Nicht therapierbar?

S

salinoa2000

Guest
@all: Eine etwas längere Geschichte ...


Meine Freundin nahm vor etwa 8 Jahren eine kleine Jack Russell-Mix-Hündin, Gundi, damals 7 Monate alt, als Zweithund aus einem Tierheim. Der Hund war vorher bei einer jungen Familie mit etlichen Kindern gewesen, wurde im Alter von 4 Monaten von dort wegen Misshandlung per AmtsTA ins TH gebracht. Vom TH nach 3 Monaten abgegeben als "nicht mehr bissig", also quasi enttraumatisiert.

Nach einiger Zeit stellte sich heraus, dass Gundi erstens Epileptikerin ist (Schlagverletzung auf Schädel der längste Anfall hat drei Stunden gedauert!! ist jetzt aber super eingestellt, Anfälle kommen nur noch ganz selten) und zweitens ein Projektil in der Schulter stecken hat. Sie muss also in ihren ersten 4 Lebensmonaten die Hölle durchgemacht haben!

Nach erstaunlich kurzer Eingewöhnungszeit (die sicher auch dem Ersthund Ina zu verdanken war) war nun folgendes zu bemerken: Gundi rannte zu jedem Menschen auch wenn er 50 m oder weiter entfernt war - hin, biss zu und kam wieder zurück. Bestimmte Kleidung, bestimmte Accessoires (Handtaschen, Schirme etc.) oder auch nur bestimmte Bewegungen oder Kleidungsstücke waren jeweils Auslöser.

Also erst mal Flexileine. Dann Hundeschule. Dann Privattrainer. Meine Freundin ist schon in ein Haus mit Garten übersiedelt wegen dieses Hundes, weil sie in der Stadt nur noch im Stress war (z.B. wenn ein netter Nachbar ihr das Haustor aufhalten wollte, konnte sie mit dem Hund nicht vorbei gehen, auch nicht mit Maulkorb, enge Gehsteige waren eine einzige Katastrophe etc.).

Besonders schlimm wurde Gundis Verhalten, als Ersthund Ina verstarb: Plötzlich war eine wichtige Orientierungshilfe weg! Meine Freundin holte wieder eine Hündin, ein Jahr jünger als Gundi, aus dem TH dazu. Gundi war ab diesem Zeitpunkt "Chefin" und damit ist sie bis dato heillos überfordert. Dazu kommt, dass die hinzugekommene Foxi immer noch nichts lieber tut als einfach faul herumzuliegen. Gundis Spielaufforderungen werden von ihr meist nur halbherzig angenommen.


Heute ist es so, dass jeder Mensch, der in Gundis Nähe kommt, auf seine Beinbewegungen achten muss, um nicht von ihr gebissen zu werden (einzige Ausnahme ist Frauli). Mich hat sie auch schon mehrmals ordentlich gezwackt, obwohl sie mich von Anfang an kennt. Es genügt, einen Ball anzukicken, und Madame Gundi rast herbei. Wenn man sie rechtzeitig sieht, genügt ein scharfes "Guuuundi! Aus!" oder "Ich bin's nur!", und sie bleibt wie angewurzelt stehen - als käme sie in diesem Moment zu sich.
Zwei Minuten später sitzt sie auf dem Schoß und lässt sich kraulen, weitere zwei Minuten später beißt sie wieder zu, falls man seine Beine nicht kontrolliert setzt.


Meine Freundin hat's nach gut 8 Jahren aufgegeben, den Hund zu therapieren. Ich aber kann und will nicht glauben, dass man da so gar nix mehr machen kann!

Habt ihr noch Ideen?


Lg
Heidi&Sali&Noa
 
Hallo!

