Das mit dem Freilauf funktioniert aber auch nur wirklich in der Praxis, wenn es sich um für die Umwelt mehr oder weniger harmlose Kleinhunde handelt, und die müssen auch noch gut erzogen sprich abrufbar sein. Oder man hat Hunde, die absolut zuverlässig nicht jagen und befindet sich zusätzlich in einer besonders einsamen Gegend.
In den allermeisten Fällen also: leider nicht praktikabel.
Kurze Zeit hatte ich 3 Hunde, mit denen ich in der Natur in bekannter Umgebung ohne Leine gehen konnte.
Willkommen in der Großstadt, Cato.
Ich gehe seit 24 Jahren mit freilaufenden Hunden durch Wien. Die Hunde wogen/wiegen 23, 22, 27 und 11kg.
13 Jahre lang waren es zwei Hunde, insgesamt 55kg. Mein Tierarzt hat öfter mal 3 große Hunde dabei. Der Tierarzt nahm während des ersten Lockdowns dankenswerterweise auch meinen Rüden mit. Macht zwei eigene, große Hunde und ein fremder. Die drei haben niemanden zerfleischt. Mein Hund wäre nie auf die Idee gekommen, der heißgeliebten Spritzentante weniger gut zu folgen als mir.
Es ist völlig normal, sich mit 2 großen, kurz angeleinten Hunden in dichtem Gedränge zu bewegen. Das geht hier gar nicht anders.
Es ist auch völlig normal, dass freilaufende Hunde und der Rest der Welt in Auslaufgebieten Nahkontakte haben. Hier sportelt öfter mal ein Gymnasium durch den Hundeauslauf, etliche schreiende Sportlehrer und geschätzt 200 Kinder am Orientierungslauf zwischen Hunden jeglicher Größe.
Wenn man sicheren Rückruf, Wildreinheit und eigenständiges "Fuß" (ohne Kommando!) als High-end der Erziehung oder "nur für 3kg-Hunde" ansieht..... wäre es wirklich besser, auf Hundehaltung zu verzichten.
Eigentlich ist das ja eigentlich basalste Grunderziehung.
Die Leine und der Maulkorb können, wie spätestens via "Elmo" bewiesen, kraft Masse x Beschleunigung keine schweren Verletzungen verhindern. Der Amstaff hätte ein Kleinkind auch mit perfekt sitzendem Maulkorb töten können. So ein Schädel, Brustkorb, Bauchraum ist schnell eingedrückt. Ist so.
Das Ziel der RASSEWAHL und der Erziehung ist daher immer der sichere Freilauf in jeder Lebenslage.
Der Witz ist, dass sich manche Leute ausdrücklich für Rassen/Mischungen mit geringer Aggressionstendenz und sehr guter Erziehbarkeit entscheiden, auf Genetik/ Herkunft/Sozialisierung achten und intensivst Grunderziehung statt Sport machen. Per se ist das ja nicht kompliziert. Auch wenn ich ganz spontan einen Hund mit heim nehme, kann ich auf die Rasse und die Sozialisierung achten. Dieser Check dauert ja nur Sekunden. Was ist das für ein Hund und hat er vor der 16. Woche eine Umwelt ähnlich meinem Wohnumfeld gesehen?
Andere Leute entscheiden sich aufgrund innerer Schwäche bewusst für eine bellende Waffe oder halbbewusst für rein emotionale "Attribute" des Hundes: So cool, so stark, so exotisch-mondän, moi so arm....
Gruppe A kann man überreden, auf eine vernünftigere Wahl umzuschwenken. Ok, keine Französische Bulldogge, sondern ein Gardshund. Ok, kein Bardino, sondern ein Labrador.
Gruppe B wird jeder Vernunft völlig unzugänglich sein und sich den Köter der Träume schönreden. Die FB hat keine Gesundheitsprobleme, nur rassetypische Besonderheiten, darunter den Termin zur Atemwegs-OP. Der Pitbull ist ein Nanny Dog. Der Deutsche Schäferhund ist ja gerade, man könnte jeden Hund so hinstellen, dass X-Beine und ein Rückenknick auftreten. Der gerettete Straßenhund aus Moldawien hat keine Sozialisierungsdefizite und ist hier sehr glücklich. - "Ich mach mir die Welt, wide wide wie sie mir gefällt....."
Würde ich heute nochmals DSH x Husky wählen? Oder Malinois x Husky, um besserer Gesundheit willen? Nein. Ich hatte Glück, dass er nur mäßig aggressiv war. Er war rassebedingt der schärfste meiner Hunde, aber im Vergleich mit einem reinrassigen DSH sehr gemütlich. Ich würde heute genau das wählen, was ja bei mir lebt: Eine KLEINE und äußerst verträgliche Schäferhundrasse, in deren Zuchtselektion der Schutzdienst keine Rolle spielt. Schäferhunde sollen Schafe hüten, nicht hart an den Ärmel gehen. Schafe dürfen nicht verletzt werden, daher spielt gesteigerte Angriffslust bei der Selektion der Hunde keine Rolle. Ein Schäferhund, der für Schutzdienst taugt, ist eine züchterische Schande. Zerstörte Rassen, nutzlos und gefährlich gemacht ...
