Ronja04
Junior Knochen
Hallo Leute,
ich habe gerade eine Mail zum Thema Sprühhalsband erhalten.
Sehst euch an!
Köpfchen statt Knöpfchen...
...das gilt auch für die viel gepriesenen Sprühhalsbänder, die in
verschiedenen Ausführungen den Markt erobert haben. Spätestens seit uns
Hundenanny Katja Geb-Mann allwöchentlich im deutschen Fernsehen vorführt,
wie jeder Hund, ganz gleich welches Problem er seinen Haltern vermeintlich
oder tatsächlich bereitet, mit Einsatz einer Fernbedienung in das Verhalten
gepresst werden kann, das Herrchen oder Frauchen beliebt, finden die
Halsbänder, die einen angeblich völlig harmlosen Spraystoß von sich geben,
steigenden Absatz.
Doch schon der gesunde Menschenverstand lässt einen aufhorchen, wenn
Hersteller und Anwender behaupten, dass der jederzeit auszulösende Sprühstoß
für den Hund "gar nicht schlimm" sei. Da fragt man sich doch selbst nach nur
kurzem Nachdenken, wie es denn möglich sein soll, instinktive, genetisch
fixierte Verhaltensweisen wie zum Beispiel das Jagdverhalten durch etwas zu
unterdrücken, das dem Hund gar nichts ausmacht?! Dem Hundehalter wird
generös angeboten, das Gerät doch selbst mal in die Hand zu nehmen oder um
den Hals zu legen, während der Trainer den Auslöser betätigt... und
tatsächlich, so schlimm war das doch gar nicht. Ein kurzes "Zischhhh" mit
etwas feucht-kalter Luft. "Ja", bestätigt der überzeugte Hundehalter, "das
war gar nicht schlimm." Was Hersteller und Trainer jedoch geflissentlich
verschweigen (aus Unwissenheit oder in betrügerischer Absicht?!), ist die
Tatsache, dass plötzlich auftretende, nicht eindeutig zuzuordnende
Zischlaute beim Hund als Angst auslösende, sogar lebensbedrohliche Laute
abgespeichert sind, bei denen sofort die Flucht ergriffen werden muss. Jeder
kennt den Anblick eines Hundes, der sich selbst im Körbchen `zig mal um die
eigene Achse dreht, bevor er sich schließlich gemütlich niederlegt. Es
handelt sich bei dieser Verhaltensweise um ein Erbe aus den Zeiten, in denen
der Hund noch weitgehend draußen in Freiheit lebte. Bevor er sich hinlegte,
drehte er sich mehrfach im Gras oder Laub, um die ausgesuchte Liegestelle
als ungefährlich abzusichern. Sollte beim Drehen ein Zischlaut (zum Beispiel
von einer Schlange) zu hören sein, würde er sich durch einen Sprung zur
Seite in Sicherheit bringen. Biologisch sinnvoll... und diesen genetisch
fixierten, Angst auslösenden Zischlaut bringen wir Menschen nun in den
unmittelbaren Kopfbereich des Hundes! Und drücken vielleicht gleich mehrfach
das Auslöseknöpfchen, worauf der Hund ganz leicht nicht nur in Angst,
sondern sogar in Panik versetzt werden kann - ohne die Möglichkeit, sich
durch die Flucht zur retten!