Hast schon mal mit Georg Sticha gesprochen? Er könnte eventuell noch helfen.
Was mir auffällt an deiner Beschreibung über das Verhalten ist, dass sie manchmal die Leute die sie eingentlich schon kennt nicht mehr erkennt. Das kann schon auch von der Epilepsie kommen. Epileptiker müssen nicht immer notgedrungen schwerde Anfälle haben. Es gibt Fälle da haben sie nur kurze Aussetzer die man gar nicht mitbekommt. Oft sehen sie in der Zeit auch nichts oder einfach schlechter. Könnte ein Grund sein warum sie manchmal beißen will und manchmal friedlich ist.
Ich hoffe für deine Freundin dass es sich bessert. Und ich bewundere sie ehrlich für die Energie die sie für die Kleine aufwendet!
Lg Tanja & Simba
 
wow!
wirklich hut ab vor deiner freundin! :eek: so manch anderer hätte sie einfach ins th zurückgebracht und das wärs dann gewesen für gundi....
obwohl es mich auch so schockiert, was menschen aus einem hund machen können :( :confused: da fehlen mir die worte.

weiß da leider keinen rat, sorry!!!

aber informier uns ruhig weiter, wie es mit gundi weiter geht!
drücke fest die daumen
 
Sticha Georg schrieb:
@salinoa

Hallo;

komm einfach mal vorbei oder ruf an 0676-3594903, ich schau mir den Hund an.

mfg
Sticha Georg

www.top-dog.at
Vielen Dank, werd's ihr auf jeden Fall sagen. Sie ist halt schon ziemlich sch*** drauf ... :o Wär auf jeden Fall eine Herausforderung, denn vor fremden Männern fürchtet sich Gundi am allermeisten! :D
@Simba: Diese Aussetzer haben garantiert mit der Epilepsie zu tun bzw. mit einem Hirnschaden. Für "Eingeweihte" wie mich ist Gundi ja auch kein Problem mehr - wenn man weiß, wie man sie nehmen muss.
Ich kenn halt Situationen (Handwerker, Besuche etc.), da muss der Hund dann entweder an der Leine hängen oder weggesperrt werden.
Vor Silvester fürchten wir uns auch schon - Knall, und Gundi ist ein Nervenbündel. Was man bei ihrer Vorgeschichte noch besser verstehen kann als bei jedem anderen Hund! :(
Danke erst mal für eure Antworten, ich halt euch auf dem Laufenden! :)

Lg
Heidi&Sali&Noa
 
Hallo, Salinoa!

Zitat: ...und sie bleibt wie angewurzelt stehen - als käme sie in diesem Moment zu sich.

Ist es durch einen (kompetenten und in Hundeverhalten versierten) Tierarzt abgeklärt, daß diese Reaktion von der Epilepsie kommt? Oder ist es vielleicht so, daß ihr Aggressionsverhalten durch ihre große Angst vor Menschen einfach ausgelöst wird und sich diese Anspannung erst löst, nachdem sie gebissen hat bzw. nachdem sie angesprochen wird?

Zitat: Es genügt, einen Ball anzukicken, und Madame Gundi rast herbei.

Verstehe ich das richtig und Du meinst, daß Gundi auf die Beinbewegung reagiert und nicht auf den gekickten Ball (Beute)? Wenn ja, warum wird dann in Ihrer Nähe der Ball gekickt, wenn dadurch das Negativverhalten ausgelöst wird?

Grundsätzlich glaube ich, daß mit klassischem Hundetraining wie es in den meisten Hundeschulen angeboten wird, Gundis Problem nicht gelöst werden kann. Auch der Versuch einer Verhaltenskorrektur durch diverse Hundetherapeuten wird ohne begleitende Maßnahmen wohl nur viel Geld kosten, Gundi aber nicht wirklich helfen. Ein Hundeplatz ist eine fremde Umgebung. Eine fremde Umgebung bedeutet Streß für den Hund und somit eine Verstärkung ihrer Angst. Mit begleitenden Maßnahmen meine ich z.B. Homöopathie, Bachblüten, ev. der Einsatz von Pheromonen usw. Wurde in diese Richtung mit der Hündin schon etwas versucht?

