Teil 8
Die Mitzi erklärt, was ein Kampfhund ist.
Eine Erweiterung der Erörterung:
Die Mitzi hat ja aus erzählerischem Kalkül einfach wesentliche Teile ihres Lebens als Leinenbehübschung für einen gar grässlichen Killerhund noch überhaupt nicht angesprochen.
Weil die Mitzi nämlich glaubt, dass so seltsame Theorien darüber kursieren, was eigentlich ein Kampfhund ist, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt der weitere Geschichtsverlauf von falschen Vorstellungen geprägt sein könnte.
Die Mitzi hat ja bereits anklingen lassen, dass sie findet, sie besäße nur einen Kampfhund und das sei ausgerechnet der Hund, der die Menschenwelt in Verzückung versetzt und treuherzig aus rehbraunen Kulleräuglein blickend, alle Kampfhundklischees Lügen straft.
Doch der Mitzi glaubt ja keiner. Der liebreizende Modelhund ist einfach zu schön, um ein Kampfhund zu sein. Der liebreizende Modelhund ist einfach zu menschenfreundlich, um ein Kampfhund zu sein.
Untrügliches Erkennungszeichen für einen Kampfhund ist nämlich, dass er nichts anderes im Sinn hat als Menschen zu meucheln, hinterrücks zu überfallen und die Weltherrschaft an sich zu reißen. Also nicht, dass die Mitzi das glaubt, sondern anscheinend alle anderen.
Die Mitzi muss ja gestehen, dass sie eine Weile auch ganz nebulöse Vorstellungen hatte und seltsame Bilder im Kopf, von zähnefletschenden, geifernden Bestien, wenn sie das Wort Kampfhund gehört hat. Aber die Mitzi hat sich ja weiter gebildet, in dem sie nicht nur Gratiszeitungen gelesen hat.
Wenn die Mitzi also das Konzept Hund richtig verstanden hat, dann ist das nämlich so: Eines schönen Tages, vor langer, langer Zeit, kann ein Sonntag gewesen sein, oder ein Mittwoch, was eigentlich völlig nebensächlich ist, da hat entweder der Wolf oder der Mensch beschlossen, dass der jeweils andere gar nicht so unpraktisch ist.
Ob der Wolf dann freiwillig zum Hund wurde, oder Mensch ihn zum Hund gemacht hat, kann keiner mehr so genau sagen, der nicht dabei war und wer dabei war, ist schon vor tausenden Jahren ausgestorben. Ob der Hund ein Kulturfolger oder ein Kulturförderer war, auch in dieser Frage scheiden sich heutzutage die studierten Geister.
Die Mitzi geht jedenfalls davon aus, dass der Steinzeitmensch womöglich kein großer Philosoph, aber sicher kein Trottel war. Nur ein Trottel will ein gefährliches Tier als Höhlengenossen (an dieser Stelle darf sich der geneigte Leser selbst ausmalen, was die Mitzi von den Exemplaren des Homo Modernicus hält, die das noch immer nicht begriffen haben. Gleichzeitig fragt sich die Mitzi, wie es diese Exemplare bis in die heutige Zeit geschafft haben. Spontane Mutation womöglich.). Wäre der Hund also ein heimtückischer Menschenmörder, dann hätte der Mensch den Hund nicht über Jahrtausende durchgefüttert, sondern aufgefuttert.
Archäologen würden vereinzelt Knochen eines großen Raubsäugers ausgraben, konservieren, polieren und man könnte den Hund im Museum bestaunen. Man würde Mutamaßungen anstellen darüber, wie so ein Hund wohl ausgesehen hat und wie er geschmeckt hat und es gäbe Filme, in denen man diese rätselhaften Wesen per Computeranimation zum Leben erweckt - "Lassie Park 1 und 2" - nur Hunde gäbe es keine.
Stattdessen ist aber alles ganz anders gekommen und der Mensch hat den Prototypen Hund nach seinen Vorstellungen konfiguriert. Mal wollte der Mensch starke Hunde zum Lasten ziehen, mal wachsame Hunde zum bewachen, er wollte Hunde, die Herden beisammen halten oder beschützen, oder brauchte Hunde, die dem Jäger Weg ersparen und sich an seiner statt in Gefahr begaben.
Sicher wollte der Mensch manchmal auch unerschrockene Hunde zum Erschrecken seiner Menschenfeinde, weil so ein Durchschnittsmensch sich nicht gerne selbst beteiligt, sollte es gefährlich werden, sondern andere machen lässt. Aber so ein Mensch hat seinem Hund erst mal beibringen müssen, was der Mensch denn als beissenswert empfindet, weil der Mensch ja nicht selbst gebissen werden will. So blöd der Mensch manchesmal ist, so blöd ist er dann doch nicht.
Ah, das ist also ein Kampfhund, werden sie jetzt sagen und die Mitzi sagt "Das ist ja alles viel komplizierter. Obwohl eigentlich eh recht einfach".
Der Mensch hat eine seltsame Vorliebe für Kriege mit allen, die ihm irgendwie unsympathisch sind, und dazu hat er auch immer Hunde mitgenommen, bevorzugt natürlich solche, die ernstzunehmend aussehen. Psychologische Kriegsführung quasi. Auch wenn manche heutigen Dackelbesitzer womöglich bestätigen würden, dass ihr Dackel ein sehr kriegerisches Naturell hat, selbst zu Zeiten, als man die Erde noch für eine Scheibe hielt, hätte man einen Dackel diesbezüglich nicht für voll genommen. Dackel erschrecken Postboten, aber keine feindlichen Heere.
Aber selbst wenn ein Feldherr kein Bauer, sondern ein Soldat war, dann wollte der keinen Hund, der ihm Schaden zufügt, der wollte einen Hund, der imposant genug ist, dass es sich auszahlt, ihm beizubringen, anderen Schaden zuzufügen.
Die Erfindung von Schießpulver hat schließlich die gesamte Kriegsführung dahingehend revolutioniert, dass sich die Menschen nun weit effektiver hassen konnten. Und wenn sie die durchschnittliche Reichweite einer, sagen wir, Mittelstreckenrakete mit einer Hundeleine vergleichen (ganz anno dazumals womöglich Kette, aber selbst die moderne 15m Flexileine überbrückt auch nicht annähernd solche Distanzen), dann sollte verständlich sein, warum so ein Hund für den Kriegseinsatz bald uninteressant wurde.
Statt also Hunde als Waffen zu missbrauchen, hat sich der Mensch schon längst darauf besonnen, Hunde lieber dafür einzusetzen, zu retten, wer noch zu retten ist, wenn Menschen einander nicht mögen.
Weil dem Menschen aber in friedlichen Zeiten anscheinend manchmal ziemlich langweilig ist, hat der Mensch andere Beschäftigungen mit Hund erfunden.