Eigentlich ist dieser Umstand allein schon Grund genug, niemals zu erlauben,
dass einem uns anvertrauten Lebewesen ein solches Gerät angetan (im wahrsten
Sinne des Wortes!) wird. Es gibt aber noch mehr Probleme:
Der Hund weiß nie, wann und vor allem warum der Sprühstop ausgelöst wird,
befindet sich also in ständiger Erwartungsunsicher- heit. Wer wissen möchte,
wie sich das anfühlt, dem empfehle ich folgendes Eigenexperiment, das nicht
in Anwesenheit eines Hundes durchgeführt werden sollte, damit dieser nicht
unnötig verunsichert wird: Bitten Sie ein Familienmitglied oder einen
Freund, Sie wirklich stark zu erschrecken, zum Beispiel durch einen lauten
Schrei oder dadurch, dass er plötzlich die Stereoanlage zu voller Lautstärke
aufdreht oder zwei Töpfe aufeinander schlägt, wenn Sie gerade überhaupt
nicht damit rechnen, sich zum Beispiel entspannt im Sessel zurücklehnen oder
gerade mit Freunden Karten spielen. Das Experiment sollte mindestens mehrere
Stunden, am besten ein oder zwei Tage dauern und der Schreckreiz sollte in
dieser Zeit mehrfach ausgelöst werden - ohne dass Sie wissen, wann dies sein
wird. Sie werden merken, dass der eigentliche Reiz, wenn er dann endlich
auftritt, bei weitem nicht so schlimm zu ertragen ist, wie die zermürbende
Warterei auf ihn. Obwohl man ihn fürchtet, wünscht man ihn schon beinahe
herbei in der Hoffnung, dann wieder eine Weile Ruhe zu haben, was aber nicht
so ist, da er kurz nach dem Auftreten ein zweites oder drittes Mal ausgelöst
wird und dann wieder stundenlang gar nicht, ganz wie es Ihrem Helfer
beliebt. Keine angenehme Vorstellung, nicht wahr?!
Aber es gibt noch weitere Probleme. Gleich mehrere ergeben sich aus der
Tatsache, dass Hunde über gedankliche Verknüpfung lernen. Trägt der Hund das
Halsband und erhält den Sprühstoß, wenn er zum Beispiel auf mehrfachen Zuruf
nicht kommt, so möchte der Mensch ihm damit zeigen, dass er dafür mit
Schreckreiz bestraft wird, dass er ungehorsam ist. Es kann aber gut sein,
dass er in genau diesem Moment zu einem kleinen Kind, einem Jogger oder
einem anderen Hund schaut - und den Strafreiz damit verbindet. Das Ergebnis
ist dann ein Hund, der noch immer nicht besser auf Abruf reagiert, dafür
aber Ängste, evtl. sogar durch die Angst ausgelöste Aggressionen, gegen das
entwickelt, was er gerade sah. Die Hundehalter sind dann ratlos, weil ihr
Hund "plötzlich" kleine Kinder meidet oder Jogger anknurrt, mit denen er
doch bisher bestens auskam. Viele solcher Beispiele finden sich in meiner
Hundeschule ein, erst kürzlich ein Rhodesian Ridgeback Rüde, dessen
Sprühhalsband immer ausgelöst wurde, wenn er zum Wildern durchbrennen
wollte. Bei diesen Spaziergängen war allerdings auch immer seine Gefährtin,
der Zweithund der Familie, anwesend. Die Halter kamen nun nicht wegen des
unerwünschten Jagdverhaltens zu mir in die Hundeschule, mit dem sie sich
inzwischen abgefunden hatten, sondern weil der Rüde seit Wochen die Nähe der
Hündin mied. Immer wenn diese den Raum betrat oder sich, so wie früher, zu
ihm kuscheln wollte, verließ er mit ängstlichem Gesichtsausdruck das Zimmer
und das konnte man sich nicht erklären... Was hatte man diesen beiden Hunden
angetan! Welche Gefühle wurden in den Tieren ausgelöst?! Der Rüde hatte nun
Angst vor seiner Gefährtin, die er früher heiß und innig liebte, während
diese nicht verstehen konnte, weshalb er, der vorher immer leidenschaftlich
mit ihr spielte und tobte, sie jetzt mied. Die gleiche Trainerin, die den
Einsatz des Sprüh-halsbandes empfohlen hatte, empfahl jetzt übrigens, einen
der Hunde abzugeben, weil die Tiere sich unterschiedlich entwickelt hätten
und einfach nicht mehr gut zueinander passen würden. Die Ängste des Rüden
erklärte sie über die angeblich dominante Ausstrahlung der Hündin. Man
könnte weinen, wenn man Hunden mit einem solchen Schicksal gegenüber steht -
oder es packt einen einfach nur die Wut.
