Schock nach Attacke
Hanebuths Schäferhunde griffen Menschen „wie im Blutrausch“ an
Von Vivien-Marie Drews |
09.09.2011 21:11 Uhr
Die Schäferhunde, die am Donnerstag in der Wedemark einer zweifachen Mutter schwerste Bisswunden zugefügt und weitere vier Personen verletzt haben, gehören Rockerchef Frank Hanebuth. Die Polizei ermittelt gegen den Vorsitzenden der Hells Angels Hannover wegen des Verdachts der schweren Körperverletzung durch Unterlassen.
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„Wie im Blutrausch“: Im Eichhornweg griffen die beiden Schäferhunde einen 33-jährigen Fußgänger an.
© Kris Finn
Hannover. Möglicherweise wird Hanebuth sich in einem Strafverfahren verantworten müssen, weil er nicht zur Stelle war, als seine beiden Hunde wiederholt auf Fußgänger losgingen und den Arm einer 44-jährigen Frau regelrecht zerfleischten. Hanebuths Anwalt, Michael Fastabend, machte am Freitagabend geltend, seinem Mandanten könne allenfalls fahrlässige Körperverletzung vorgeworfen werden.
Der Vorfall ereignete sich im Ortsteil Bissendorf-Wietze. In der Waldsiedlung residieren überwiegend wohlhabende Bürger hinter hohen Mauern, so auch Rockerchef Frank Hanebuth. Er war am Donnerstagabend nicht zu Hause, als seine beiden Wachhunde aus ungeklärter Ursache von dem eingezäunten Grundstück entkamen. Gegen 18.30 Uhr griffen die Hunde zum ersten Mal an: Im Eichhornweg bissen sie einem 33-jährigen Fußgänger in die Hand. Der Mann rief verzweifelt um Hilfe, mehrere Anwohner eilten herbei. „Die waren wie Wölfe im Blutrausch. Der Mann hatte eine Sporttasche dabei und hat versucht, sich damit zu schützen. Aber die Hunde haben die Tasche einfach zerfetzt“, berichtete ein Zeuge. Einem 38-jährigen Helfer bissen die Tiere in die Hand; erst mithilfe eines Besens und einem Elektroschockgerät, das einer der Anwohner herbeiholte, gelang es schließlich, die Hunde zu vertreiben.
Wenige Minuten später wurde eine 44 Jahre alte Frau auf die umherstreunenden Hunde aufmerksam, die inzwischen auf einem Feld neben der Autobahn 7 unterwegs waren. Die zweifache Mutter stoppte ihren blauen VW kurzerhand am Straßenrand, ließ ihre beiden sieben und zwölf Jahre alten Kinder im Auto zurück und ging auf das Feld zu. Die Hunde griffen die Frau sofort an, eines der Tiere grub seine Zähne immer wieder in ihren Arm. Ein 68-jähriger Passant wollte die Frau retten – auch er wurde durch Bisse schwer verletzt. Als kurz darauf ein Streifenwagen eintraf, bot sich den Beamten ein erschreckendes Bild. Die Frau und ihr Helfer waren blutüberströmt, und noch immer hatten sich die Hunde nicht beruhigt. Eines der Tiere ging auf einen Beamten los und verletzte ihn am Arm. Die Polizisten griffen daraufhin zu ihren Dienstwaffen und erschossen die Hunde.
Die verletzte Frau wurde mit dem Rettungshubschrauber in die Medizinische Hochschule gebracht, wo sie wegen der Schwere ihrer Verletzungen voraussichtlich mehrere Wochen lang stationär behandelt werden muss. Ihr 68-jähriger Helfer wird ebenfalls im Krankenhaus behandelt, befindet sich inzwischen aber auf dem Weg der Besserung.
