Sticha Georg
Super Knochen
An Ned und den Rest der ......................
Herr Turner, warum werden Hunde zu reissenden Bestien?
Zum Glück passiert das im Verhältnis zum Vorkommen des Hundes in westlichen Gesellschaften äusserst selten. Hunde wie jene, die kürzlich zum tragischen Todesfall eines Kindes führten, werden zu reissenden Bestien gemacht: entweder durch (falsche) Zuchtauswahl, nichttiergerechte Haltung oder durch absichtliches Abrichten. Alle drei Gründe sind auf menschliches Tun (oder Nicht-Tun) zurückzuführen. Hinzu kommt die Tatsache, dass gewisse Reize - z. B. das Fliehen einer «Beute» - viele Hunde in einen höheren Erregungszustand versetzen. Wenn mehrere Hunde zusammen sind, erregen sie sich gegenseitig während eines Angriffs noch mehr.
Sind potenziell alle Hunde gefährlich?
Ein gewisses Mass an «Aggressivität» gehört zur sozialen Organisationsform des Hundes. Das ist normal und verursacht in der Regel keine Probleme im menschlichen «Rudel». Hunde jeder Rasse können Aggression gegenüber Artgenossen und Menschen zeigen. Und jeder Hund kann einmal einen Menschen beissen. Die potenzielle Gefährlichkeit hängt unter anderem davon ab, wie gross und schwer der Hund ist.
Warum gilt der Schäferhund, der viele Bissunfälle verursacht, nicht als Kampfhund?
Der Schäferhund gehört zu den Schutzhunden wie auch der Dobermann und der Rottweiler. Die Schutzhunderassen zeigen generell ein höheres Aggressionspotenzial, gleichzeitig jedoch eine sehr gute Ausbildungseignung und sehr niedrige «Reaktivität». Letzteres heisst, dass sie einen ruhigen, wenn auch selbstsicheren Charakter haben. Und das heisst weiter, dass sie - wenn sie in den Händen erfahrener Hundehalter sind - problemlos mit uns Menschen leben können. Aber auch hier ist - wegen der Körpergrösse - Vorsicht geboten. Grundsätzlich ist zu sagen, dass der Laie (und manchmal der Politiker!) oft fälschlicherweise den Begriff «Kampfhund» für «aggressive Rassen» verwendet und dass Rassenlisten von «gefährlichen Hunden» oft eine «Handgelenk mal Pi»-Lösung ohne Rücksicht auf vorhandene Daten darstellen.
Ist die Hundeattacke von Oberglatt ein Einzelfall, oder rechtfertigt sie Massnahmen für die Haltung aller Hunde?
Es ist ein sehr tragischer Einzelfall. Das heisst aber nicht, dass wir nicht in der Lage sind, die Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung zu reduzieren. Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. Massnahmen sind angesagt, und sowohl das Bundesamt für Veterinärwesen (BVet) wie auch die kantonalen Veterinärämter sind dazu bereit. Aber die Behörden wissen sicher auch: Die Massnahmen müssen jene Hunde (nicht unbedingt Rassen) und Halter treffen, die eine potenzielle Gefahr darstellen. Sie sollen das Leben der Tausende von Hundehaltern, die friedlich und verantwortungsvoll mit ihren Hunden umgehen, nicht erschweren.
Was halten Sie von einem Verbot gewisser Rassen . . .
Das sollte schon klar sein - gar nichts!
. . . von einem generellen Leinen- und/oder Maulkorbzwang . . .
Von einem generellen Maulkorbzwang halte ich auch nichts, es sei denn als Alternative zum Einschläfern eines einzelnen, verhaltensauffälligen Hundes. Einen generellen Leinenzwang für Hunde (ab einer bestimmten Grösse) in der Öffentlichkeit könnte oder würde ich nur empfehlen, wenn die Gemeinden bestimmte offene Areale bezeichnen, wo die Halter ihre Hunde von der Leine nehmen dürfen. Dies, weil die ständige Leinenführung im menschlichen Schritttempo nicht artgerecht ist, wie es unser Tierschutzgesetz verlangt. Hunde müssen irgendwo frei herumtoben und spielen können, um mental und physisch fit zu bleiben. Man muss aber auch wissen, dass Anleinen zu einer gesteigerten Selbstsicherheit des Hundes führen kann, was bei der Begegnung mit einem anderen Hund (oder Menschen) nicht unbedingt vorteilhaft ist.
