annas schrieb:
Mein 7jähriger Sohn hat mich gerade beim Abendessen gefragt:"Mama, wenn ich dann über die Regenbogenbrücke gehe, werde ich dich dann wiedersehen? Und wie werde ich deine Seele erkennen?"
Ich muss dazusagen, dass ein aktueller Anlass besteht über derartige Dinge nachzudenken. Die Mutter einer Schülerin unserer Schule ist sehr plötzlich und unerwartet gestorben und der Tod ist seit einigen Tagen in unseren Klassen ein Thema, über das relativ viel gesprochen wird.
Auf Basties Beerdigung heute waren viele, viele Mitschüler und auch einige Lehrer. Es war rappelvoll und alle sind auch mit zum Grab gegangen und haben Blumen reingeworfen oder etwas Sand. Einer hat etwas abseits gestanden und war mit der Situation sichtlich etwas überfordert, er sagte, es wäre seine erste Beerdigung...
Mit viel meditativen Übungen zwischendurch habe ich den Trauergottesdienst halbwegs gut überstanden... vorher hatte ich aber noch Rescue-Tropfen genommen. Was mich etwas umgehauen hat, was das Hip-Hop-Lied, das die Schwester dann ausgesucht hat und das gespielt wurde. Es war wirklich schön und hatte irgendwas mit Geburtstag und besten Wünschen zu tun. Am Tag, an dem Bastie gestorben ist, hatten drei Leute Geburtstag... Als Nicks Freundin gestorben ist, wurde zweimal in der Andacht ihr Lieblingslied der letzten Wochen gespielt, aus dem Musical "Der kleine Tag" Lied Nummer 13... "Ich muss jetzt leider geh´n mich ruft mein Stern...". Es ist so passend gewesen, eine Kinderstimme und der Text...
Als dann alle aus der Kapelle raus sind, habe ich die Kinderpsychologin der Klinik getroffen und bin der heulend um den Hals gefallen. Oh man, ich habe nur gesagt: "Schon wieder einer weg!" und sie hat gesagt, das es auch wirklich sehr belastend ist und sie in letzter Zeit auch manchmal denkt, ob man nie von den (Trauer-)glocken wegkommen würde, so viel wären gegangen.
Was bleibt, sind viele, viele schöne Erinnerungen an die Kinder. Das ist eigentlich auch bei uns so, es tauchen selten die Extremsituationen in den Erinnerungen auf, die sind eigentlich aufgearbeitet soweit wie möglich. Es sind eher die vielen, vielen schönen Momente, die es auch in sehr schweren Zeiten immer wieder gegeben hat.
Und: Man dreht in so einer Situation nicht durch. Man bekommt manchmal zu hören: was du alles durchgemacht hast - also IIIIIICH könnte das nicht! Ja - habe ich es mir ausgesucht? Ne, ich habe bestimmt nicht gesagt: "Lieber Gott, verpass meinem Kind einen schweren Hirntumor und Liquaorstau, mir ist so langweilig..."

. Das, was man hier jetzt geballt mitbekommt, haben wir im Prinzip häppchenweise serviert bekommen. Da gibt es den Anfangshappen, der so groß ist, das man durch den Boden sackt (so ähnlich wie in der Obstgarten-Werbung...) und ziemlich zu strampeln hat. Während man dann grad Halt sucht und quasie in seinen Leistungen betrachte jeden Top-Manager schlägt, wird der Rest dann nach und nach hinterhergeworfen. Man hat keine Zeit zum verrückt werden, weil man unter ständiger Anspannung lebt und wenn es einem schlecht geht, greift man auf Imap/Fluspi in Wochenration zurück oder auf niedrig dosiertes Valium, das einen auf einem bestimmten Level hält, wenn es notwendig ist.
Man lernt zu sehen, das es anderen Kindern NOCH schlechter geht (hilft ungemein) und erfährt meistens einen sehr großen Zusammenhalt unter den Eltern auf den Stationen. Das ist eigentlich eines der schönen Dinge, die man mitbekommt, denn es trennt sich ziemlich die Spreu vom Weizen bei Freunden, Bekannten und der Familie, wenn ein Kind so schwer erkrankt. Viele können damit überhaupt nicht umgehen und wenden sich ab. (Nicht nur, wenn ein Kind schwer erkrankt...).
Ich glaube, das neben dem Begreifen, was da grad mit dem Kind und der Familie passiert ist die größte Aufgabe, die sich KEINER der Betroffenen ausgesucht hat, die aber für völlig selbstverständlich erachtet wird, die, das man allen anderen Menschen erklärt, was überhaupt los ist (egal, ob man es selbst schonb egriffen hat oder nicht) und sie bitteschön dann auch tröstet, weil es ihnen ja so schlecht geht. Schließlich ist das KIND erkrankt und das löst dann oftmals bei Omas, Nachbarn, Tanten etc. regelrechte Epidemien von "Schlechtgehen" aus, die man dann bitteschön zu betüdeln hat. Dafür kommen die Leute auch gerne in die Klinik zu Besuch, weil man dort ja unabkömmlich ist...
Siehste, und weil es allen anderen schlecht geht durch die Erkrankung des Kindes (oder weil man selbst vielleicht erkrankt ist, gibt es ja auch...) und man die dann auch noch betüddeln muss, hat man gar keine Zeit zum durchdrehen. Man begrieft noch nicht mal, das man einigen Leuten eigentlich dermaßen in den Ars** treten müsste, das sie hochkant aus den Zimmern fliegen.
So, ist schon wieder ziemlich OT geworden. Sorry.
Übrigens war das heute auf einem Waldfriedhof, wo ich mit Sohnemann auch oft spazieren gegangen bin, weil wir da um die Ecke gewohnt haben und es halt glatte Wege sind, auf denen man prima auch mit dem Rolli oder Spezialrad fahren kann. Viele Tiere kann man auch beobachten. auf jeden Fall waren wir da mal spazieren und er hat mich gefragt, wenn unsere Nachbarin stirbt, ob die da dann auch beerdigt wird... "jaaa, denke ich" habe ich gesagt. "Mama, wennich gestorben wäre und hier beerdigt wäre, dann hättet ihr das aber ganz schön doof gefunden, was?!" äääh - ja.
Da war das Kind irgendwie grad mal 7... ich glaube, das Menschen sterben, ist für ihn mittlerweile völlig selbstverständlich. Das Kinder sterben - ich denke, wenn er es mitbekommt, das ein Kind gestorben ist, hält er es für normal. Schließlich waren die Kinder sehr krank. Es wird nur noch selten darüber mit mir gesprochen, ich glaube, das ist in langen Gesprächen über den Tod seiner Freundin und seiner Freunde schon alles gelaufen. Oder es kommen völlig unvermutet irgendwelche Fragen.
Dann ist vor einigen Jahren sein Meerschwein an Altersschwäche gestorben und wir wussten nicht, wie wir es ihm beibringen sollten. Wir dachten, er wäre bestimmt sehr traurig. Als wir es ihm dann erklärt hatten, hat er nur gesagt: "In Ordnung, ich hole dann mal Zeitungspapier zum einwickeln!" damit war das Thema für ihn erledigt.
manuela