie am 22.11.2010 erlassen, gegen die die Klägerin klagte (AZ 11A5476/10). Außerdem erließ die Kreisverwaltung am 09.12.2010 u.a. ein Hundehaltungs- und -betreuungsverbot auf Dauer gegen die Klägerin, auch dagegen wurde geklagt (AZ11A441/11).
In den letzten verhandelten Zeitabschnitt fiel die zweite Beschlagnahmung vom 10.03.2011, auch hierzu trug Frau Dr.E. die dort vorgefundenen Haltungsbedingungen eindringlich vor (diese kennen wir bereits aus der bei "Alpenparlament" publizierten "Dokumentensammlung"). Bestätigt wurden diese Angaben durch die als Zeugen anwesenden Polizisten. Die von der Klägerin benannten Zeugen hingegen bescheinigten für den fraglichen Zeitraum wiederum "befriedigende" Bedingungen. Gegen den tierschutzrechtlichen Bescheid des Landkreises vom 14.04.2011 wurde seitens der Klägerin ebenfalls geklagt (AZ 11A2087/11).
Die Befragungsstrategie des Anwalts der Klägerin bezog sich vordringlich auf mögliche Versäumnisse der Amtsveterinäre vor Ort (z.B. Versäumnis der Belehrung über ein Aussageverweigerungsrecht, oder die jeweils genaue mündliche Erklärung vor Ort von Beschlüssen, die später auch schriftlich ergingen usw.), auch hinsichtlich der Möglichkeit, daß die Klägerin derlei Erläuterungen womöglich "nicht richtig aufgenommen habe". Zur Sache selbst sagte die Klägerin nichts aus. Einige Äußerungsansätze der Klägerin wurden durch den Anwalt unterbunden.
Die ganze Verhandlung begann etwa um 10:35 Uhr, und dauerte (mit drei recht kurzen Pausen) bis 19:35 Uhr. Ein von der Klägerin benannter Zeuge erschien nicht, auf seine Aussage wurde lt. Einlassung des Rechtsanwalts der Klägerin verzichtet. Drei Verfahrensteile wurden übereinstimmend durch die Klägerin und die Beklagte als "erledigt" erklärt. Es handelten sich hierbei um AZ 11A2452/10 (betreffend der Hündin "Mikka"), AZ 11A5476/10 (betreffend des Hundes "Tiberius" - euthanasiert) sowie AZ 11A2087/11 (betreffend des Hängebauchschweins "Rocky - euthanasiert).
Das Gericht zog sich nach Abschluss der Beweisaufnahme und des Vortrags der förmlichen Anträge der Klägerin (sowie des kurzen Antrags der Beklagten, alle Anträge der Klägerin zurückzuweisen) zur Beratung zurück, um dann nach einer knappen halben Stunde seine Beschlüsse zu verkünden. Die Klägerin nebst Rechtsbeistand sowie die von der Klägerin geladenen Zeugen warteten diese Verkündung nicht ab, sondern fuhren am Beginn dieser Beratungspause von dannen.
In Kurzform: Das Gericht wies sämtliche sieben anhängigen Klagen der Klägerin ab. Zu jeden der sieben Punkte wurden jeweils Streitwerte zwischen 5000 und 6000 Euro festgelegt, in einem Falle (AZ 11A5476/10) ein Streitwert von 10.000 Euro, weil diese Klage zwei Bescheide der Kreisverwaltung umfasste. In der Addition ergeben sich hier sehr ansehnliche Streitwerte, die ebenfalls ansehnliche Verfahrens- und Anwaltskosten nach sich ziehen...
Das wars...fast. Ich konnte im Verlauf dieser Verhandlung noch etwas lernen: Seither war ich der Ansicht, daß der Ehegatte der "Gnadenhof"-Betreiberin seit dem Februar 2008 von seinem durch das Amtsgericht Holzminden im Januar 2005 ausgesprochenen Tierhaltungsverbot befreit sei. Dies ist auch der Fall, jedoch gilt das Ende 2003 durch den Landkreis Holzminden erlassene unbefristete Tierhalteverbot weiterhin, es wurde bis heute nicht aufgehoben !!
Frau Dr. E. erwies sich im Laufe der Verhandlung als sehr kompetent, sehr präzise, sehr glaubwürdig und selbstbewusst. Direkt nach dem Ende der Verhandlung war ihr anzumerken, wie ein großer Druck von ihr abfiel. Ihr Auftreten vor Gericht und ihre Reaktion nach dem Ende der Verhandlung haben mir sehr imponiert.
Diesen Bericht möchte ich für jetzt (viele Details werden vielleicht noch zur Sprache kommen) mit einem weiteren Zitat aus der mündlichen Urteilsbegründung abschließen, dem wohl nichts hinzuzufügen ist:
Jemand, der hier um die Erlaubnis streitet, ein Tierheim betreiben zu dürfen, muss doch eigentlich auch wissen, daß man Katzenklos auch reinigen muss...