KURT KOTRSCHAL (Die Presse)
Wien hatte offenbar ein Kampfhundeproblem. Anders wäre es nicht zu erklären, dass überall große Plakate endlich Sicherheit vor Kampfhunden verkünden.
Und da diese Plakate mit unserem Steuergeld finanziert wurden, muss es wohl wahr sein. Kampfhunde? Das sind doch diese fies dreinschauenden Wuffis, deren Aussehen schon zeigt, dass sie ohne Vorwarnung und Ausnahme Katz und Kind, Frau und Bürger anfallen. Für wie dumm hält man die Wähler eigentlich? Denkt man wirklich, sie würden den Schwindel mit diesem Husch-pfusch-Gesetz nicht durchschauen?
Unbestritten, dass Hunde gelegentlich schwere Unfälle verursachen. Genauso unbestritten ist unter allen Wissenschaftlern und Praktikern, die sich mit Hunden auskennen, dass nicht bestimmte Hunderassen „gefährlich“ sind, sondern dass dazu der Mensch am anderen Ende der Leine gehört. So sieht auf den ersten Blick die „Wiener Lösung” gar nicht so schlecht aus: Wenn schon jemand einen „Kampfhund“ halten will, dann muss er eben verpflichtend den Hundeführschein ablegen. Der ist ohnehin jedem Hundehalter zu empfehlen, denn um ein gutes Team mit dem Hund zu bilden, sollte man viel miteinander unternehmen, möglichst ohne Leine.
Soweit, so gut. Dass damit aber irgendein Problem gelöst wäre, darf bezweifelt werden. So wurde letztlich ein Kind vom eigenen Hund im Einflussbereich eines Polizeihundeführers getötet. Und dessen Kompetenz im Umgang mit Hunden geht sicherlich weit über den Hundeführschein hinaus. Ein Hundeführschein für Machos, die Hunde als Waffe ansehen? Lieb! Nicht so abwegig der Verdacht, hier hätte man zur Wählerstimmenoptimierung eine Alibiaktion auf Kosten von Hundehaltern durchgezogen!
Was ist eigentlich ein „Kampfhund“? Angebliche „Experten“ (man hält sich diesbezüglich bedeckt im Rathaus; selbst dem Rassehundeverband ÖKV, mit immerhin über 50.000 Mitgliedern, soll man die Auskunft verweigert haben) erstellten wider jedes bessere Wissen und gegen die Meinung jener, die sich wirklich auskennen, eine willkürliche Rasseliste, welche die üblichen Verdächtigen wie den Staffordshire Terrier enthält, nicht aber etwa den guten alten Deutschen Schäferhund, der zu den unfallträchtigsten Hunden gehört. War wohl politisch nicht durchsetzbar. Sie enthält auch nicht den Chow-Chow, der gelegentlich herzhaft zubeißt, aber wohl aufgrund seines wuscheligen Aussehens nicht in Verdacht gerät.
Das Um und Auf eines sicheren Zusammenlebens sind wohlerzogene Hunde und rücksichtsvolle Hundehalter. Zudem ist nahezu jeder schwere Hundeunfall vermeidbar: auf Basis von Wissen, und wenn sich Halter, Hund und Umfeld sozial richtig verhalten, nicht mittels noch mehr Leine oder Maulkorb.
Jenseits des unsinnigen neuen Kampfhundegesetzes hat man bereits ernsthaft begonnen, für ein besseres Zusammenleben mit Hunden zu wirken. Hundeauslaufzonen, endlich Eindämmung des Hundekots und durchaus auch der Hundeführschein auf freiwilliger Basis: Wien ist auf einem guten Weg. Den sollte man nicht durch lächerlichen und polarisierenden Vorwahlaktionismus gefährden.
Kurt Kotrschal ist Zoologe an der Uni Wien und Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau.
Quelle: http://diepresse.com/home/meinung/wisskommentar/575619/index.do
Wien hatte offenbar ein Kampfhundeproblem. Anders wäre es nicht zu erklären, dass überall große Plakate endlich Sicherheit vor Kampfhunden verkünden.
Und da diese Plakate mit unserem Steuergeld finanziert wurden, muss es wohl wahr sein. Kampfhunde? Das sind doch diese fies dreinschauenden Wuffis, deren Aussehen schon zeigt, dass sie ohne Vorwarnung und Ausnahme Katz und Kind, Frau und Bürger anfallen. Für wie dumm hält man die Wähler eigentlich? Denkt man wirklich, sie würden den Schwindel mit diesem Husch-pfusch-Gesetz nicht durchschauen?
Unbestritten, dass Hunde gelegentlich schwere Unfälle verursachen. Genauso unbestritten ist unter allen Wissenschaftlern und Praktikern, die sich mit Hunden auskennen, dass nicht bestimmte Hunderassen „gefährlich“ sind, sondern dass dazu der Mensch am anderen Ende der Leine gehört. So sieht auf den ersten Blick die „Wiener Lösung” gar nicht so schlecht aus: Wenn schon jemand einen „Kampfhund“ halten will, dann muss er eben verpflichtend den Hundeführschein ablegen. Der ist ohnehin jedem Hundehalter zu empfehlen, denn um ein gutes Team mit dem Hund zu bilden, sollte man viel miteinander unternehmen, möglichst ohne Leine.
Soweit, so gut. Dass damit aber irgendein Problem gelöst wäre, darf bezweifelt werden. So wurde letztlich ein Kind vom eigenen Hund im Einflussbereich eines Polizeihundeführers getötet. Und dessen Kompetenz im Umgang mit Hunden geht sicherlich weit über den Hundeführschein hinaus. Ein Hundeführschein für Machos, die Hunde als Waffe ansehen? Lieb! Nicht so abwegig der Verdacht, hier hätte man zur Wählerstimmenoptimierung eine Alibiaktion auf Kosten von Hundehaltern durchgezogen!
Was ist eigentlich ein „Kampfhund“? Angebliche „Experten“ (man hält sich diesbezüglich bedeckt im Rathaus; selbst dem Rassehundeverband ÖKV, mit immerhin über 50.000 Mitgliedern, soll man die Auskunft verweigert haben) erstellten wider jedes bessere Wissen und gegen die Meinung jener, die sich wirklich auskennen, eine willkürliche Rasseliste, welche die üblichen Verdächtigen wie den Staffordshire Terrier enthält, nicht aber etwa den guten alten Deutschen Schäferhund, der zu den unfallträchtigsten Hunden gehört. War wohl politisch nicht durchsetzbar. Sie enthält auch nicht den Chow-Chow, der gelegentlich herzhaft zubeißt, aber wohl aufgrund seines wuscheligen Aussehens nicht in Verdacht gerät.
Das Um und Auf eines sicheren Zusammenlebens sind wohlerzogene Hunde und rücksichtsvolle Hundehalter. Zudem ist nahezu jeder schwere Hundeunfall vermeidbar: auf Basis von Wissen, und wenn sich Halter, Hund und Umfeld sozial richtig verhalten, nicht mittels noch mehr Leine oder Maulkorb.
Jenseits des unsinnigen neuen Kampfhundegesetzes hat man bereits ernsthaft begonnen, für ein besseres Zusammenleben mit Hunden zu wirken. Hundeauslaufzonen, endlich Eindämmung des Hundekots und durchaus auch der Hundeführschein auf freiwilliger Basis: Wien ist auf einem guten Weg. Den sollte man nicht durch lächerlichen und polarisierenden Vorwahlaktionismus gefährden.
Kurt Kotrschal ist Zoologe an der Uni Wien und Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau.
Quelle: http://diepresse.com/home/meinung/wisskommentar/575619/index.do