Würde ich nochmal Labrador x Setter aus dem urbanen Hinterhof wählen? Ohhh jaaaa. Hier kommen gutmütigste Anlagen mit idealer Sozialisierung auf den modernen Lebensstil zusammen. Einzig das Gewicht stört, mit 60 will ich keine klapprigen 30kg mehr heben/stützen müssen.
R.I.P, mein Loki. Er ist am 5.10. im Alter von 13 Jahren 5 Monaten fortgegangen. 13 Jahre ständiger Freilauf in Wien. Noch immer weiß nicht sein kompletter, riesiger Fanclub, dass er nicht mehr da ist.
Hier hat jemand den älteren Freund und die Aufgabe verloren und ist völlig durch den Wind. Es gibt die Option "Krampus". Vielleicht. Vielleicht im Frühling. Was denkst du, Tierarzt, erster Ansprechpartner?
Die Rasse ja, ist für Randbezirke und Speckgürtel geeignet, wenn auch nicht für Anfänger. Kann man leicht heben, vernünftiger Körperbau, geht nicht nach vorne, verträglich, gut erziehbar. Zwei Stück werden kein Problem sein, auch nicht in 10 Jahren.
Die Sozialisierung, IMMENS wichtig bei dieser genetisch fixierten Erregbarkeit. Import mit viereinhalb Monaten viel zu spät, also das geht gar nicht, das schafft nur Probleme. Deppenregelung. Es wird irgendeinen Weg geben.
Würde ich einen 2jährigen Tornjakmix vom Balkan "retten"? No fuckin' way. Da passt dann gar nichts. Völlig ungeeignete Rasse, nicht sozialisiert, womöglich noch fließbandkastriert. Das darf man den Nachbarn nicht zumuten.
Würde ich einen Amstaff vom FCI-Züchter holen? No fuckin' way. Viel zu inzüchtig. Die Rasse ist aggressiv, war immer aggressiv und wird immer aggressiv sein. Einfach kein Begleithund. Ein Parson mausert auch nicht zur Zwerghasen-Nanny, nur weil man ihn mit Stammbaum versieht und als *awww Knutschkugel* deklariert.
Mehrhundehaltung ist nicht das Problem. Freilauf ist nicht das Problem.
Falsche RASSE, das ist das Problem. Und hier muss der Gesetzgeber mit Rasselisten und Genehmigungspflichten regulierend in die Selbstenfaltung der werten Mitmenschen eingreifen.
Die Frage muss lauten: "Welchen berechtigten Grund haben Sie, gerade diese Züchtung zu wählen?"
Das würde ich für meinen Mudi so beantworten: Ich werde älter und kann große Rassen nicht mehr so leicht heben. Ich möchte einen kontinentalen Schäferhund, aber ohne Selektion für den Schutzdienst. Das wäre mir zu riskant, ich brauche einen sehr verträglichen Hund. Der Klimawandel ist für mich erschreckend in seinem Tempo, ich möchte daher eine heimische Rasse mit Wurzeln in der K&K-Monarchie, die hoffentlich das pannonische Klima noch erträgt, selbst wenn es sich verstärkt. Die von mir angepeilte Rasse weist (wenn ich merle/dilute meide) keine Qualzuchtmerkmale auf. Die von mir angepeilte Rasse wird in der bekannten Bannasch-Studie als ausreichend heterozygot beurteilt, daher darf ich auf besser kalkulierbare Tierarztkosten hoffen. Die von mir angepeilte Rasse war in ihrer gesamten Geschichte in kleinbäuerlichem Umfeld und als Begleithund zu finden.
Wie könnte ich eine Begründung für einen Amstaff oder Kangal - oder auch einen Anglo-Francais - als Begleithund abgeben? Es gibt keinen Grund, diese Rassen als Begleithund zu halten. Dutzende andere Rassen sind besser geeignet.
Willst du einen großen, gelben Hund, dann nimmst du den Broholmer - und nicht den Kangal. Den Kangal darfst dir nur halten, wenn du Schafbauer mit Wolfsproblem bist. Aus. 15 Huskies haben im Zeitalter alpiner Gletscherschmelze keine Berechtigung, somit braucht auch niemand eine (verwahrloste) Zucht im Waldviertel betreiben....
"Berechtigtes Interesse" muss der Schlüssel zu gesetzlichen Regelungen sein. "Berechtigtes Interesse" sowohl hinsicht Rasse als auch hinsichtlich Dritthund. Du willst mehr als zwei carnivore Kuscheltiere, trotz Klimawandel? Wie begründest du das sinnvoll? Hast du ein Zuchtpaar und ein mickriger Welpe muss notgedrungen daheim bleiben? Ok soll sein. Du hast zwei Chis und übernimmst den Peke deiner verstorbenen Nachbarin? Mach das, Danke dafür. Oder sammelst du seltene Hunderassen/Fellfarben/Störungen? Dann reichen dir 2 Stück, aus, Ende. Du brauchst definitiv keinen Bordeaux/Pitmix + Galgo + Pinscher zzgl. zwei Maine Coons. Nein.
Ohne die Rasse sonderlich gut zu kennen bin ich mir völlig sicher, dass ich einen Strakac-Welpen binnen 18 Monaten zum sicheren Begleiter erziehen kann. Natürlich ohne Leine. Und ich bin mir ebenso sicher, dass ich es bei einer Yakutischen Laika (in extrem schicker Farbe, eh klar) nicht hinbekomme.
Die Rasse macht den Hund.