und so stehts in der frankfurter rundschau:
Die hessische Hundeverordnung hat nicht bewirkt, dass weniger gebissen wurde. Im Gegenteil. Dies geht aus internen Statistiken des Innenministeriums hervor, die der Frankfurter Rundschau vorliegen. Die Zahl der Vorfälle, in denen Menschen leicht bis schwer verletzt wurden, ist von 72 im Jahr 2000 auf 225 im vergangenen Jahr gestiegen.
Im selben Zeitraum sank die Population der als gefährlich eingestuften Rassen, der sogenannten Listenhunde, um rund die Hälfte. Ausgenommen ist hier der Rottweiler, der erst Anfang 2009 – mit Bestandsschutz – auf die Liste kam. Hunde dieser Rasse bissen im vergangenen Jahr 14 Mal einen Menschen. Spitzenreiter blieb mit 61 Vorfällen aber der Schäferhund, der nicht auf der Liste steht.
„Diese Rasseliste muss weg.“ Da sind sich Experten, Tierschützer, Hundehalter und -züchter seit der Debatte um die als „Kampfhunde“ verschrienen Vierbeiner einig. Jetzt nehmen sie einen neuen Anlauf, um den Konflikt zu lösen und den wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung zu tragen: Donnerstagabend unterschrieben bei einer SPD-Veranstaltung im Landtag die ersten 270 Leute das „Wiesbadener Manifest für Halterschulung“. Darin fordern sie, die Rasseliste durch einen Halterkunde-Nachweis zu ersetzen, der noch vor der Anschaffung des Hundes erbracht werden soll.
Unwissen führe oft zu Missverständnissen, sagte der Verhaltensforscher Günther Bloch. „Wenn ein Hund brummt oder knurrt, ist diese aggressive Kommunikation Bestandteil seines Sozialverhaltens. Er will sich verständlich machen.“ Wer diese Warnsignale nicht richtig deute, könne sich in Gefahr bringen. Wie eine hessen-, möglicherweise sogar bundesweite Halterschule aussehen kann, soll bei einer Anhörung am 24. September im Landtag näher diskutiert werden. Veranstalter sind SPD, Grüne, Landestierschutzverband und Bund gegen den Missbrauch der Tiere. Ziel: „Ein verantwortungsvoller und sicherer Umgang des Halters mit seinem Hund.“
Wie Verhaltensforscher Bloch in seinem Vortrag am Donnerstag ausführte, habe er nichts gegen eine Maulkorbpflicht in der Stadt. Der Leinenzwang könne dann wegfallen, und es müsse große Areale geben, in denen sich die Hunde austoben können – prädestiniert seien etwa die umzäunten verlassenen Flächen der US-Army. Ausreichende Freilaufmöglichkeiten sind denn auch der zweite Punkt, den das an Kommunen, Land und Bund adressierte Manifest formuliert.
Chip im Ohr
Des weiteren fordern die Unterzeichner die Pflicht zum Abschluss einer Tierhaftversicherung und die Identifikationsmöglichkeit des Hundes durch einen Chip oder eine Tätowierung, So könnten gewissenlose Halter oder Züchter belangt werden, sagte Hans-Jürgen Kost-Stenger vom Landestierschutzverband. „Damit die Tierheime nicht weiter auf den Kosten sitzen bleiben.“
Neben der Rasseliste diene auch der derzeit praktizierte Wesenstest keineswegs einer realistischen Gefahrenbeurteilung, stellte der Zoologe Udo Gansloßer heraus. „Aus wissenschaftlicher Sicht ist er nicht haltbar.“ Im Alter von 15 Monaten, wenn der erste Test ansteht, sei die Persönlichkeit eines Hundes noch nicht ausgereift. „Bis zum Alter von 24 Monaten ist er stark beeinflussbar.“ Auch gebe es – wie beim Menschen – launenhafte Typen, die heute völlig anders auf einen Reiz reagierten, als morgen. Hormonen spielten eine Rolle, vor allem aber das soziale Umfeld, das sich ständig ändere. Sind andere Hunde dabei? Welches Familienmitglied ist am anderen Ende der Leine, wie ist es seine Stimmung?
Gansloßers Quintessenz: „Für einen validen Test bräuchte es einen enormen Aufwand.“ Der Zoologe fordert eine wissenschaftlich fundierte Regelung statt eine „aus Aktionismus entstandenen gesetzgeberischen Entscheidung“.
Beim hessischen Innenministerium unter Volker Bouffier (CDU) kam die Botschaft bislang nicht an. Nach Informationen der Frankfurter Rundschau steht zwar erneut eine Änderungen der Gefahrenabwehrverordnung an. Doch der scharfe Kurs bleibt – es gibt nur kleinere Reparaturen.
http://www.fr-online.de/rhein-main/hunde-beissen-haeufiger/-/1472796/4595824/-/index.html