Die Probleme gehen noch weiter, denn nichts generalisiert sich bei Hunden so
schnell, wie Geräuschangst. Nicht nur dieser Rüde, sondern auch zahlreiche
andere Hunde entwickeln nach Einsatz des Sprühhalsbandes Ängste vor allen
möglichen Geräuschen. Das Öffnen einer kohlensäurehaltigen Getränkeflasche,
das Zischen von heißem Fett in der Pfanne, Knall- und Schussgeräusche, die
dem Hund vorher egal waren, versetzen ihn jetzt in Angst und Schrecken. Der
oben erwähnte Ridgeback Rüde zum Beispiel verzog sich mit eingezogener Rute
unter den Tisch des Besprechungsraums, als ich eine Wasserflasche öffnete.
Dies tat ich nicht, weil ich Durst hatte - trauriger Weise gehört es
inzwischen schon fast zum Standardprogramm beim ersten Kennenlernen und
Analysieren eines mir vorgestellten Hundes auszutesten, ob er schon mit
Sprühhalsband gearbeitet wurde und welche Wunden dies an seiner Seele
hinterlassen hat. Die Halterin war auch sehr erstaunt, als ich ihr nach dem
"Flaschentest" auf den Kopf zusagte, dass an ihrem Hund sicher schon mit
Sprühhalsband gearbeitet worden war. Das wollte sie mir eigentlich gar nicht
erzählen, weil sie schon gehört hatte, dass ich gegen den Einsatz dieser
Geräte bin. Nachdem ich sie auf die Reaktion ihres Hundes hingewiesen hatte,
war sie sehr betroffen. Und wütend, nachdem ich ihr erklärte, weshalb ihr
Rüde jetzt Angst vor der Hündin und vor allen möglichen Geräuschen hatte.
Wütend auf die Trainerin, die sie auf diese "unerwünschten Nebenwirkungen"
nicht aufmerksam gemacht, sondern immer erklärt hatte, wie harmlos der
Einsatz des Gerätes sei. Für mich stellt sich die Frage, ob Kollegen, die es
einsetzen, um diese Nebenwirkungen nicht wissen, oder ob sie diese bewusst
verschweigen, weil kaum jemand bereit wäre, den Einsatz zu erlauben, wenn
sie bekannt wären. Und ich stelle mir die Frage, was von beiden eigentlich
schlimmer ist...
Last but not least gibt es Probleme mit der Technik. Es soll schon
vorgekommen sein, dass das Gerät durch andere Funkfrequen- zen oder sogar die
Fernbedienung eines in der Nähe befindlichen Halsbandes an einem anderen
Hund ausgelöst wurde. Der Strafreiz wird dann also einem Hund verabreicht,
der einfach nur herumsteht oder gerade spielt oder sonst etwas tut. Das
steigert die Erwartungsunsicherh eit natürlich noch mehr und erhöht die
Trefferquote auf Fehlverknüpfungen immens. Zusätzlich löst es nicht immer
zuverlässig aus, kann zum Beispiel durch Wetterlagen mit feuchter Luft
(Nebel, Regen) verzögert oder gar nicht reagieren. Schließlich zeigt es auch
nicht an, wann die Batterie leer ist, wodurch es passieren kann, dass der
Auslöser gedrückt wird und nichts geschieht. Dann käme man durch das
Ausbleiben des Strafreizes (wenn der Hund denn überhaupt verstanden hätte,
wofür er eigentlich bestraft werden soll) in den Bereich der variablen
Bestätigung, was das unerwünschte Verhalten sogar noch verstärkt. Der Hund
würde nämlich lernen, dass er das Verhalten nur immer wieder zeigen muss,
bis er schließlich wieder zum Erfolg (in diesem Fall das Ausbleiben des
Strafreizes und die erfolgreiche Durchführung des Verhaltens) kommt.
