Das Tier hat ja auch kein Verfahren am Hals, sondern der HH. Und wenn ein Hund einen Menschen wirklich verletzt oder tötet, hat selbstverständlich der HH ein Anzeige und ein Ermittlungsverfahren am Hals.
Bitte entschuldige, dass ich mich hier auf Dich beziehe, dabei richtet sich meine Antwort eher an den größeren Kreis jener, die - sicher mit den besten Absichten - immer wieder den Dauerbrenner von der "Körperverletzung" verbreiten:
Es gibt in Österreich - wie in D und vielen anderen europäischen Staaten auch - grundsätzlich zwei verschiedene Rechtsmaterien, die verschiedene Zielrichtungen haben.
1. das Strafrecht: Wer hier geschützt wird, ist nicht der einzelne Mensch, bzw. das Opfer, sondern der Rechtsfrieden des Staates. Deshalb spricht man auch vom "Staatsanwalt" als dem Anwalt, der die Interessen des Staates vertritt. Der Staat will, dass Ruhe und Ordnung herrschen, und wer diese gefährdet, hat sich nach den Vorschriften des Strafrechts zu verantworten. So kommt es auch immer wieder zu Unmut, wenn der Staatsanwalt ein Verfahren einstellt, ohne Rücksicht auf das Opfer/den Geschädigten zu nehmen. Dieser Entscheidung liegt eben nur die Erkenntnis zugrunde, dass der Staat keine aureichend gravierende Gefährdung des Rechtsfriedens sieht. Deshalb wird in solchen Fällen der/die Geschädigte dann auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
2. das Zivilrecht: Hier hält sich der Staat weitgehend raus, das sollen die Menschen untereinander klären. Der Staat als Gesetzgeber gibt nur die Spielregeln in Form von Gesetzen, und stellt den Schiedsrichter, die Gerichte. Hier sind die Rgeln ganz anders als im Strafrecht, weil das Motiv ein anderes ist: Es geht darum, (Vermögens-)Schaden zu ersetzen, wenn ein anderer auf irgend eine Weise dafür verantwortlich ist.
Ein Beispiel: Von meinem Haus fallen Dachziegel auf das neue Auto des Nachbarn. Werde ich jetzt wegen Sachbeschädigung angezeigt? Nein, dem Staatsanwalt ist das egal. Er fragt: "Hat der Kerl die Ziegel auf Ihr Auto geworfen?", was der Nachbar wahrheitsgemäß verneint. Dann der Staatsanwalt: "Ziegel können keine Straftat begehen." Das Ziel des Strafrechts ist die Wahrung des Rechtsfriedens, und würde gestört, wenn ich austicke und mit Ziegeln um mich zu werfen beginne - das wäre dann Sachbeschädigung, oder gar Körperverletzung, wenn ich jemanden mit dem Wurfgeschoß treffe.
Fallen die Ziegel aber einfach so vom Dach, weil ein stärkeres Lüfterl weht, oder auch nur die Dachlatten morsch sind, dann tangiert das den Staat nicht. Der sagt: "Mann, du wohnst in einem Haus, hast Vorteile davon, dann musst Du auch den Schaden ersetzen, wenn mal ein Teil davon runterfällt." Das ist dann Schadenersatz. Die Zahlung, die leiste, soll dem Nachbarn den Schaden ersetzen, und mich nicht bestrafen.
Was beim Dachziegel einfach erscheint, ist beim Hund nicht anders, denn auch hier gelten analoge Regeln. Der Hund kann keine Straftat begehen, das kann nur ein Mensch. Das heißt aber nicht automatisch, dass der Hundehalter niemals vom Staatsanwalt verantwortlich gemacht würde, wenn der Hund jemanden verletzt. Da gebe ich Dir recht. Wo Du - und viele andere, die zu diesem Thema in anderen Fäden Stellung genommen haben - aber falsch liegst, das ist - erlaube mir, Dich zu zitieren, das soll nur stellvertretend sein - dies:
"Und wenn ein Hund einen Menschen wirklich verletzt oder tötet, hat
selbstverständlich der HH ein Anzeige und ein Ermittlungsverfahren am Hals"(Hervorhebung von mir)
Der Automatismus ist falsch. Damit die oft genannte "Fahrlässige Körperverletzung" nach § 88 Strafgesetzbuch zur Anwendung kommen kann, gehört noch viel mehr dazu als nur ein Hundebiss. Dazu muss ein Mensch schuldhaft handeln und die objektiv notwendige Sorgfaltspflicht verletzen, und zwar fahrlässig. Da kommen also noch zahlreiche andere Bedingungen dazu, bis der Staatsanwalt sagt: "Ja, da hat sich ein Mensch derart fahrlässig verhalten und damit eine Verletzung ermöglicht, dass der Staat so etwas nicht dulden kann."
