Morgen Kinder wirds nichts geben

I

Irish

Guest
Morgen, Kinder, wird's nichts geben!
Nur wer hat, kriegt noch geschenkt.
Mutter schenkte euch das Leben.
Das genügt, wenn man's bedenkt.
Einmal kommt auch eure Zeit.
Morgen ist's noch nicht soweit.

Doch ihr dürft nicht traurig werden.
Reiche haben Armut gern.
Gänsebraten macht Beschwerden.
Puppen sind nicht mehr modern.
Morgen kommt der Weihnachtsmann.
Allerdings nur nebenan.

Lauft ein bisschen durch die Straßen!
Dort gibt's Weihnachtsfest genug.
Christentum, vom Turm geblasen,
macht die kleinsten Kinder klug.
Kopf gut schütteln vor Gebrauch!
Ohne Christbaum geht es auch.

Tannengrün mit Osrambirnen -
Lernt drauf pfeifen! Werdet stolz!
Reißt die Bretter von den Stirnen,
denn im Ofen fehlt's an Holz!
Stille Nacht und heil'ge Nacht -
Weint, wenn's geht, nicht! Sondern lacht!

Morgen, Kinder, wird's nichts geben!
Wer nichts kriegt, der kriegt Geduld!
Morgen, Kinder, lernt fürs Leben!
Gott ist nicht allein dran schuld.
Gottes Güte recht so weit ...
Ach, du liebe Weihnachtszeit!

Erich Kästner
 
Bin zwar schon fast zu spät dran, aber diese gefallen mir auch sehr gut:


Einsiedlers Heiliger Abend

Ich hab' in den Weihnachtstagen
Ich weiß auch warum -
Mir selbst einen Christbaum geschlagen,
Der ist ganz verkrüppelt und krumm.
Ich bohrte ein Loch in die Diele
Und steckte ihn da hinein
Und stellte rings um ihn viele
Flaschen Burgunderwein.
Und zierte, um Baumschmuck und Lichter
Zu sparen, ihn abends noch spät
Mit Löffeln, Gabeln und Trichter
Und anderem blanken Gerät.
Ich kochte zur heiligen Stunde
Mir Erbsensuppe mit Speck
Und gab meinem fröhlichen Hunde
Gulasch und litt seinen Dreck.
Und sang aus burgundernder Kehle
Das Pfannenflickerlied.
Und pries mit bewundernder Seele
Alles das, was ich mied.
Es glimmte petroleumbetrunken
Später der Lampendocht.
Ich saß in Gedanken versunken.
Da hat's an die Türe gepocht,
Und pochte wieder und wieder.
Es konnte das Christkind sein.
Und klang's nicht wie Weihnachtslieder!
Ich aber rief nicht: "Herein!"
Ich zog mich aus und ging leise
Zu Bett, ohne Angst, ohne Spott,
Und dankte auf krumme Weise
Lallend dem lieben Gott.

Joachim Ringelnatz


Bewaffneter Friede

Ganz unverhofft, an einem Hügel,
Sind sich begegnet Fuchs und Igel.

Halt, rief der Fuchs, du Bösewicht!
Kennst du des Königs Ordre nicht?
Ist nicht der Friede längst verkündigt,
und weißt du nicht, daß jeder sündigt,
Der immer noch gerüstet geht?
Im Namen seiner Majestät
Geh her und übergib dein Fell.

Der Igel sprach: Nur nicht so schnell.
Laß dir erst deine Zähne brechen,
Dann wollen wir uns weiter sprechen!

Und allsogleich macht er sich rund,
Schließt seinen dichten Stachelbund
und trotzt getrost der ganzen Welt,
Bewaffnet, doch als Friedensheld.

Wilhelm Busch
 
Zuletzt bearbeitet:
Und noch zwei Kästner schon für Sylvester/Fasching: :)

Maskenball im Hochgebirge

Eines schönen Abends wurden alle
Gäste des Hotels verrückt, und sie
rannten schlagerbrüllend aus der Halle
in die Dunkelheit und fuhren Ski.