Man kann es also drehen und wenden, wie man will: Sprühhalsbänder sind ganz
und gar nicht harmlos, im Gegenteil sogar sehr gefährlich. Manche Hunde
werden durch sie so verunsichert, dass sie in die so genannte erlernte
Hilflosigkeit fallen, was zur Folge hat, dass sie kaum noch Aktionen zeigen
oder Handlungen anbieten, weil sie in ständiger Angst vor dem für sie
unkalkulierbaren Strafreiz leben. Um diesen Tieren - und ihren verzweifelten
Haltern - zu helfen, braucht es ein meist lang angelegtes, gut durch-dachtes
Training, das den Hund aus dieser erlernten Hilflosigkeit und seinen
vielfältigen Ängsten wieder herausholt.
Sprühhalsbänder gaukeln dem Hundehalter vor, mal eben schnell per
Fernbedienung eine Lösung für vermeintliche oder tatsächlich entstandene
Probleme zu haben. Aber so einfach ist das nicht. Hunde sind uns
anvertraute, fühlende und denkende Lebewesen, die nicht beliebig
manipulierbar sind und deren Lernverhalten sich von dem unseren ganz
erheblich unterscheidet. Ich kann deshalb nur dringend empfehlen, jeden
Ausrüstungsgegenstan d und jede Methode, der/ die durch Hersteller oder
Trainer empfohlen wird, vor Anwendung am Hund genau zu prüfen, sich gut zu
informieren und im Zweifelsfall nach dem guten alten Motto zu entscheiden,
das auch für unsere Hunde gelten sollte: Was Du nicht willst, das man Dir
tu, das füg auch keinem anderen zu.
Clarissa v. Reinhardt animal learn
P.S.: Hiermit lade ich alle Hundefreunde ein, bei der Verbreitung dieses
Textes zu helfen. Ich erlaube als Autorin ausdrücklich, ihn (vollständig und
unverändert und unter Nennung der Quelle) auf anderen Homepages zu
veröffentlichen, auszudrucken und zu verteilen oder auf ihn hinzuweisen. Je
mehr Menschen um die Tücken und Gefahren des Sprühhalsbandes wissen, je mehr
Hunden bleibt dessen Anwendung - hoffentlich - erspart. Ein herzliches DANKE
an jeden, der diesen Text weiter gibt.
ich habe gerade eine Mail zum Thema Sprühhalsband erhalten.
Sehst euch an!
Köpfchen statt Knöpfchen...
...das gilt auch für die viel gepriesenen Sprühhalsbänder, die in
verschiedenen Ausführungen den Markt erobert haben. Spätestens seit uns
Hundenanny Katja Geb-Mann allwöchentlich im deutschen Fernsehen vorführt,
wie jeder Hund, ganz gleich welches Problem er seinen Haltern vermeintlich
oder tatsächlich bereitet, mit Einsatz einer Fernbedienung in das Verhalten
gepresst werden kann, das Herrchen oder Frauchen beliebt, finden die
Halsbänder, die einen angeblich völlig harmlosen Spraystoß von sich geben,
steigenden Absatz.
Doch schon der gesunde Menschenverstand lässt einen aufhorchen, wenn
Hersteller und Anwender behaupten, dass der jederzeit auszulösende Sprühstoß
für den Hund "gar nicht schlimm" sei. Da fragt man sich doch selbst nach nur
kurzem Nachdenken, wie es denn möglich sein soll, instinktive, genetisch
fixierte Verhaltensweisen wie zum Beispiel das Jagdverhalten durch etwas zu
unterdrücken, das dem Hund gar nichts ausmacht?! Dem Hundehalter wird
generös angeboten, das Gerät doch selbst mal in die Hand zu nehmen oder um
den Hals zu legen, während der Trainer den Auslöser betätigt... und
