Sollte es bei einer Zucht nicht sch.... egal sein, ob Mode oder nicht?
Es macht ja bezügl. Gesundheit keinen Unterschied ob in mode oder nicht.
Leider schon. Kommt eine Rasse in Mode, steigt die Anzahl der Züchter. Ich habe es in einem anderen Thread bereits erwähnt und erwähne es jetzt bewusst noch einmal: JEDER KANN (VERBANDS-)ZÜCHTER WERDEN! Und da fängt er an und schließt sich der Teufelskreis: Es beginnen plötzlich Leute zu züchten, die keinen Tau von Genetik haben - ja, ich erwarte mir von einem Züchter, dass seine Kenntnisse über die Mendelschen Regeln hinausgehen! - und nach subjektiven Kriterien (auch Richterbewertungen sind subjektiv!) ihre Hunde verpaaren. Es genügt leider nicht, die Elterntiere auf ein paar bekannte Erbkrankheiten hin durchchecken zu lassen, die Ahnentafeln zu studieren und dann munter drauflos zu verpaaren. Zucht ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, schlussendlich ist der Gegenstand derselben ein Lebewesen, das fühlt. Natürlich ist es von Bedeutung, dass man die bekannten Erbdefekte mittels Untersuchungen ausschließen kann, aber man sollte nicht die Augen davor verschließen, dass eben In- und Linienzucht die Entstehung neuer, noch nicht bekannter Erbdefekte zwangsläufig begünstigt. Ich möchte den Züchtern diesbezüglich keine Böswilligkeit unterstellen, das Beharren auf diesen Methoden ist vordergründig auf Unwissenheit zurückzuführen. Die USA und England (als Mutterland der Hundezucht) sind überhaupt Hochburgen der In- und Linienzucht (in den USA ist das teils auch auf den Menschen zutreffend - siehe Amish, über die es auch Studien gibt, die belegen, dass ein erhöhter Inzuchtgrad die Intelligenz und körperliche Fitness negativ beeinflussen - äquivalent dazu sei auch auf viele europäischer Herrscherhäuser verwiesen, die Abbildungen sprechen Bände und Inzucht wird sichtbar!)
Die Genetik ist zugegeben auch kein leichtes Unterfangen, ich beschäftige mich seit längere Zeit intensiv damit (aus Spaß an der Freude und erst seit geraumer Zeit bzgl. Hundezucht) und lerne stets viel dazu. Es muss auch nicht jeder Hundezüchter ein neuer Mendel werden, aber wissenschaftliche Erkenntnis einfach wegzuleugnen, ist in Anbetracht der Verantwortung gegenüber eines Lebewesens fahrlässig. Umso schlimmer ist es, wenn man dann von langjährigen Züchtern liest, dass auch deshalb Linienzucht betrieben wird, weil man der Rasse dienlich sein will (von der Inzestzucht spreche ich erst gar nicht). So traue ich mich auch behaupten, dass einige Züchter auch nicht wissen, was bspw. der IK überhaupt aussagt, wofür die Werte - zB.: IK = 2,18 - also stehen).
Viele Verfechter der In- und Linienzucht bringen auch gerne Beispiele aus der Natur (Inselpopulation, die notgedrungen eng miteinander verwandt sind - zB.: Islandpferde - tatsächlich stellt Inzucht unter Wildtieren aber die Ausnahme dar!) um ihre Methode zu rechtfertigen. Leider wird hierbei vergessen, dass die Natur viel stärker selektiert als es in der Hundezucht möglich wäre (sofern man die Tierschutzgesetze achtet) - in Wildtierpopulationen werden alle mit ausgeprägten Defektgenen behafteten Individuen gnadenlos ausgemerzt, wodurch sie meist erst gar nicht zur weiteren Reproduktion gelangen. Darwin bezeichnet dies als "survival of the fittest". Vereinfacht ausgedrückt setzen sich in der Natur also nur jene Genkombinationen durch, die geeignet sind, den jeweiligen Umweltverhältnisse Rechnung zu tragen. Daraus leitet sich also auch ein erheblicher Anspruch an zweckgerichteter Selektion ab: und ein Lebewesen kann nur dann seinen natürlichen Zweck erfüllen, wenn seine Vitalfunktionen der Umwelt angepasst sind.
Man sollte bei Inselpopulationen auch nicht vergessen, dass das Zeitfenster gemessen an der gesamten Evolution auch sehr klein ist und nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese Populationen nicht später doch noch aussterben.