Bevor Du oder ihre Besitzerin irgendwelche weitere Versuche der Therapie unternehmt, empfehle ich Euch, zwei Bücher aus dem Animal Learn Verlag zu lesen:

Streß bei Hunden von Clarissa von Reinhard und Martina Nagel, sowie
Das Aggressionsverhalten des Hundes von James OHeare

Die sind beide bei Libernovus im 3. Bezirk erhältlich oder direkt bei Animal Learn.

Vor jedem weiteren Versuch der Verhaltenskorrektur, ist es unbedingt erforderlich, ein Alternativverhalten (entweder Unterbrechung des Negativverhaltens durch Ablenkung mit Sozialkontakt, Futter, Beute; oder dessen Unterbrechung durch ein Gehorsamskommando Sitz oder Platz) sicher einzuüben, um Gundi positiv darin zu bestärken, etwas anderes zu tun. Clickertraining könnte hier zur Vertrauensbildung beitragen.

Zitat: Gundi war ab diesem Zeitpunkt "Chefin" und damit ist sie bis dato heillos überfordert.

Also ich glaube nicht daran, daß Gundi sich als Chefin ihres Mensch - Hund Sozialsystems versteht. Daß sie mit ihrer Umwelt heillos überfordert ist, glaube ich jedoch sofort. Ob Gundis Verhalten durch ihre Besitzerin bzw. durch andere Umwelteinflüsse auch noch bestärkt wird, läßt sich nur durch Beobachtung in ihrem ureigensten Umfeld feststellen.

Noch mehr im Forum zu theoretisieren hat wohl keinen Sinn. Vielleicht hilft Euch dieser Beitrag, neue Ansätze im Zusammenleben mit Gundi zu finden. Ich glaube prinzipiell schon, daß es eine Chance gibt, Gundis ein etwas angstfreieres Leben - und somit ein Leben mit weniger Aggression zu ermöglichen. Eine 100prozentige Sicherheit wird es aber nie geben.

Solltest Du/Ihr einen Tierarzt benötigen, der Erfahrung und Einfühlungsvermögen in der Arbeit mit schwierigen Hunden hat, kann ich Dir gerne jemanden empfehlen. Schreib mir dazu einfach ein Mail.

Mit freundlichen Grüßen, Andreas MAYER
 
du könntest es auch beim prof. bubna-littitz von der vet.med versuchen. is ein ganz ein lieber und kennst sich super aus.

dani&siqua, schnuffelchen und ich besuchen seine vorlesung "verhaltensstörungen beim hund"...

ich kann dir hier in bisl was aus meinen unterlagen rausschreiben...

habt ihr schon versucht herauszufinden, was der auslöser des aggressiven verhaltens ist?
bestimmte bewegungen, geräusche....

dann könnte man nämlich anfangen, zu desensibilisieren.

hm das wäre dann so, dass ein fremder zb. eben einen ball kicken muss, der hund ist inzwischen an der leine und abgelegt. immer wenn sie ruhig bleibt, gibts leckerli. wenn sie knurrt oder aufspringt, kein leckerli.
man muss das dann so weiterführen, dass der mensch immer näher kommt, bis er schließlich den ball vor em hund kicken kann ohne dass sie aggressiv darauf reagiert. is viel arbeit aber ich denk mal es zahlt sich aus....

macht der hund das nur bei fremden/besuchern etc.... kann man versuchen (sofern der hund gut abgerichtet ist) den hund abzulegen, wenn er anfängt zu knurren. nie mit gewalt zu den "verhassten" menschen bringen.

hm das ist eigentlich alles was ich hier zum thema aggression stehen hab, was zu diesem beitrag passt. wie gesagt, du könntest den bubna littitz mal anrufen und fragen (kostet ja nix) und ihm mal aufzählen was du für vorschläge bekommen hast...
er wird dir schon sagen was richtig für den wuffl ist...da bin ich mir sicher.

