Zur Info, die Stellungnahme von Amnesty International (vielleicht doch ernster zu nehmen als die Verleumdungen eines Hrrn. Habitzl, der in einer Pressekonferenz zugeben musste, dass das, was er als "Gasanschlag" bezeichnete, den Wurf einer Stinkbombe meinte.
lg alexandra
AMNESTY INTERNATIONAL ÖSTERREICH
Moeringgase 10 1150 Wien
STELLUNGNAHME
zur Festnahme von zehn Tierschützern am 21. Mai 2008
(1) Amnesty International kann naturgemäß keine Aussagen dazu treffen, ob die Beschuldigten die ihnen
vorgeworfenen strafrechtlichen Delikte (Sachbeschädigung, Nötigung, gefährlichen Drohung) begangen haben
oder nicht, und erinnert an die menschenrechtlich (Art. 6 Abs. 2 EMRK) und gesetzlich (§ 8 StPO) verankerte
Unschuldsvermutung.
(2) Amnesty International hält vorab fest, dass Staaten die menschenrechtliche Verpflichtung haben, die
körperliche Integrität von Menschen und ihr Eigentum zu schützen, und dass Meinungsäußerungsfreiheit ihre
Grenze jedenfalls dort hat, wo Rechte anderer Personen verletzt werden. Gesetze zum Schutz von körperlicher
Integrität und Eigentum gelten daher selbstverständlich auch für engagierte Mitglieder der Zivilgesellschaft,
unabhängig davon, für welches Anliegen sie sich einsetzen.
Politisches und gesellschaftliches Engagement, für welches Anliegen auch immer, ist als Ausdruck der
Meinungsäußerungsfreiheit - menschenrechtskonform - nur dann besonders geschützt, wenn es gewaltfrei und
unter Wahrung der Menschenrechte anderer stattfindet. Ein solches Engagement rechtfertigt nicht
Sachbeschädigungen oder Drohungen gegenüber anderen Personen. Strafrechtliche Ermittlungen oder
Maßnahmen gegen Mitglieder der Zivilgesellschaft sind daher nicht per se menschenrechtlich problematisch.
(3) Amnesty International hält jedoch fest, dass sich im gegenständlichen Fall die Bedenken manifestieren,
die unsere Organisation in einer Stellungnahme zum Strafrechtsänderungsgesetz 2002 zu den Delikten der
§§ 278 ff. StGB betreffend kriminelle Vereinigung bzw. Organisation abgegeben hat:
Während Amnesty International die Notwendigkeit anerkennt, das Strafgesetzbuch entsprechend der UN-
Konvention gegen transnationale organisierte Kriminalität anzupassen, erfolgte dies uE in einer
unverhältnismäßig weit gehenden Weise, die über die Vorgaben dieser UN-Konvention hinausgeht. Amnesty
International hielt schon in Bezug auf den Begutachtungsentwurf zu § 278 StGB fest, dass Delikte wie
Widerstand gegen die Staatsgewalt oder schwere Sachbeschädigung zwar ohne Zweifel in einer demokratischen
Gesellschaft kein sozialadäquates Verhalten darstellen und in jedem Fall strafgesetzlich verboten sein sollen.
Inadäquat erscheint es jedoch, beispielsweise aus der Verabredung mehrerer Demonstranten, Widerstand
leisten zu wollen, eine Gruppe organisierten Verbrechens konstruieren zu wollen.
Schon in ihrer Stellungnahme zum Strafrechtsänderungsgesetz 2002 hat Amnesty International davor gewarnt,
dass der neue Deliktskatalog zu organisierter Kriminalität und terroristischen Straftaten überschießend
formuliert ist. Amnesty International hat darauf hingewiesen, dass dem Wortlaut nach beispielsweise auch
bekannte Umweltorganisationen wie Greenpeace den Tatbestand etwa durch das Besetzen eines
Atomkraftwerks erfüllen würden, und in weiterer Folge SpenderInnen von Umweltorganisationen wegen
Terrorismusfinanzierung strafrechtlich belangt werden könnten.
Amnesty International weist darauf hin, dass der Terminus "organisierte Kriminalität" durch eine
Bereicherungsabsicht geprägt ist und schwerstwiegende Verbrechen bezeichnet, für die die Absicht der
Gewinnmaximierung charakteristisch ist (Rauschgifthandel und -schmuggel, Waffenhandel und -schmuggel,
Diebstahl und Handel von Kunstgegenständen, Zuhälterei, Prostitution, Menschenhandel, illegales Glücks- und
Falschspiel, Schutzgelderpressung, illegale Entsorgung von Sonderabfall, illegalen Technologietransfer,
Geldwäsche, Terrorismus; siehe auch Art. 5 (1) UN-Konvention gegen transnationale organisierte Kriminalität).