. . . von einer Bewilligungspflicht bzw. Eignungsprüfung für die Haltung bestimmter Hunde . . .
Ich halte die landesweite Einführung einer Bewilligungspflicht für alle Hunde ab einem noch zu definierenden, wissenschaftlich bestimmbaren Risikograd für äusserst sinnvoll. Anstatt einer Eignungsprüfung für die Haltung von Hunden ab diesem bestimmten Risikograd würde ich einen einwandfreien Leumund als Vorbedingung für eine Haltebewilligung verlangen. Um den Risikograd zu bestimmen, müssen das Körpergewicht und ein Faktor, welcher das Aggressionspotenzial anhand früherer Biss-Statistiken bei Rassehunden und Mischlingen erfasst, berücksichtigt werden.
. . . von einer generellen Pflicht für alle Hundehalter, einen Kurs zu absolvieren?
Mehr Wissen über Hunde und ihre Bedürfnisse schadet sicher nicht. Das kann man sich aber aus Broschüren und Büchern aneignen. Dass die in einem obligatorischen Kurs für zukünftige Hundehalter vermittelten Informationen mehr Wirkung zeigen, bezweifle ich. Allerdings sollte jeder Hund einen guten Grunderziehungskurs mit seinem Halter absolviert haben. Das Problem liegt hier bei der sehr unterschiedlichen Qualität solcher Kurse und der Qualitätskontrolle der Hundeinstruktoren selber. Ich bin aber zuversichtlicher, seitdem es die «eduQua»-zertifizierten Hundeinstruktoren-Kurse der Stiftung für das Wohl des Hundes gibt.
Welche Massnahmen zum Schutz vor Biss-Attacken erachten Sie als die besten?
Die Bestimmung eines akzeptablen Risikogrades für alle Hunde ab einer bestimmten Körpergrösse. Unter diesem Risikograd ist nichts zu unternehmen (ausser bei wiederholter Meldung von aggressivem Verhalten). Über diesem Risikograd - und nur dann: eine unabhängige Kontrolle der Aufzuchtbedingungen bei reinrassigen Tieren durch Fachexperten; die Einführung einer landesweiten Haltebewilligungspflicht mit einwandfreiem Leumund als Voraussetzung; Leinenpflicht in der Öffentlichkeit mit der Auflage an Gemeinden, offene Areale als «leinenfreie» Plätze zu bezeichnen; die Einführung einer zentralen Meldestelle und eine Meldepflicht für Bissverletzungen bei Menschen und Hunden; bei einer zweiten Meldung desselben Hundes braucht es ein konsequentes Eingreifen der kantonalen Veterinärämter. Ferner die Einführung eines Obligatoriums für einen Hundeerziehungskurs, sobald die Qualitätskontrolle der Hundeinstruktoren gewährleistet ist. Ich möchte dabei daran erinnern, dass die grosse Mehrheit der Hunde problemlos sind und als echte Familienmitglieder betrachtet und geliebt werden.
Was raten Sie Menschen, die Angst vor Hunden haben?
Erstens sollte man sich abschirmen von den Boulevard-Schlagzeilen, die es nach einem solchen - wohlverstanden - tragischen Vorfall wie demjenigen von Oberglatt gibt. Und man sollte sich nicht an zu emotionalen Stammtisch-Diskussionen beteiligen. Zweitens sollte man versuchen, Kontakt mit einem Halter der über 450 000 problemlosen Hunde in der Schweiz aufzunehmen, oder an einem Seminar für Leute mit Hunde- Angst teilnehmen. Wenn es sich drittens um eine hochgradige Hunde-Phobie handelt, sollte man professionelle Hilfe holen, da Hunde - wie während der letzten 15 000 Jahre - den Menschen immer begleiten werden.
Interview: crz.
* Dennis C. Turner ist Privatdozent für Verhaltenskunde der Kleintiere an der Universität Zürich und Direktor des Instituts für angewandte Ethologie und Tierpsychologie in Hirzel.
Ich hoffe, daß man nun diesen Mann nicht auch (so wie mir) Einseitigkeit unterstellt
mfg
Sticha Georg
Herr Turner, warum werden Hunde zu reissenden Bestien?