tatsächlich, so schlimm war das doch gar nicht. Ein kurzes "Zischhhh" mit
etwas feucht-kalter Luft. "Ja", bestätigt der überzeugte Hundehalter, "das
war gar nicht schlimm." Was Hersteller und Trainer jedoch geflissentlich
verschweigen (aus Unwissenheit oder in betrügerischer Absicht?!), ist die
Tatsache, dass plötzlich auftretende, nicht eindeutig zuzuordnende
Zischlaute beim Hund als Angst auslösende, sogar lebensbedrohliche Laute
abgespeichert sind, bei denen sofort die Flucht ergriffen werden muss. Jeder
kennt den Anblick eines Hundes, der sich selbst im Körbchen `zig mal um die
eigene Achse dreht, bevor er sich schließlich gemütlich niederlegt. Es
handelt sich bei dieser Verhaltensweise um ein Erbe aus den Zeiten, in denen
der Hund noch weitgehend draußen in Freiheit lebte. Bevor er sich hinlegte,
drehte er sich mehrfach im Gras oder Laub, um die ausgesuchte Liegestelle
als ungefährlich abzusichern. Sollte beim Drehen ein Zischlaut (zum Beispiel
von einer Schlange) zu hören sein, würde er sich durch einen Sprung zur
Seite in Sicherheit bringen. Biologisch sinnvoll... und diesen genetisch
fixierten, Angst auslösenden Zischlaut bringen wir Menschen nun in den
unmittelbaren Kopfbereich des Hundes! Und drücken vielleicht gleich mehrfach
das Auslöseknöpfchen, worauf der Hund ganz leicht nicht nur in Angst,
sondern sogar in Panik versetzt werden kann - ohne die Möglichkeit, sich
durch die Flucht zur retten!
Eigentlich ist dieser Umstand allein schon Grund genug, niemals zu erlauben,
dass einem uns anvertrauten Lebewesen ein solches Gerät angetan (im wahrsten
Sinne des Wortes!) wird. Es gibt aber noch mehr Probleme:
Der Hund weiß nie, wann und vor allem warum der Sprühstop ausgelöst wird,
befindet sich also in ständiger Erwartungsunsicher- heit. Wer wissen möchte,
wie sich das anfühlt, dem empfehle ich folgendes Eigenexperiment, das nicht
in Anwesenheit eines Hundes durchgeführt werden sollte, damit dieser nicht
unnötig verunsichert wird: Bitten Sie ein Familienmitglied oder einen
Freund, Sie wirklich stark zu erschrecken, zum Beispiel durch einen lauten
Schrei oder dadurch, dass er plötzlich die Stereoanlage zu voller Lautstärke
aufdreht oder zwei Töpfe aufeinander schlägt, wenn Sie gerade überhaupt
nicht damit rechnen, sich zum Beispiel entspannt im Sessel zurücklehnen oder
gerade mit Freunden Karten spielen. Das Experiment sollte mindestens mehrere
Stunden, am besten ein oder zwei Tage dauern und der Schreckreiz sollte in
dieser Zeit mehrfach ausgelöst werden - ohne dass Sie wissen, wann dies sein
wird. Sie werden merken, dass der eigentliche Reiz, wenn er dann endlich
auftritt, bei weitem nicht so schlimm zu ertragen ist, wie die zermürbende
Warterei auf ihn. Obwohl man ihn fürchtet, wünscht man ihn schon beinahe
herbei in der Hoffnung, dann wieder eine Weile Ruhe zu haben, was aber nicht
so ist, da er kurz nach dem Auftreten ein zweites oder drittes Mal ausgelöst
wird und dann wieder stundenlang gar nicht, ganz wie es Ihrem Helfer
beliebt. Keine angenehme Vorstellung, nicht wahr?!