lg, sonja
 
oililly schrieb:
du könntest es auch beim prof. bubna-littitz von der vet.med versuchen. is ein ganz ein lieber und kennst sich super aus.
Bei Bubna-Littitz waren sie schon vor einigen Jahren. Ich war nicht dabei und kann mich nur ungefähr an den Bericht meiner Freundin erinnern, nämlich, dass er ihr die Ursache für Gundis aggressives Verhalten erklärt habe, und das wusste sie ja selbst schon vorher. Der Besuch war nicht grade "abendfüllend", zumal Gundi Panik vor ihm hatte.
Was den Ball betrifft: Es geht nicht um den Ball, der war nur ein Beispiel, es geht um bestimmte Beinbewegungen wie eben Kicken, Stampfen, alles halt, was für den (noch dazu recht kleinen) Hund bedrohlich scheint. Der Ball als Beute-Gegenstand ist ihr wurscht.
Es geht ihr auch nicht um bestimmte Personen, nur um deren Bewegungen oder "Accessoires".
Das zusätzliche Problem ist und war ja immer auch die Epilepsie: Hat man beim Versuch, sie zu desensibilisieren, nur geringfügig ihre "Panik-Grenze" überschritten - was ja sehr rasch geschehen kann bei so einem Hund - hat das sofort einen Anfall provoziert.
Lg
Heidi&Sali&Noa
 
Hallo Andreas!
Andreas MAYER schrieb:
Zitat: ...und sie bleibt wie angewurzelt stehen - als käme sie in diesem Moment zu sich.
Ist es durch einen (kompetenten und in Hundeverhalten versierten) Tierarzt abgeklärt, daß diese Reaktion von der Epilepsie kommt? Oder ist es vielleicht so, daß ihr Aggressionsverhalten durch ihre große Angst vor Menschen einfach ausgelöst wird und sich diese Anspannung erst löst, nachdem sie gebissen hat bzw. nachdem sie angesprochen wird?
Diese Reaktion kommt wahrscheinlich nicht von der Epilepsie, hat aber indirekt damit zu tun, denn befundet wurde eine Epilepsie in Folge eines schweren Schädel-Hirn-Traumas (Schläge auf den Kopf). Sehr wahrscheinlich ist es so, dass die Anspannung gelöst wird, so bald sie zugebissen hat bzw. angesprochen wird.

Zitat: Es genügt, einen Ball anzukicken, und Madame Gundi rast herbei.
Verstehe ich das richtig und Du meinst, daß Gundi auf die Beinbewegung reagiert und nicht auf den gekickten Ball (Beute)? Wenn ja, warum wird dann in Ihrer Nähe der Ball gekickt, wenn dadurch das Negativverhalten ausgelöst wird?
Es wird in ihrer Nähe normalerweise kein Ball gekickt! Man kann solche Situationen aber manchmal nicht vermeiden. Es gibt nun mal auch spielende Kinder.

Homöopathie, Bachblüten, ev. der Einsatz von Pheromonen usw. Wurde in diese Richtung mit der Hündin schon etwas versucht?
Jawohl! Meine Freundin hat u.a. sogar einen "Bachblüten-Kurs" absolviert ...

Zitat: Gundi war ab diesem Zeitpunkt "Chefin" und damit ist sie bis dato heillos überfordert.
Also ich glaube nicht daran, daß Gundi sich als Chefin ihres Mensch - Hund Sozialsystems versteht.
Damit war nicht "Chefin im Mensch-Hund-System", sondern im "Hund-Hund-System" gemeint.

Ich glaube prinzipiell schon, daß es eine Chance gibt, Gundi ein etwas angstfreieres Leben - und somit ein Leben mit weniger Aggression zu ermöglichen. Eine 100prozentige Sicherheit wird es aber nie geben.
Gundi lebt jetzt zu - na, sagen wir mal - 95% angst- und stressfrei, da meine Freundin wie beschrieben in ein Haus mit großem Garten gezogen ist, wo Gundi sich sicher fühlt. Die restlichen 5% werden wir auch noch hinkriegen! :)

Vielen Dank für die vielen Tipps. Ich werd sie gleich morgen meiner Freundin zeigen!
Lg
Heidi&Sali&Noa
 
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