Zum Glück passiert das im Verhältnis zum Vorkommen des Hundes in westlichen Gesellschaften äusserst selten. Hunde wie jene, die kürzlich zum tragischen Todesfall eines Kindes führten, werden zu reissenden Bestien gemacht: entweder durch (falsche) Zuchtauswahl, nichttiergerechte Haltung oder durch absichtliches Abrichten. Alle drei Gründe sind auf menschliches Tun (oder Nicht-Tun) zurückzuführen. Hinzu kommt die Tatsache, dass gewisse Reize - z. B. das Fliehen einer «Beute» - viele Hunde in einen höheren Erregungszustand versetzen. Wenn mehrere Hunde zusammen sind, erregen sie sich gegenseitig während eines Angriffs noch mehr.
Sind potenziell alle Hunde gefährlich?
Ein gewisses Mass an «Aggressivität» gehört zur sozialen Organisationsform des Hundes. Das ist normal und verursacht in der Regel keine Probleme im menschlichen «Rudel». Hunde jeder Rasse können Aggression gegenüber Artgenossen und Menschen zeigen. Und jeder Hund kann einmal einen Menschen beissen. Die potenzielle Gefährlichkeit hängt unter anderem davon ab, wie gross und schwer der Hund ist.
Warum gilt der Schäferhund, der viele Bissunfälle verursacht, nicht als Kampfhund?
Der Schäferhund gehört zu den Schutzhunden wie auch der Dobermann und der Rottweiler. Die Schutzhunderassen zeigen generell ein höheres Aggressionspotenzial, gleichzeitig jedoch eine sehr gute Ausbildungseignung und sehr niedrige «Reaktivität». Letzteres heisst, dass sie einen ruhigen, wenn auch selbstsicheren Charakter haben. Und das heisst weiter, dass sie - wenn sie in den Händen erfahrener Hundehalter sind - problemlos mit uns Menschen leben können. Aber auch hier ist - wegen der Körpergrösse - Vorsicht geboten. Grundsätzlich ist zu sagen, dass der Laie (und manchmal der Politiker!) oft fälschlicherweise den Begriff «Kampfhund» für «aggressive Rassen» verwendet und dass Rassenlisten von «gefährlichen Hunden» oft eine «Handgelenk mal Pi»-Lösung ohne Rücksicht auf vorhandene Daten darstellen.
Ist die Hundeattacke von Oberglatt ein Einzelfall, oder rechtfertigt sie Massnahmen für die Haltung aller Hunde?
Es ist ein sehr tragischer Einzelfall. Das heisst aber nicht, dass wir nicht in der Lage sind, die Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung zu reduzieren. Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. Massnahmen sind angesagt, und sowohl das Bundesamt für Veterinärwesen (BVet) wie auch die kantonalen Veterinärämter sind dazu bereit. Aber die Behörden wissen sicher auch: Die Massnahmen müssen jene Hunde (nicht unbedingt Rassen) und Halter treffen, die eine potenzielle Gefahr darstellen. Sie sollen das Leben der Tausende von Hundehaltern, die friedlich und verantwortungsvoll mit ihren Hunden umgehen, nicht erschweren.
Was halten Sie von einem Verbot gewisser Rassen . . .
Das sollte schon klar sein - gar nichts!
. . . von einem generellen Leinen- und/oder Maulkorbzwang . . .
Von einem generellen Maulkorbzwang halte ich auch nichts, es sei denn als Alternative zum Einschläfern eines einzelnen, verhaltensauffälligen Hundes. Einen generellen Leinenzwang für Hunde (ab einer bestimmten Grösse) in der Öffentlichkeit könnte oder würde ich nur empfehlen, wenn die Gemeinden bestimmte offene Areale bezeichnen, wo die Halter ihre Hunde von der Leine nehmen dürfen. Dies, weil die ständige Leinenführung im menschlichen Schritttempo nicht artgerecht ist, wie es unser Tierschutzgesetz verlangt. Hunde müssen irgendwo frei herumtoben und spielen können, um mental und physisch fit zu bleiben. Man muss aber auch wissen, dass Anleinen zu einer gesteigerten Selbstsicherheit des Hundes führen kann, was bei der Begegnung mit einem anderen Hund (oder Menschen) nicht unbedingt vorteilhaft ist.