Aber es gibt noch weitere Probleme. Gleich mehrere ergeben sich aus der
Tatsache, dass Hunde über gedankliche Verknüpfung lernen. Trägt der Hund das
Halsband und erhält den Sprühstoß, wenn er zum Beispiel auf mehrfachen Zuruf
nicht kommt, so möchte der Mensch ihm damit zeigen, dass er dafür mit
Schreckreiz bestraft wird, dass er ungehorsam ist. Es kann aber gut sein,
dass er in genau diesem Moment zu einem kleinen Kind, einem Jogger oder
einem anderen Hund schaut - und den Strafreiz damit verbindet. Das Ergebnis
ist dann ein Hund, der noch immer nicht besser auf Abruf reagiert, dafür
aber Ängste, evtl. sogar durch die Angst ausgelöste Aggressionen, gegen das
entwickelt, was er gerade sah. Die Hundehalter sind dann ratlos, weil ihr
Hund "plötzlich" kleine Kinder meidet oder Jogger anknurrt, mit denen er
doch bisher bestens auskam. Viele solcher Beispiele finden sich in meiner
Hundeschule ein, erst kürzlich ein Rhodesian Ridgeback Rüde, dessen
Sprühhalsband immer ausgelöst wurde, wenn er zum Wildern durchbrennen
wollte. Bei diesen Spaziergängen war allerdings auch immer seine Gefährtin,
der Zweithund der Familie, anwesend. Die Halter kamen nun nicht wegen des
unerwünschten Jagdverhaltens zu mir in die Hundeschule, mit dem sie sich
inzwischen abgefunden hatten, sondern weil der Rüde seit Wochen die Nähe der
Hündin mied. Immer wenn diese den Raum betrat oder sich, so wie früher, zu
ihm kuscheln wollte, verließ er mit ängstlichem Gesichtsausdruck das Zimmer
und das konnte man sich nicht erklären... Was hatte man diesen beiden Hunden
angetan! Welche Gefühle wurden in den Tieren ausgelöst?! Der Rüde hatte nun
Angst vor seiner Gefährtin, die er früher heiß und innig liebte, während
diese nicht verstehen konnte, weshalb er, der vorher immer leidenschaftlich
mit ihr spielte und tobte, sie jetzt mied. Die gleiche Trainerin, die den
Einsatz des Sprüh-halsbandes empfohlen hatte, empfahl jetzt übrigens, einen
der Hunde abzugeben, weil die Tiere sich unterschiedlich entwickelt hätten
und einfach nicht mehr gut zueinander passen würden. Die Ängste des Rüden
erklärte sie über die angeblich dominante Ausstrahlung der Hündin. Man
könnte weinen, wenn man Hunden mit einem solchen Schicksal gegenüber steht -
oder es packt einen einfach nur die Wut.
Die Probleme gehen noch weiter, denn nichts generalisiert sich bei Hunden so
schnell, wie Geräuschangst. Nicht nur dieser Rüde, sondern auch zahlreiche
andere Hunde entwickeln nach Einsatz des Sprühhalsbandes Ängste vor allen
möglichen Geräuschen. Das Öffnen einer kohlensäurehaltigen Getränkeflasche,
das Zischen von heißem Fett in der Pfanne, Knall- und Schussgeräusche, die
dem Hund vorher egal waren, versetzen ihn jetzt in Angst und Schrecken. Der
oben erwähnte Ridgeback Rüde zum Beispiel verzog sich mit eingezogener Rute
unter den Tisch des Besprechungsraums, als ich eine Wasserflasche öffnete.
Dies tat ich nicht, weil ich Durst hatte - trauriger Weise gehört es
inzwischen schon fast zum Standardprogramm beim ersten Kennenlernen und
Analysieren eines mir vorgestellten Hundes auszutesten, ob er schon mit
Sprühhalsband gearbeitet wurde und welche Wunden dies an seiner Seele
hinterlassen hat. Die Halterin war auch sehr erstaunt, als ich ihr nach dem
"Flaschentest" auf den Kopf zusagte, dass an ihrem Hund sicher schon mit
Sprühhalsband gearbeitet worden war. Das wollte sie mir eigentlich gar nicht
erzählen, weil sie schon gehört hatte, dass ich gegen den Einsatz dieser
Geräte bin. Nachdem ich sie auf die Reaktion ihres Hundes hingewiesen hatte,
war sie sehr betroffen. Und wütend, nachdem ich ihr erklärte, weshalb ihr
Rüde jetzt Angst vor der Hündin und vor allen möglichen Geräuschen hatte.
Wütend auf die Trainerin, die sie auf diese "unerwünschten Nebenwirkungen"
nicht aufmerksam gemacht, sondern immer erklärt hatte, wie harmlos der
Einsatz des Gerätes sei. Für mich stellt sich die Frage, ob Kollegen, die es
einsetzen, um diese Nebenwirkungen nicht wissen, oder ob sie diese bewusst
verschweigen, weil kaum jemand bereit wäre, den Einsatz zu erlauben, wenn
sie bekannt wären. Und ich stelle mir die Frage, was von beiden eigentlich
schlimmer ist...