Die erwähnte Sorgfaltspflicht, die man verletzt haben muss, kann man nicht aus dem Kaffeesatz lesen, sondern die muss mittels einer Rechtsvorschrift schon vorher erlassen worden sein. Ein angetrunkener Autofahrer, der jemanden anfährt und verletzt, könnte nur schwer wegen Körperverletzung verurteilt werden, wenn es noch gar keine Vorschrift gegen Alkohol am Steuer gäbe. Wenn es nun eine allgemeine Beißkorbpflicht für Hunde auch in geschlossenen Gebäuden gäbe, dann könnte man einen Sorgfaltsverstoß eher annehmen, was aber noch nicht automatisch zu einer Anklage wegen Körperverletzung führt, denn dann müssen noch andere Faktoren erfüllt sein.
Mir ist keine Gemeinde bekannt, die bestimmt, dass Hunde in einem nicht öffentlich zugänglichen, geschlossenen Gebäude angeleint oder gar mit Maulkorb versehen sein müssen. Deshalb kann ein Halter, der dort seinen Hund frei laufen lässt, auch keinen Sorgfaltsverstoß begehen. Sonderfall wäre: es handelt sich um ein "gefährliches Tier", für dessen Haltung ganz besondere Bedinungen erfüllt werden müssen. Es kann die Behörde im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften einem Halter auftragen, sein Tier auch im geschlossenen Haus besonders zu sichern. Das gilt weniger für Hunde, als vielmehr giftige tiere, Raubkatzen o.ä., sofern sie überhaupt privat gehalten werden dürfen.
Wenn - um auf den Anlassfall dieses Fadens zurück zu kommen - ein Hund, der vorher diesbezüglich unauffällig war, in einem nicht öffentlich zugänglichen Gebäude an einer kurzen Leine fixiert ist, und trotzdem schnappt, dann ... ja dann, shit happens. Mangels Verletzung einer noch weiter gehenden Sorgfaltspflicht ist der Rechtsfrieden nicht gefährdet, und der Staat sagt: "macht das untereinander aus." Es ist in diesem konkreten Fall noch nicht mal zwingend notwendig, dass der Hundehalter zivilrechtlich den Schaden ersetzen muss, denn eine ein Meter kurze Leine kann durchaus als "ausreichende Verwahrung" im Sinne des Zivilrechts gelten.
Und die Anzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung? Aber natürlich kann die Anzeige kommen! Jeder Mensch kann jeden anzeigen, wegen unzüchtigen Verhaltens, Gefährdung, und was weiß ich noch. Wieviele Anzeigen wegen Tierquälerei hat es alleine aus dem Kreise diese Forum gegen verschiedene Personen gegeben, ohne dass irgendetwas daraus geworden ist? Solche "Anzeigen" (ich meine jene wegen fahrlässiger Körperverletzung durch Hundebiss wie im eingangs geschilderten Fall) wandern in der Regel in die Rundablage.
Bitte erlaubt mir die Zusammenfassung: Wenn ein Hund einen Menschen verletzt, so ist niemals AUTOMATISCH der Halter deshalb wegen Körperverletzung strafbar!! In anderen Fäden musste ich sogar schon von drohenden Vorstrafen lesen, weil ein vor dem Supermarkt angebundener Hund jemanden verletzt hatte. Das ist einfach falsch. Natürlich kann in Einzelfällen eine Straftat vorliegen, aber das ist die Ausnahme, nicht die Regel. Und auch strafrechtliche Ermittlungsverfahren werden nicht eingeleitet, wenn keine weiteren Sachverhalte außer dem Hundebiss erfüllt werden.
Liebe Grüße,
Marcus