. . . von einer Bewilligungspflicht bzw. Eignungsprüfung für die Haltung bestimmter Hunde . . .
Ich halte die landesweite Einführung einer Bewilligungspflicht für alle Hunde ab einem noch zu definierenden, wissenschaftlich bestimmbaren Risikograd für äusserst sinnvoll. Anstatt einer Eignungsprüfung für die Haltung von Hunden ab diesem bestimmten Risikograd würde ich einen einwandfreien Leumund als Vorbedingung für eine Haltebewilligung verlangen. Um den Risikograd zu bestimmen, müssen das Körpergewicht und ein Faktor, welcher das Aggressionspotenzial anhand früherer Biss-Statistiken bei Rassehunden und Mischlingen erfasst, berücksichtigt werden.
. . . von einer generellen Pflicht für alle Hundehalter, einen Kurs zu absolvieren?
Mehr Wissen über Hunde und ihre Bedürfnisse schadet sicher nicht. Das kann man sich aber aus Broschüren und Büchern aneignen. Dass die in einem obligatorischen Kurs für zukünftige Hundehalter vermittelten Informationen mehr Wirkung zeigen, bezweifle ich. Allerdings sollte jeder Hund einen guten Grunderziehungskurs mit seinem Halter absolviert haben. Das Problem liegt hier bei der sehr unterschiedlichen Qualität solcher Kurse und der Qualitätskontrolle der Hundeinstruktoren selber. Ich bin aber zuversichtlicher, seitdem es die «eduQua»-zertifizierten Hundeinstruktoren-Kurse der Stiftung für das Wohl des Hundes gibt.
Welche Massnahmen zum Schutz vor Biss-Attacken erachten Sie als die besten?
Die Bestimmung eines akzeptablen Risikogrades für alle Hunde ab einer bestimmten Körpergrösse. Unter diesem Risikograd ist nichts zu unternehmen (ausser bei wiederholter Meldung von aggressivem Verhalten). Über diesem Risikograd - und nur dann: eine unabhängige Kontrolle der Aufzuchtbedingungen bei reinrassigen Tieren durch Fachexperten; die Einführung einer landesweiten Haltebewilligungspflicht mit einwandfreiem Leumund als Voraussetzung; Leinenpflicht in der Öffentlichkeit mit der Auflage an Gemeinden, offene Areale als «leinenfreie» Plätze zu bezeichnen; die Einführung einer zentralen Meldestelle und eine Meldepflicht für Bissverletzungen bei Menschen und Hunden; bei einer zweiten Meldung desselben Hundes braucht es ein konsequentes Eingreifen der kantonalen Veterinärämter. Ferner die Einführung eines Obligatoriums für einen Hundeerziehungskurs, sobald die Qualitätskontrolle der Hundeinstruktoren gewährleistet ist. Ich möchte dabei daran erinnern, dass die grosse Mehrheit der Hunde problemlos sind und als echte Familienmitglieder betrachtet und geliebt werden.
Was raten Sie Menschen, die Angst vor Hunden haben?
Erstens sollte man sich abschirmen von den Boulevard-Schlagzeilen, die es nach einem solchen - wohlverstanden - tragischen Vorfall wie demjenigen von Oberglatt gibt. Und man sollte sich nicht an zu emotionalen Stammtisch-Diskussionen beteiligen. Zweitens sollte man versuchen, Kontakt mit einem Halter der über 450 000 problemlosen Hunde in der Schweiz aufzunehmen, oder an einem Seminar für Leute mit Hunde- Angst teilnehmen. Wenn es sich drittens um eine hochgradige Hunde-Phobie handelt, sollte man professionelle Hilfe holen, da Hunde - wie während der letzten 15 000 Jahre - den Menschen immer begleiten werden.
Interview: crz.
* Dennis C. Turner ist Privatdozent für Verhaltenskunde der Kleintiere an der Universität Zürich und Direktor des Instituts für angewandte Ethologie und Tierpsychologie in Hirzel.
Ich hoffe, daß man nun diesen Mann nicht auch (so wie mir) Einseitigkeit unterstellt
mfg
Sticha Georg
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