Neue Studien zeigen, dass Passivrauchen doch mehr schadet als bisher angenommen.
Etwa ein Drittel der Deutschen raucht. Viele atmen den Rauch zudem mehr oder weniger unfreiwillig ein: 16 Prozent der nichtrauchenden Männer haben eine qualmende Partnerin, 29 Prozent der nichtrauchenden Frauen haben einen Raucher als Mann. Am Arbeitsplatz kommen 29 Prozent der männlichen und 22 Prozent der weiblichen Nichtraucher in den zweifehlhaften Genuss des blauen Dunstes. Das ist nicht nur lästig, sondern auch gesundheitsgefährdend.
Das Fatale am Passivrauchen ist der sogenannte Nebenstromrauch, der gerade nicht zur Lustbefriedigung des Rauchers dient. Immerhin drei Viertel des Qualms werden nämlich nicht inhaliert, sondern wabern als gefährliche Mischung krebserregender Stoffe durch die Luft.
Durch die niedrigen Verbrennungstemperaturen am Rande der Zigarette, wo sie nur glimmt, entstehen in weit höherem Maße schädliche Substanzen als im Hauptstromrauch, aus der Mitte der Zigarette.
Rund vierzig krankmachende Stoffe hat der Toxikologie Friedrich Wiebel von der Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung (GSI) in Neugerberg bei München identifiziert. Dazu gehören eindeutig krebserregende Substanzen wie Nitrosamine und polyzyklische Kohlenwasserstoffe. Von den giftigen Stickoxiden und Formaldehyd inhaliert ein Passivraucher gar ebensoviel wie ein Aktivraucher.
Aufgrund solcher und anderer Untersuchungen sind internationale Fachleute zu dem Schluss gekommen, dass die unfreiwillige Qualmerei eines der schwerwiegendsten Gesundheitsprobleme unserer modernen Gesellschaft ist: Der Zigarettenrauch ist der "Luftverpester Nummer Eins - gefährlicher als schlagzeilenträchtige Stoffe wie Asbest, Dioxin oder Formaldehyd", so Wiebel. Vor allem in geschlossenen Räumen ist die Luftbelastung mit den Rauchgiften oft nicht tolerabel.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg sieht im Passivrauchen einen Risikofaktor für die Entstehung von Lungenkrebs. Man schätzt, dass dieses Risiko im Vergleich zum absoluten Nichtrauchen um bis zu fünfzig Prozent erhöht ist. In Deutschland gehen danach jährlich mindestens 400 Nichtraucher, die an Lungenkrebs sterben, auf das Konto der Raucher. Im Vergleich dazu sind die üblichen Folgen der unfreiwilligen Rauchinhalation - Kopfschmerzen, Schwindel, Augenbrennen, Atembeschwerden, Husten und Bronchitis - relativ harmlos.
Das scheint aber nicht alles zu sein. Es gibt mehrere Studien, die auf einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Passivrauchen und Herzkrankheiten hinweisen. So sagt Burkard Junge vom Bundesgesundheitsamt in Berlin, dass das Risiko einer Herzerkrankung um etwa ein Viertel erhöht sei, wenn man dem Rauch ausgesetzt ist. Auch das Krankheitsbild von Angina pectoris sei schwerer.
Nach Berechnungen, die der Amerikaner Glantz auf der siebten Weltkonferenz zum Thema "Tabak und Gesundheit" 1990 in Perth präsentierte, sterben pro Jahr in den USA rund 50.000 Menschen an den Folgen des Passivrauchens - es steht damit nach Aktivrauchen und Alkoholkonsum an dritter Stelle der vermeidbaren Todesursachen.
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Auch bei chronisch Kranken führt Passivrauchen zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes: "Besonders nachteilig ist", so GSI-Toxikologe Wiebel, "dass man die Wirkungen der Rauchgifte möglicherweise erst nach einer langen Latenzzeit bemerkt." Nicht zuletzt das macht es den Ärzten schwer, ihre Bedenken publik zu machen - selbst wenn ein Viertel der Deutschen mehr oder weniger deutlich darunter zu leiden hat.
Der Tübinger Toxikologe Herbert Remmer vertritt die These, dass Passivraucher ein unverhältnismäßig hohes Krebsrisiko tragen, weil sie krebserregende Rauchbestandteile schlechter inaktivieren könnten als "gewöhnte" Raucher. Es fehle ihnen vor allem an den entsprechenden entgiftenden Enzymen.
Passivrauchen ist auch nach Ansicht der Weltgesundheitsorganisation WHO ein "indiskutables Gesundheitsrisiko". Prof. Henschler von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geht noch weiter: "Am Arbeitsplatz passiv inhalierter Tabakrauch ist als gesundheitsschädliches Arbeitsstoffgemisch zu werten. Es ist krebserzeugenden Substanzen gleichzusetzen."
Übrigens können die Rauchschwaden nicht nur die Gesundheit von Menschen beeinträchtigen - auch Hunde spüren die Folgen. Nach einer Studie erkranken Tiere aus Raucherhaushalten häufiger an Lungenkrebs.
Das Thema Passivrauchen wird die öffentlichkeit wohl noch lange beschäftigen: "Rund 300 bis 400 Millionen Zigaretten werden jeden Tag allein in Deutschland verbrannt", weiß Friedrich Wiebel, "eine Bewusstseinsänderung wird also auf sich warten lassen."