Tierärztliche Klinik Bielefeld Home / Fachabteilungen / Dermatologie / Wichtige Hauterkrankungen von A - Z / Pilzinfektionen. 05.12.2007
Warum sollte eine Pilzinfektion behandelt werden, auch wenn es Selbstheilungen gibt?
Selbstheilungen von einzelnen, lokalisierten Hautveränderungen bei Dermatophytosen sind bei gesunden, nicht immunsupprimierten Tieren rel. häufig, aber dauern verhältnismäßig lange: bei gesunden Hunden und kurzhaarigen Katzen i.d.R. mindestens 4 Monate, bei Langhaarkatzen 1,5 bis 4 Jahre.
Da der Verlauf einer Dermatophytose nicht-vorhersehbar ist und von den betroffenen Tieren und der infizierten Umgebung ein erhebliches Infektionsrisiko auch für den Menschen ausgeht, sollten Dermatophytosen grundsätzlich therapiert werden.
Wie wird eine Pilzinfektion behandelt?
Die Therapie der Dermatophytosen verfolgt das Ziel, die Infektion mit einem pathogenen, ansteckenden Erreger zu bekämpfen, diesen komplett zu eliminieren und Neuansteckungen zu vermeiden.
Die effektive Therapie von Dermatophytosen verfolgt 3 Ziele:
1. Beseitigung der infektiösen Haare und Schuppen und Reduktion der Verteilung in der Umgebung:
(-> Topische Therapie und Kürzen der Haare v.a. bei langhaarigen Tieren).
2. Schnellstmögliches Beenden der Infektion am betroffenen Tier selbst (-> Systemische Therapie mit pilzwirksamen Tabletten).
3. Verhinderung der Reinfektion des betroffenen und der Infektion anderer Tiere (und Menschen): (-> Umgebungsbehandlung).
Wie wird die topische Therapie durchgeführt?
Die reine spot-on-Behandlung mit Salben oder Creme als alleinige Therapie ist nicht zu empfehlen: Die Pilzsporen, die sich auch an entfernteren Stellen im Fell befinden, werden mit dieser Behandlungsmethode nicht erreicht und so dem Auftreten neuer Veränderungen natürlich nicht vorgebeugt.
Die weitere Kontamination der Umgebung wird nicht verhindert, und die Gefahr einer Reinfektion und der Infektion anderer Mitbewohner des Haushalts besteht weiter, selbst wenn die ursprüngliche Veränderung abgeheilt ist.
Sinnvoller und gebräuchlicher sind Tauchbäder (nach Kürzen der Haare auf 2-3 mm) mit geeigneten, pilzwirksamen Mitteln, die alle 5-7 Tage angewendet werden.
Entgegen der früher gebräuchlichen Methode werden die Patienten aus mehreren Gründen heute nicht mehr komplett geschoren (Verschleppen der Sporen, Setzen von Mikrotraumata, Streß durch Scheren oder durch Sedation, problematische Dekontamination der Praxisräume und der Schermaschine etc.).
Was ist bei der Auswahl der Tabletten zu beachten?
Die Auswahl des Präparats zur systemischen Therapie muß auf den jeweiligen Einzelfall abgestimmt werden. Wichtig sind neben den bekannten potentiellen Unverträglichkeiten auch Lebens- und Freßgewohnheiten des Patienten (Muß der Patient nüchtern sein? Hat das Medikament einen starken Eigengeruch?) und die praktische Durchführbarkeit zuhause (Sind eine oder mehrere Tagesdosen erforderlich?) berücksichtigt werden, zumal sich die Behandlung in den meisten Fällen über einen längeren Zeitraum (Wochen bis Monate) erstrecken wird. Auch die Durchführbarkeit von Kontrolluntersuchungen wie beispielsweise Blutbild- oder Leberwertkontrollen sind zu beachten.
Sehr unleidliche Katzen, für die eine Blutentnahme z.B. enormen Streß oder gar Narkose bedeutet, sollten möglichst nicht mit Präparaten behandelt werden, bei denen diese Untersuchungen in kurzen Intervallen empfohlen werden (beispielsweise Langhaarkatzen unter Griseofulvin).
Grundsätzlich sollte vor jeder Therapie eine Blutuntersuchung auf FeLV (Leukose) und FIV (Katzen-AIDS) erfolgen, da bei diesen Virusinfektionen bestimmte Nebenwirkungen bzw. Unverträglichkeiten verschiedener Präparate häufiger auftreten.
Wie werden asymptomatische Carrier und Kontakttiere behandelt?
Auch asymptomatische Carrier tragen nicht selten zu Reinfektionen des klinisch erkrankten Tieres bei, wenn sie nicht mitbehandelt werden. In Haushalten mit mehreren empfänglichen Tieren und in Katzenzuchten gilt, daß ein mit M. canis infiziertes Tier mit fast 100%iger Sicherheit die Infektion aller anderen Tiere bedeutet. Werden hingegen andere Dermatophyten nachgewiesen (M. gypseum, T. mentagrophytes), liegt die Infektionsrate bei den übrigen Tiere meist niedriger.
Sämtliche empfänglichen Tiere desselben Haushalts sollten bei Nachweis von M. canis als infiziert angesehen und therapiert werden, um die aufwendigen und erfahrungsgemäß immer unvollständig durchgeführten Separationsmaßnahmen zu vermeiden.
