@schnurpsel
Gut,dann hast du schon gehört davon,es ist aber doch eher die Ausnahme.
Vor allem ist es nicht so sensationell. Oder wenn, hört man eher von den Leuten "Tja, sie hätte ja abteiben können!" - wenn das Kind von Anfang an behindert gewesen ist. Kenne ich auch, die Argumentation - und ich finde, es gäbe einen ganzen Haufen wirklich wunderbarer Kinder nicht, wenn das jede machen würde. Ich denke, wir hatten eigentlich unheimlich viel Glück - auch wenn es einige herbe Schnitte gegeben hat zu Menschen, die einfach nicht mit der Situation umgehen konnten oder wo ich dann irgendwann gesagt habe es reicht jetzt, weil ich zu all den Problemen, die ja bei uns aufgetreten sind nicht auch noch jedes "Ohgottohgott, wie schrecklich - aber mir geht es ja vieeeel schlimmer und hast du da schon gelesen und dieser Professor und überhaupt lass bloß keine Chemo machen, daran stirbt das Kind" sowie das Gejammer von "Ohgottohgott, was geht es MIR schrecklich weil DEIN Kind so krank ist..." aushalten und abfangen kann.
Echt, du sitzt wochenlang auf der Intensivstation am Bett vom Kind, weit weg von zu Hause und fühlst dich ziemlich alleine und dann kommen ab und an Leute mal für fünf Minuten und leiern dich voll, wie schrecklich es IHNEN geht, weil DEIN Kind krank ist oder röcheln über die WEihnachtstorte um zu demonstrieren, das sie am Vorabend ja beinahe erstickt wären. Wir saßen etwas fassungslos da und haben nur gedacht: "Schade das du es nicht bist..." bzw. ich habe dazu noch gedacht, das wenn ich diese Szene auch nur geahnt hätte, ihr eine Flassche Domenstos geschenkt hätte. Rachenputzer. Löst jeden Schleim...
Ich versteh deine Anmmerkung nicht ganz:
"aber es befriedigt die Mütter, immer neue Diagnosen zu bekommen, auch wenn die Kinder dafür unangenehme Dinge über sich ergehen lassen müssen."
Es gibt tatsächlich Mütter, die ihre Kinder zu Ärzten schleifen und den Ärzten sonstwas erzählen und das Kind für krank erklären, obwohl es gar nicht so der Fall ist. Und da wird dann billigned mal eben noch eine Blutentnahme in Kauf genommen, noch eine Untersuchung (und die sind nichti mmer alle ganz schmerzfrei. Manche tun auch richtig weh), noch ein Test, das Kind wird quasie zur Marionette und je mehr es "durchmacht" desto "mehr" fühlt sich die Mutter in ihrem Ansehen bestätigt. Wohlgemerkt: das gilt für Kinder, denen im Prinzip wirklich nicht viel fehlt.
Aber es ist ja auch irgendwie immer bei Familienfestten so, sind ältere Leute dabei, kannst du davon ausgehen, das die irgendwann mit ihren Zipperlein anfangen und wenn du Pech hast, gibt es einen inoffiziellen Wettstreit, wer denn wohl die interessantesten Geschichten zum Besten geben kann.
Auf irgend einem Geburtstag mit einigen älteren Leuten bei uns meinte dann die Freundin meines Vaters während des Kuchenessens allen sehr detailliert erzählen zu müssen, wie eine ihrer Enkelinnen ihr Kind verloren hat, wie Blutrünstig das alles war, wie das Mädel sich danach umbringen wollte und wie schrecklich es ihr, der Oma, doch wegen der ganzen Sache geht. Dabei ging es ihr gar nicht so schrecklich, denn sie schaute sehr triumphierend in die Runde, wer diese Geschichte denn nun überbieten könne... die "Aaaahs" und "Ooooohs" waren ihr von den älteren Leuten sicher, die bissige Bemerkung von mir ebenfalls.
Und wenn es danach geht - dein Kind ist ja noch nicht einmal auf der Welt, schon fängt der Vergleich und die Nachfrage von anderen her an - und genau so geht es immer weiter. Manchmal artet es leider dann so aus, das etwas sensationelles hergezaubert werden muss, um mithalten zu können.
Und eigentlich - ich genieße es, das wir jetzt erst mal aus dem Gröbsten raus sind und ich auch wieder richtig entspannen kann. Es hat die letzten Jahre halt gedauert, bis Dinge geklärt waren, wir wussten, was möglich ist und was halt wohl nicht und bis nicht immer gleich wieder eine Alarmglocke losgeschrillt hat, wenn irgendwo was weh getan hat. Ich freue mich über jeden Kram, den wir nicht machen und mittlerweile stelle ich eigentlich eher zufällig fest, das wir zwei Monate nicht zum Blutbild waren und es langsam Zeit wird. Vorher waren es spätestens alle 4 - 5 Wochen, davor noch enger und ganz zu Anfang 2 - 3 mal in der Woche bzw. bei Klinikaufenthalten mitunter täglich.
Deshalb verstehe ich nicht, das andere Leute ihren Kindern Tests und Untersuchungen "antun", auch wenn diese gar keinen notwendigen Hintergrund haben. Vielleicht sind solche Leute einfah zu feige, sich z. B. das eigene Bein halb abzuhaken - weil dann hätten sie ja durchaus was zu erzählen. Aber auch selbst das Unwohlsein und die Schmerzen...