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Amnesty International gibt zu bedenken, dass eine solche Bereicherungsabsicht im vorliegenden Fall fehlt und
- nach uns vorliegenden Informationen - auch von Seiten der Staatsanwaltschaft nicht vorgebracht wird.
Amnesty International ist daher irritiert darüber, dass die angeblich vorliegende, konkrete Beweislage nicht in
entsprechende Strafverfahren wegen Sachbeschädigung, Nötigung bzw. gefährliche Drohung mündet, sondern
das, aus unserer Perspektive problematisch unbestimmte Gesamtdelikt der Mitgliedschaft in einer kriminellen
Organisation verfolgt zu werden scheint.
(4) In Bezug auf die durchgeführten Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen verweist Amnesty
International auf das menschenrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit, das auch in der österreichischen
Strafprozessordnung seinen Niederschlag findet. Da die vorliegenden Schilderungen Zweifel an der
Verhältnismäßigkeit bei der polizeilichen Durchführung der Hausdurchsuchungen und Festnahmen aufkommen
lassen, befürwortet Amnesty International dringend eine unabhängige und unparteiliche Untersuchung dieser
Maßnahmen und begrüßt ausdrücklich, dass von den RechtsvertreterInnen der Beschuldigten entsprechende
Beschwerdemechanismen in Anspruch genommen werden. Besonderes Augenmerk ist im Lichte des Art. 4
Abs. 7 PersFrG aus Sicht von Amnesty International dabei auf die Schilderungen der Betroffenen zu legen,
wonach ihnen die Kontaktaufnahme mit einem Rechtsbeistand verwehrt worden sei.
Amnesty International weist weiters darauf hin, dass der (unserer Organisation vorliegende)
Hausdurchsuchungsbefehl die gesuchten Beweismittel nicht präzise bezeichnet, sondern mit der Formulierung
"elektronische Speichermedien sowie relevante Unterlagen und Gegenstände" sehr allgemein gehalten ist.
Amnesty International hat auch in anderem Zusammenhang die Verwendung von vorgefassten Textbausteinen
zur Begründung von Grundrechtseingriffen beobachtet und befürchtet, dass diese Zweifel an einer sorgfältigen
Berücksichtigung menschenrechtlicher Schranken im Einzelfall aufkommen lässt.
(5) Amnesty International ist über die vorliegenden Schilderungen besorgt, nach denen der Umfang und die
Art der Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen geeignet ist, die rechtmäßige Arbeit legaler
zivilgesellschaftlicher Vereine zu beeinträchtigen. Während von Seiten der zuständigen Staatsanwaltschaft
betont wird, die strafrechtlichen Vorwürfe richteten sich nicht gegen Vereine, fanden den uns übermittelten
Schilderungen nach Beschlagnahmen in Vereinsbüros in einer Weise statt, die diesen die für ihre weitere
Arbeit benötigten Betriebsmittel (z. B. SpenderInnendatenbanken) entzieht.
Amnesty International betont in diesem Zusammenhang, dass strafrechtliche Ermittlungen gegen
Einzelpersonen nicht mit deren allfälliger Mitgliedschaft in zivilgesellschaftlichen Einrichtungen oder Vereinen
vermengt werden dürfen und alles unternommen werden muss, um den äußeren Anschein zu vermeiden, dass
seitens der Behörden die Beeinträchtigung der Arbeit dieser legalen Vereine zumindest in Kauf genommen
wurde.
(6) Amnesty International ist besorgt über Informationen von Seiten der RechtsvertreterInnen, wonach die
Akteneinsicht in einem Umfang beschränkt wurde, sodass selbst zum dringenden Tatverdacht und Haftgrund
keine konkreten Informationen vorliegen und den Rechtsbeiständen damit die zur Verteidigung und
Hinterfragung der Untersuchungshaft notwendigen Informationen vorenthalten werden.
Amnesty International weist darauf hin, dass gemäß Artikel 5 Abs. 2 der Europäischen
Menschenrechtskonvention jeder Festgenommene unverzüglich über die Gründe seiner Festnahme und über
die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen unterrichtet werden muss. Gemäß § 51 Abs. 2 letzter Satz StPO ist
eine Beschränkung der Akteneinsicht solcher Aktenstücke ab Verhängung der Untersuchungshaft unzulässig,
die der Beschuldigte benötigt, um Tatverdacht und Haftgründe im Wege einer Beschwerde bekämpfen zu
können.