Last but not least gibt es Probleme mit der Technik. Es soll schon
vorgekommen sein, dass das Gerät durch andere Funkfrequen- zen oder sogar die
Fernbedienung eines in der Nähe befindlichen Halsbandes an einem anderen
Hund ausgelöst wurde. Der Strafreiz wird dann also einem Hund verabreicht,
der einfach nur herumsteht oder gerade spielt oder sonst etwas tut. Das
steigert die Erwartungsunsicherh eit natürlich noch mehr und erhöht die
Trefferquote auf Fehlverknüpfungen immens. Zusätzlich löst es nicht immer
zuverlässig aus, kann zum Beispiel durch Wetterlagen mit feuchter Luft
(Nebel, Regen) verzögert oder gar nicht reagieren. Schließlich zeigt es auch
nicht an, wann die Batterie leer ist, wodurch es passieren kann, dass der
Auslöser gedrückt wird und nichts geschieht. Dann käme man durch das
Ausbleiben des Strafreizes (wenn der Hund denn überhaupt verstanden hätte,
wofür er eigentlich bestraft werden soll) in den Bereich der variablen
Bestätigung, was das unerwünschte Verhalten sogar noch verstärkt. Der Hund
würde nämlich lernen, dass er das Verhalten nur immer wieder zeigen muss,
bis er schließlich wieder zum Erfolg (in diesem Fall das Ausbleiben des
Strafreizes und die erfolgreiche Durchführung des Verhaltens) kommt.
Man kann es also drehen und wenden, wie man will: Sprühhalsbänder sind ganz
und gar nicht harmlos, im Gegenteil sogar sehr gefährlich. Manche Hunde
werden durch sie so verunsichert, dass sie in die so genannte erlernte
Hilflosigkeit fallen, was zur Folge hat, dass sie kaum noch Aktionen zeigen
oder Handlungen anbieten, weil sie in ständiger Angst vor dem für sie
unkalkulierbaren Strafreiz leben. Um diesen Tieren - und ihren verzweifelten
Haltern - zu helfen, braucht es ein meist lang angelegtes, gut durch-dachtes
Training, das den Hund aus dieser erlernten Hilflosigkeit und seinen
vielfältigen Ängsten wieder herausholt.
Sprühhalsbänder gaukeln dem Hundehalter vor, mal eben schnell per
Fernbedienung eine Lösung für vermeintliche oder tatsächlich entstandene
Probleme zu haben. Aber so einfach ist das nicht. Hunde sind uns
anvertraute, fühlende und denkende Lebewesen, die nicht beliebig
manipulierbar sind und deren Lernverhalten sich von dem unseren ganz
erheblich unterscheidet. Ich kann deshalb nur dringend empfehlen, jeden
Ausrüstungsgegenstan d und jede Methode, der/ die durch Hersteller oder
Trainer empfohlen wird, vor Anwendung am Hund genau zu prüfen, sich gut zu
informieren und im Zweifelsfall nach dem guten alten Motto zu entscheiden,
das auch für unsere Hunde gelten sollte: Was Du nicht willst, das man Dir
tu, das füg auch keinem anderen zu.
Clarissa v. Reinhardt animal learn
P.S.: Hiermit lade ich alle Hundefreunde ein, bei der Verbreitung dieses
Textes zu helfen. Ich erlaube als Autorin ausdrücklich, ihn (vollständig und
unverändert und unter Nennung der Quelle) auf anderen Homepages zu
veröffentlichen, auszudrucken und zu verteilen oder auf ihn hinzuweisen. Je
mehr Menschen um die Tücken und Gefahren des Sprühhalsbandes wissen, je mehr
Hunden bleibt dessen Anwendung - hoffentlich - erspart. Ein herzliches DANKE
an jeden, der diesen Text weiter gibt.