Also nochmal:
Krallenschneiden ist selbstverständlich NICHT Teil der Hundeführscheinprüfung (Ulli hat gestern einfach die Gelegenheit genutzt und das in die Übung "Pfotenkontrolle" integriert). Verlangt wird unter dem Begriff "Pflegehandlungen", daß der Hundehalter an seinem Hund eine nicht nur rein oberflächliche Inspektion von Ohren, Zähnen und den Pfoten vornehmen kann und der Hund dies ohne allzuviele Streßanzeichen (und natürlich ohne seinen eigenen Besitzer zu beißen
) duldet.
Ein Prüfer hat keinerlei Befugnis, selbst irgendetwas an oder mit dem Hund zu machen. Ich berühre die Hunde während einer Prüfung nicht (jedenfalls nicht vorsätzlich
), versuche auch nicht, sie in irgendeiner Art und Weise abzulenken oder zu beeinflussen.
Zum Ablauf der Prüfung:
Zuerst muß der Hundehalter eine Verantwortlichkeitserklärung unterschreiben, mit der er die Verantwortung und im Zweifelsfalle auch die Haftung (falls was passieren sollte) für die Ereignisse während der Prüfung übernimmt und erklärt, den Hund nach den gesetzlichen Bestimmungen zu führen.
Dann erfolgt der schriftliche Test - ein Multiple Choice Test mit 30 Fragen, von denen 80% (also 24) richtig beantwortet werden müssen, um die weiteren Module der Prüfung angehen zu können.
Bevor ich nun mit einem Prüfling den praktischen Teil der Prüfung in Angriff nehme, stelle ich diesem einige Fragen nach irgendwelchen Besonderheiten des Hundes (Ausbildungsstand, Verhaltensauffälligkeiten, gesundheitliche Probleme usw.), die eventuell einen Einfluß auf die Prüfung haben könnten.
Würde beispielsweise jemand mit einem älteren Hund argumentieren, daß dieser mit dem Absetzen oder Ablegen schon Probleme habe, dann wäre es für mich statthaft, anstelle der eigentlich geforderten Übungen Sitz oder Platz ein Steh zu zeigen.
Im ersten Teil der praktischen Prüfung werden das Anleinen des Hundes, das Anlegen eines Maulkorbs (unter Beachtung der Maulkorbakzeptanz) und die oben bereits beschriebenen Pflegehandlungen durchgeführt.
Dann erfolgt im nächsten Teil eine kurze Überprüfung des Hundegehorsams, was bedeutet, daß der Hund halbwegs an lockerer Leine laufen kann und in der Lage ist, halbwegs kontrolliert für einen vom Hundehalter selbst eingeschätzten Zeitraum sitzen oder liegen zu bleiben.
Diese beiden Teile der Prüfung erfolgen in ablenkungsarmer Umgebung.
Ale letzter Teil der Prüfung erfolgt ein Spaziergang im großstädtischen Bereich, also an öffentlichen Orten, die ein gewisses Maß Ablenkungen ermöglichen müssen.
In der Prüfungsordnung steht das folgendermaßen beschrieben:
(1) Modul III beinhaltet Aufgaben zur Bewältigung von Alltagssituationen in der Großstadt unter besonderer Berücksichtigung des Verhaltens des Hundehalters entsprechend dem Ausbildungsstand und dem Verhalten des Hundes in der Öffentlichkeit, der gesetzlichen Vorschriften sowie tierschutzrelevanter Aspekte.
(2) Die Aufgaben sind an öffentlichen Orten durchzuführen und sollen einen Spaziergang in der Großstadt simulieren.
(3) Die Auswahl der Aufgaben obliegt der Prüferin oder dem Prüfer, wobei mindestens vier Aufgaben gemäß Abs. 4. gestellt werden müssen. Je nach Anlassfall können auch mehr als vier Situationen, einzelne Situationen mehrfach oder zusätzliche Situationen abverlangt werden.
(4) Bei Aufgaben gemäß Abs. 2 kommen insbesondere folgende Situationen in Betracht:
– Begegnung mit anderen Hunden,
– Begegnung mit Jogger,
– Begegnung mit Radfahrern bzw. Inlineskatern,
– Begegnung mit Kinderwagen,
– Begegnung mit Kindern,
– Begegnung mit Menschen mit Gehhilfen,
– Warten vor einem Geschäft,
– Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln,
– Bewegung durch eine große Menschenmenge,
– Fahren mit einem Aufzug, in dem sich auch andere Menschen befinden,
– Begegnung mit Menschen ohne Ausweichmöglichkeit (zB Baustelle),
– Durchqueren eines Parks mit Kinder- und Ballspielplatz,
– Verhalten gegenüber aufdringlichen Personen,
– Verhalten in einer Hundezone.
In diesem Prüfungsteil kommt es nicht darauf an, daß der Hund alle Situationen perfekt "ertragen" kann, sondern es ist das Einfühlungsvermögen und das Geschick des Hundehalters gefragt, wie er diese Situationen am besten meistert ODER ABER AUCH vermeidet. Beim HFS der Gemeinde Wien wird ganz besonderes Augenmerk darauf gelegt, daß der Hund möglichst streßfrei, ohne zwang, unauffällig und ruhig geführt wird.
Ich entscheide hier im Grunde aus dem Gesamteindruck aller Situationen und Begegnungen und der Art, wie der Hundehalter seinen Hund führt, ob ein Team den Hundeführschein erhält. Nur weil ein Ding mal danebengeht, lasse ich sicher nimanden durchfallen, wenn der Gesamteindruck eindeutig positiv ist.
Weiters versuche ich, den Hundehaltern einerseits die falsch beantworteten Testfragen zu erklären und sie auch schon während des Spaziergangs darüber zu informieren, was sie gut gemacht haben und was vielleicht noch besser sein könnte.
LG, Andy