Die Nachricht, dass die beiden Hunde Rockerchef Hanebuth gehören, sorgte unter den Anwohnern in Bissendorf-Wietze keineswegs für Erstaunen. „Man hat schon gehört, dass die Hunde nicht gerade freundlich sein sollen“, sagte eine Anwohnerin. Gesehen habe sie die Tiere allerdings noch nie. „Die sind immer auf dem Grundstück. Das kann ja kein Mensch einsehen.“ Über Hanebuth selbst und seine Geschäfte kursieren unter den Bissendorfern allenfalls Gerüchte. „Wirklich negativ aufgefallen ist er hier aber noch nie“, sagte eine Frau.
Auch bei der zuständigen Ordnungsbehörde, der Region Hannover, ist Hundehalter Hanebuth nicht aktenkundig. „Bisher sind uns im Zusammenhang mit dem Halter der beiden Schäferhunde keine Vorfälle bekannt geworden“, sagte ein Sprecher der Region. Man werde die Ermittlungen der Polizei aber genau verfolgen und dann abwägen, ob Hanebuth in Zukunft noch Hunde halten darf.
Frank Hanebuth: Der Höllenengel
Frank Hanebuth ist kein unbescholtener Mann. Der Präsident der Hells Angels Hannover gilt als einer der einflussreichsten Rocker der Republik. Seit Jahren hat die Polizei den Motorradklub im Blick. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Hells Angels Verbindungen in die organisierte Kriminalität haben. Es geht um Drogen und Gewalt.
Hanebuths Anwesen in Bissendorf-Wietze liegt vor Blicken geschützt hinter einem hohen Zaun. Bisher wachten die Schutzhunde „Benta“ und „Ossi“ über das Grundstück. Nun sind sie tot, von der Polizei erschossen. Fünf Menschen hatten die Hunde zuvor angriffen. Er bedauere den Vorfall und wolle nun Kontakt zu den Verletzten aufnehmen und Hilfe anbieten, sagte Hanebuth gestern. Bei den Hunden habe es sich um ausgebildete Schutzhunde gehandelt, eines der Tiere habe er vom Zoll übernommen. „Ich kann mir einfach nicht erklären, wie die Hunde vom Grundstück gekommen sind“, sagte der Rockerchef. Er selbst war am Donnerstagabend nicht zu Hause. Nachdem er von dem Vorfall erfahren hatte, meldete er sich bei der Polizei und gab an, der Besitzer der Hunde zu sein. Seit Jahren schon hat Hanebuth seinen Wohnsitz in Bissendorf-Wietze. Die Anwohner wissen genau, wer da in ihrer Nachbarschaft lebt und dass der Hells-Angels-Chef einen großen Teil seines Geldes im Rotlichtmilieu macht.
Aber Hanebuth will geschäftlich offenbar auch neue Wege ausprobieren. Im vergangenen Winter verbreitete sich eine Nachricht im Norden Langenhagens wie ein Lauffeuer. Die Garbsener Immobiliengesellschaft IMV hatte das bekannte und traditionsreiche Ausflugslokal Waldkater erworben, das im Wald zwischen Bissendorf-Wietze und dem zu Langenhagen gehörenden Örtchen Maspe liegt. Geschäftsführerin der IMV ist die Mutter von Frank Hanebuth. Sofort verbreiteten sich Gerüchte, der Waldkater werde mindestens zum Rockertreff, wenn nicht gar zu einem Bordell.
Der Rockerchef hatte jedoch andere Pläne: „Wir wollen den Waldkater als Ausflugslokal für Familien erhalten“, sagte Hanebuth. Bald begann ein Umbau, bei dem der Hells-Angels-Boss häufig persönlich zugegen war und mit anpackte. Im Restaurant will man Produkte von Lieferanten aus der Region verarbeiten. Zum Programm gehören ein Areal für Ponyreiten, ein Fahrradverleih, ein naturwissenschaftliches Kino, eine Bühne für Kleinkunst und Musik, ein Streichelzoo mit Ziegen, Schafen und Schweinen, ein Abenteuerspielplatz und Ähnliches mehr.
Wer die Hintergründe nicht kennt und sieht, was am Waldkater passiert, würde nicht vermuten, dass dahinter jemand steckt, dessen sonstige geschäftlichen Aktivitäten sich vor allem im Steintorviertel abspielen.
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