Um wieder auf den Hund (im wahrsten Sinne des Wortes) zu kommen: in den Anfängen der Hundezucht spielte die natürliche Selektion noch eine weitaus größere Rolle, da der Hund für den Hundehalter meist nur einen Gebrauchswert hatte und dieser, wenn er seinen Zweck nicht erfüllte, ausgemerzt wurde. Ausserdem war die Veterinärmedizin zu dieser Zeit quasi nicht vorhanden, so dass die schwächsten Tiere durch Infektionen (mangels Anpassungsfähigkeit) schneller dahingerafft wurden. Hungersnöte während der Weltkriege machten auch vor den Rassehundepopulationnen nicht halt. All das verminderte den Schaden, welche In- und Linienzucht anrichten.
Ich habe in diesem Thread bereits den Sibirischen Tiger angesprochen und möchte kurz näher darauf eingehen:
Die Angaben zur Populationsgröße der wildlebenden Sibirischen Tiger variieren zwischen 200-300 Individuen (es gibt zahlreiche Hunderassen, deren effektive Population weit darunterliegt) . Sog. Arterhaltungsgenetiker versuchen sehr aufwendig sog. Gendatenbanken zu erstellen, um den Erhalt dieses Tieres zu gewährleisten, verweisen aber darauf, dass dies keinesfalls gesichert sei, weil die bestehende Population bereits jetzt zu klein sein könnte, als dass der Tiger auf natürliche Weise, also ohne Wilderei, zu überleben vermag. Es bedarf eines großen Statistikaufwandes, damit Inzucht auf Dauer vermieden wird und somit die Heterozygotie, welche für ein Wildtier überlebensnotwendig, erhalten bleibt.
Münzt man dieses Beispiel nun auf die Hundezucht um, wird ersichtlich, dass dort der entgegengesetzte Weg begangen wird: Die meisten Rassepopulationen haben wenige Zuchtrüden und verhältnismäßig viele Zuchthündinnen. Der IK nimmt aufgrund geschlossener Zuchtbücher stehts zu - dh. jede Hunderasse verliert von Generation zu Generation mitunter wichtige Allele, weil sich der Verwandschaftsgrad eben notgedrungen erhöht.
Verstärkt wird dieses Problem durch falsche Selektion: Schönheit ist kein geeigneter Parameter um die Erbgesundheit von Rassehunden zu gewährleisten. Es kommt nicht selten vor, dass erbgesunde Hunde von der Zucht ausgeschlossen werden, weil ihnen bspw. die P3 fehlen oder sie einen unerwünschten Fleck im Haarkleid aufweisen - stattdessen bemüht man dann einen Hund, dessen Fell und Gebiss dem Standard entspricht, der aber in seinem Erbstatus als "minderwertiger" anzusehen ist, weil er beispielsweise stark ingezüchtet ist oder eine stark herabgesetzte Vitalität aufweist (woran man die Vitalität eines Hundes am Verhalten ablesen kann, können bspw. im Hundesport erfolgreiche Trainer (zB.: Georg Sticha) besser vermitteln als ich es vermag)
Vom Allelverlust sind, wie erwähnt, grundsätzlich alle Rassen betroffen, deren Zuchtbücher geschlossen sind - sowohl Gebrauchs- als auch Showlinien. Der Unterschied der beiden liegt zum einen in der Selektion (bei Gebrauch vordergründig Leistung, bei Show vordergründig Phänotyp - wobei ersteres der natürlichen Selektion selbstverständlich näher kommt) und zum anderen an den in den Gebrauchslinien weniger gebräuchlichen Zuchtmethoden (In- und enge Linienzucht). Den Gebrauchshundeführer wird es auch weniger stören, wenn ein Verband zwecks Genpoolauffrischung (ein niedriger IK bedeutet keine Genpoolauffrischung!) die Einkreuzung fremder Rassen zulässt, weil für ihn der Gebrauchswert im Vordergrund steht und nicht das Aussehen des Hundes. Bei Rassen, die ihren eigentliche Aufgabe verloren haben, sind die Verbände diesbezüglich zu wenig Einsicht bereit.
Man muss sich demnach von alten, längst überholten Zuchtstrategien verabschieden, will man der Erbgesundheit von Rassehunden dienlich sein. Wer weiter In- und Linienzucht treibt, muss es selbst mit seinem Gewissen vereinbaren können, aber sich nicht auf die Fahnen schreiben, man wolle der Rasse dienlich sein.