Chinua hätte also souveräne Hunde gebraucht, die ihr ihre Grenzen zeigen. Chinua selbst darf das aber bei anderen Hunden nicht tun?
Wahrscheinlich haben wir jetzt mal wieder ein Problem mit Begriffen. Mein Großer neigt auch dazu, andere Rüden "unterzubuttern" ... aber er hat Recht. So einem "Juhuuu-lass-uns-spielen-Labbi" oder einem „Trau-dich-nur-her-Terrier“, der ihm ungefragt um den Hals fällt, schadet es nicht unbedingt, wenn er mal an die breite Brust eines sehr höflichen und statusbewussten Hundes prallt und darüber nachdenken muss, wie das noch mal ging mit dem höflichen Austausch der Visitenkarten.
Moooooooment, das habe ich nie gesagt, sondern du interpretierst das jetzt gerade so. Und das ist genau das Problem. Nein, ich glaube nicht, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben und nein, ich denke ganz sicher nicht, dass ich die Einzige mit einem "schwierigeren" Hund bin. Da gibts sicher Unmengen an HH, die es schaffen, noch viel schwierigere Hunde zu managen und führen. Aber wenn ich "unterbuttern" oder "unterwerfen" oder "mobben" schreibe, dann meine ich das und kein "maßregeln" oder "zurecht weisen".
Es geht nicht um unhöfliche, auf uns zustürmende Tut-Nixe, die sie sich vom Hals schaffen möchte, sondern es geht darum, dass sie sich willkürlich einen Hund herauspickt, auf den sie sich - wenn sie denn könnte - "stürzen" würde. Sich drauf stürzen bedeutet: hinrennen und sofort und unabhängig von der Reaktion des Artgenossen, drüber fahren. Natürlich könnte man jetzt wieder zig Möglichkeiten finden wie: der hat sie sicher provozierend angesehen oder sie war gestresst oder weiß der Teufel was. Wenn man will, findet man sicher immer eine Ausrede. Und sie ist garantiert weder böse noch eine reissende Bestie. Aber warum auch immer sie dieses Verhalten an den Tag legt: es ist schlichtweg indiskutabel und intolerabel - Punkt. Die Ursache dafür zu finden und non-aversiv dagegen zu arbeiten - das habe ich gute 3,5 lange Jahre und mit Hilfe von durchaus kompetenten Trainern versucht - irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem ich ganz ohne schlechtes Gewissen ein aversiv aufgebautes Abbruchsignal (nämlich das Scheppern der Kleingelddose) nutze, da es ganz einfach funzt. Und bevor´s jemand vorschlägt: nein, ein Maulkorb hindert sie auch nicht daran, wie ein Wirbelwind über einen Artgenossen drüber zu fahren.
gegen hh richten würde ich als schwer traumatisierten hund definieren, entweder aus tierschutz oder leider auch vom eigenen halter
Und genau DAS ist der Punkt. Es geht mir nicht darum, jemandem seine Trainingserfolge mies zu machen. Es geht mir nicht darum, aversive Methoden positiver Motivation vorzuziehen - ganz im Gegenteil. Es geht mir darum, dass es Hunde gibt, die Verhalten an den Tag legen, dass sich viele Leute so einfach nicht vorstellen können.
Meine Hündin kommt von einem seriösen Züchter, sie wurde weder von mir noch von sonst irgendeinem Menschen jemals in irgendeiner Form traumatisiert und doch hat sie die erste Zeit lang auf alles was sie nicht wollte mit in meine Richtung "nach vorne gehen" und mich beissen "beantwortet". Dazu kommen noch eine ganze Hand voll anderer Dinge, bei denen sie von der Norm abgewichen ist (Stichwort Stubenreinheit, Folgetrieb usw.).
Und ich ziehe auch heute noch immer den Hut vor dem Mali, der seinem HF auf jeden groben Leinenruck (und es waren einige) in die Hand gebissen hat, so dass dieser am Schluß die Leine mit einem blutigen Klumpen festgehalten hat. Auch dieser Hund war nicht abnormal; er hat sich einfach nicht alles gefallen lassen.
Ob sie "abnormal" ist? Ja, 100%ig weicht sie von der Norm der heute gängigen und gewünschten Hundeindividuen ab. Abnormal im Sinne von "an Poscha" und absolut caniden-untypisch - nein, sicher nicht. Nur eben nicht so, wie heute die Mehrheit einen Hund erwartet. Ob ich stolz auf sie bin? Ja, ich bin stolz drauf, was ich mit ihr bereits erreicht habe. Sie ist mit Sicherheit nicht der Welt folgsamste Hund, aber für einen Hund ihrer Rasse (und wenn ich draussen die Augen aufmache, auch ganz generell und rasseunabhängig) ist sie wohlerzogen, extrem freundlich und offen Menschen gegenüber, arbeitet erstaunlich gut usw. Stolz drauf, dass sie andere Hunde gerne verhauen würde bin ich selbstverständlich nicht - hätte ich einen Wunsch frei und könnte etwas an ihr ändern, so wäre es genau das. Weils einfach auch für mich wesentlich mehr Konzentration und Aufwand bedeutet und weil ich natürlich nicht will, dass andere Hunde Schreckerlebnisse davon tragen. Nachdem das Leben aber kein Wunschkonzert ist und es offenkundig auch nicht so einfach ist, die Ursache selbst bzw. ihr Verhalten im Direktkontakt mit fremden Artgenossen zu ändern, muss ich damit leben. Und zwar so, dass dabei niemand anderer zu Schaden kommt. Und das bedeutet in diesem Fall eben, dass die Symptome abgestellt werden.