Und sie sausten über weiße Hänge.
Und der Vollmond wurde förmlich fahl.
Und er zog sich staunend in die Länge.
So etwas sah er zum ersten Mal.

Manche Frauen trugen nichts als Flitter
Andre Frauen waren in Trikots.
Ein Fabrikdirektor kam als Ritter.
Und der Helm war ihm zwei Kopf zu groß.

Sieben Rehe starben auf der Stelle.
Diese armen Tiere traf der Schlag.
Möglich, daß es an der Jazzkapelle -
denn auch die war mitgefahren - lag.

Die Umgebung glich gefrornen Betten.
Auf die Abendkleider fiel der Reif.
Zähne klapperten wie Kastagnetten.
Frau von Cottas Brüste wurden steif.

Das Gebirge machte böse Miene.
Das Gebirge wollte seine Ruh.
Und mit einer mittleren Lawine
deckte es die blöde Bande zu.

Dieser Vorgang ist ganz leicht erklärlich.
Der Natur riß einfach die Geduld.
Andre Gründe gibt es hierfür schwerlich.
Den Verkehrsverein trifft keine Schuld.

Man begrub die kalten Herrn und Damen.
Und auch etwas Gutes war dabei:
Für die Gäste, die am Mittwoch kamen,
wurden endlich ein paar Zimmer frei.


Schicksal eines stilisierten Negers

Er war, weil Adelheid nicht ruhte
und weil sie wie am Spieße schrie,
mit ihr (und später ohne sie)
im Spiegelsaal auf der Redoute.

Er ging als stilisierter Neger
mit einer Art von Lendenschurz.
Der war ihm überall zu kurz
und eigentlich ein Bettvorleger.

Er war kein Freund von Maskenbällen.
Er war bedrückt. Und staunte stumm.
Und stand, wie man in solchen Fällen
herumzustehen pflegt, herum.

Er lehnte meistenteils an Säulen.
Die Frauen kamen, Mann für Mann,
und sehen sich den Neger an.
Und kriegten auf dem Busen Beulen.

Sie machten ihm enorm zu schaffen.
Mit Wein und Weib. Auch mit Gesang.
Sein Schurz war, wie gesagt, nicht lang,
und sie durchsuchten ihn nach Waffen.

Sie lockten ihn an dunkle Stellen
und zwangen ihn zu dem und dem.
Er war kein Freund von Maskenbällen
und fand es riesig unbequem.

Die eine wollte gar nicht weichen,
obwohl sie sah, wie sehr er litt,
und nahm sein Lendenschürzchen mit.
Sie sagte nur: Als Lesezeichen...

Das hätten sie nicht machen sollen!
Er hatte angebornen Takt,
verließ, sofort und völlig nackt,
den Ball - und ist seitdem verschollen.

Wie der Lokal-Anzeiger glaubt,
hat ihn, zwecks unerlaubten Zwecken,
ein Mädchenpensionat geraubt!
Dort wird man ihn schon gut verstecken.


Und noch einer:

Hotelsolo für eine Männerstimme

Das ist mein Zimmer und ist doch nicht meines.
zwei Betten stehen Hand in Hand darin.
Zwei Betten sind es, doch ich brauch nur eines,
weil ich schon wiedermal alleine bin.

Der Koffer gähnt. Auch mir ist müd zumute.
Du fuhrst zu einem ziemlich andern Mann.
Ich kenn ihn gut und wünsch Dir alles Gute,
und wünschte fast, Du kämest niemals an.

Ich hätte Dich nicht gehen lassen sollen.
Nicht meinetwegen, ich bin gern allein.
Und doch, wenn Frauen Fehler machen wollen,
dann soll man ihnen nicht im Wege sein.

Die Welt ist groß. Du wirst Dich drin verlaufen.
Wenn Du Dich nur nicht allzu weit verirrst.
Ich aber werde mich heut nacht besaufen,
und bißchen beten, daß Du glücklich wirst.
 
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