Wie werden die infektiösen Pilzsporen in der Umgebung abgetötet?
Die Dekontamination der Umgebung ist ein essentieller Bestandteil der Therapie, stellt diese doch die wichtigste Quelle für Reinfektionen dar. Da die Pilzsporen v.a. von Microsporum canis unter günstigen Bedingungen jahrelang in der Umgebung infektionsfähig bleiben können, gestaltet sich die Umgebungsbehandlung v.a. in Haushalten mit mehreren Tieren oder gar in Katzenzuchten enorm schwierig, zeit- und kostenaufwendig.
Folgendes Procedere hat sich sehr gut bewährt:
1. Entfernung sämtlicher als infektiös geltenden Gegenstände der Umgebung und Dekontamination:
Sämtliche Spielzeuge, Kratzbäume, Pflegeutensilien, Näpfe, Körbchen etc. sollten mit antimykotisch wirkender Seife (z.B. PVP-Iod-Seife wie Betaisodona) abgewaschen, abgespült und anschließend für mindestens 10 Minuten in eine geeignete fungizide Lösung eingelegt werden. Ist dies nicht möglich oder zu aufwendig, sollten die Gegenstände vernichtet werden. Decken u.ä. sollten so heiß wie möglich in der Waschmaschine gewaschen werden und danach gleichfalls in eine dieser Lösungen eingelegt, ansonsten vernichtet werden. Probleme bereitet mitunter die Behandlung von Futter- und Wassernäpfen. Bewährt hat sich, die Näpfe während der gesamten Therapiedauer durch Papp- oder Plastikteller zu ersetzen, die jeweils nach Gebrauch entsorgt werden.
2. Behandlung sämtlicher Oberflächen:
Diese sollten als nächstes sorgfältig abgesaugt werden (Staubsaugerbeutel verbrennen oder mit einer der genannten Lösungen tränken!), um möglichst viele Haare und Schuppen zu entfernen, und anschließend ebenfalls mit geeigneten fungiziden Lösungen abgewaschen werden. Dampfstrahler können verwendet werden, falls die Temperatur auf der Oberfläche der behandelten Fläche (nicht bei Austritt aus dem Gerät!) mindestens 43°C beträgt, was bei vielen Geräten nicht der Fall ist.
Alle Tiere sollten vor der Behandlung aus dem Raum entfernt werden und erst dann wieder Zugang erhalten, wenn sämtliche Oberflächen komplett getrocknet und der Raum ausgiebig gelüftet worden ist.
Auch sollten die Räume nacheinander dekontaminiert werden, nicht alle gleichzeitig. Sämtliche Aquarien, Terrarien und Vogelkäfige sollten wenn irgend möglich während der gesamten Therapie aus diesen Räumen entfernt werden.
Diese Maßnahmen sollten möglichst alle 2 Wochen wiederholt werden, solange auch die Tiere therapiert werden. Um den erforderlichen enormen Aufwand zu reduzieren, können auch sämtliche entbehrlichen Gegenstände, die einmal korrekt behandelt worden sind (Transportkäfige, Spielzeug, Kratzbäume) in einen geeigneten Raum, zu dem die Tiere keinen Zugang haben, gelagert werden.
Wie wirksam sind Dampfstrahler?
Häufig wird die Behandlung der Umgebung mit Dampfstrahlern empfohlen. Diese sind nur dann wirksam, wenn die von ihnen erreichte Temperatur auf der Teppichoberfläche noch mehr als 40°C beträgt, was bei normalen Dampfstrahlern meist nicht der Fall ist. Empfehlenswert ist ihre Verwendung mit Zusatz eines fungiziden Mittels. Dessen Wirkung auf Möbel und Textilien sollte unbedingt an verdeckten Stellen geprüft werden, bevor der gesamte Haushalt behandelt wird. Gleichfalls sehr effektiv, wegen der z.T. gravierenden Nebenwirkungen aber nicht mehr ratsam ist die Umgebungsbehandlung mit Formaldehyd-Präparaten.
Nach einer umfangreichen Untersuchung der University of Wisconsin sind die meisten kommerziell erhältlichen, als pilzwirksam deklarierten Mittel für diese Umgebungsbehandlung ungeeignet.
Wie lange wird behandelt?
Die Behandlung aller Tiere und der Umgebung sollte so lange durchgeführt werden, bis die Kontrolluntersuchungen bei sämtlichen Tieren mindestens 2x im Abstand von 2 Wochen negativ waren.
Gibt es Impfungen gegen Pilzinfektionen?
Vakzinen sollen sowohl den Verlauf der Erkrankung verkürzen, als auch vor erneuten Infektionen schützen, und können als zusätzliche Maßnahme in entsprechenden Problembeständen durchaus hilfreich sein. Da allerdings auch vakzinierte Tiere Kultur-positiv und damit Überträger bleiben können, erspart eine Vakzinierung die Umgebungsbehandlung i.d.R. nicht, verhindert also auch nicht die Infektion von Menschen oder das Einschleppen infektiöser Sporen beispielsweise nach einem Ausstellungsbesuch. Entschließt man sich zu einer Vakzinierung, sollte diese auch korrekt durchgeführt werden, d.h. alle empfänglichen Kontakttiere sollten gleichzeitig behandelt und keinesfalls auf die empfohlene Boosterinjektion verzichtet werden.