Kampfhunde sind besonders aggressiv.
Dies ist das Kernargument der Hundeverordnungen und -gesetze. Hier sei zunächst klargestellt, dass Aggressivität nicht eine Eigenschaft wie Blauäugigkeit oder Riesenwuchs ist. Aggressionen sind einer von vielen Antrieben, die das Verhalten von Mensch und Tier steuern. Einfach gesagt ist Aggression das Bestreben, eigene Interessen offensiv gegen andere durchzusetzen. Sie steht dabei in unterschiedlichsten Zusammenhängen und kann sich bei Hunden zum Beispiel als Verteidigung des eigenen Futternapfes darzustellen, als Rüpelei unter Rüden oder als Verteidigung des eigenen Rudels (der Familie) und Reviers (des Grundstücks) gegen Fremde. Und selbst das friedlichste Hündchen wird schnappen, wenn man ihm rücksichtslos auf die Pfoten tritt.
Kampfhunde wurden zur Aggressivität gegen ihre Artgenossen erzogen - allerdings nur in der Situation der Kampfarena. (Es gibt die Geschichte von einem Pitbull, der den Schwanz einkniff und davonlief, als er von einem Straßenhund angefallen wurde.) Sie mussten sich selbst im heftigsten Kampf von ihren Haltern trennen lassen - ein Kampfhund, der nach Menschen biss war wertlos. Kampfhunde wurden nie zum Angriff auf Menschen gezüchtet oder erzogen. Das blieb anderen Hunderassen vorbehalten. Selbst wenn man unterstellt, dass Verhaltensweisen des Hundes erblich seien, ist also bei Hunden, die für den Hundekampf gezüchtet wurden, von keiner erhöhten Gefährlichkeit Menschen gegenüber auszugehen - eher vom Gegenteil.
Nun ist es aber so, dass Hunde sozial lebende Tiere sind. Die Vorausetzung und zugleich der entscheidende Vorteil des Lebens in Sozialverbänden ist die Lernfähigkeit und Anpassungsfähigkeit des Individuums. (Die Ausnahme bilden allenfalls staatsbildende Insekten wie Ameisen, Termiten, Wespen, oder Bienen.) Das Individuum zappelt nicht an den Fäden seiner Gene, sondern lernt differenziertes und der Situation angemessenes Verhalten im Umgang mit den Mitgliedern seines Sozialverbandes. Es hat natürlich eine genetische "Grundausstattung", aber komplexe Verhaltensweisen werden jedenfalls im Sozialverband geprägt.
Ein freundlicher, ängstlicher oder aggressiver Hund wird nicht geboren, sondern erzogen, in der frühen Welpenzeit durch Mutter und Geschwister, danach durch seine Menschen- (und Tier-) familie. Wenn man überdies daran denkt, dass genetische Unterschiede zwischen den heutigen Hunderassen nicht nachweisbar sind, so kann man nicht umhin, die Theorie gefährlicher Hunderassen abwegig zu finden.
Die praktischen Befunde entsprechen diesen Überlegungen: keine der Kampfhunderassen ist in der Statistik von Beißvorfällen auffällig (in die übrigens mit schönster Selbstverständlichkeit auch Auseinandersetzungen zwischen Hunden und von Hunden mit anderen Tieren eingerechnet werden, bei denen kein Mensch gefährdet ist). Auffällig ist nur das ausgiebige Interesse bestimmter Medien an jedem Vorfall, an dem ein Kampfhund beteiligt ist.