Gedanken zur Leinenpflicht:
Ich bin in Kärnten aufgewachsen und hatte seit meinem 7. Lebensjahr Hunde. Einen d.Schäfer, einen Collie, drei Mischlinge, zwei Dobermänner. Jetzt wohne ich mit einem der Dobermänner in in Wien und bin nur mehr auf »Urlaub« in Kärnten. Jedesmal bin ich aufs neue erstaunt und nachdenklich gestimmt, wie ich meinen Hund in Kärnten erlebe und wie hier, in der Stadt. In Kärnten lasse ich meinen Hund gern und oft von der Leine, ich bin es so gewohnt. Der Rüde geniesst das, er geht ohne Leine perfekt bei Fuss und kommt spätestens beim zweiten Ruf zu mir, auch wenn wir einem anderern Hund begegnen. Begrüssungen zwischen den Hunden (auch Rüden)laufen in der Regel so ab, dass sich die Hunde steifbeinig beschnüffeln um sich dann entweder sympathisch zu finden und anfangen zu spielen, oder sich gegenseitig ein paar mal vor die Nase pinkeln und dann in verschiedene Richtungen ihres Weges ziehen. Auch wenn es einmal zu einer Rauferei kommt, ist dies meist sehr schnell entschieden, dabei hat ein einziges mal mein Rüde einen Biss abgekriegt, ansonst war es immer ein sehr unblutiger Kampf. Ein Kampf nach Hunderegeln. Ein fairer Kampf.
Wien: Jeden Tag bevor ich ausser Haus geh, leine ich meinen Hund an. Schon bevor ich die Haustür öffne, weiss ich, ob grad ein Hund vorbeigegangen ist, oder nicht. Mein Rüde zerrt und reisst an der Leine, das Rückenfell hochgestellt. Also war/ist es ein Rüde, der grad vorbei ist. Auf der anderen Strassenseite geht eine Dame mit einen Labrador. Mein Hund hat nur mehr Augen für diesen Hund, er zieht mich fast um, so dringend will er da rüber. Im Bus sitzt eine Dame mit Schäferwelpen. Ganz vorne. Ich sitz mit meinem Rüden ganz hinten. Er winselt und jault als würde ich ihn grob misshandeln, nur weil er zu diesem Hund hinwill. Überhaupt ist mein Rüde an der Leine kein Vorzeigehund, er zieht, winselt, hüpft um mich herum, bellt. Erziehungssache sagen sie? Ja, da geb ich Ihnen schon teilweise recht: Ich hab den Hund sehr spät und als fünfter(!) Besitzer bekommen, und mit sehr viel Arbeit, Konsequenz und Geduld ist aus ihm der Hund geworden, der er heute ist. Nicht ganz so folgsam wie anderer Leute Hunde, aber trotzdem ein sehr gut sozialisierter Hund mit einem Löwencharakter. Nur: Das ändert nichts daran, dass der Hund sich an der leine gänzlich anders benimmt als im Freilauf!
Die Leine ist für meinen Hund wie eine Nabelschnur zwischen ihm und mir. Ein verbindendes Stück Leine, ein Strick, der das kleine Rudel zusammenhält. Mit mir am anderen Ende der Leine ist mein Hund nicht er alleine, sondern ein starkes Team. Ich (sein Leithund) und er. Und er fühlt sich mächtig. Diese Verbundenheit macht ihn stark, genauso wie die Verbundenheit des kleinen Rehpinschers, der uns kläffend und knurrend an seiner Leine entgegenzerrt. Würden sich diese zwei Hunde ohne Leine begegnen, würde es kaum zu einer derart lautstarken und feindseeligen Konfrontation kommen. Mein Hund würde den kleinen Rüden nicht mal beachten! Und das kleine Gegenüber wüsste zu gut, dass er sich nicht mit einem derart überlegenen Gegener anlegt. So aber muss ich die Strassenseite wechseln, weil die Pinscherbesitzerin sich nicht traut, an mir vorbei zu gehen.
Langer Rede, kurzer Sinn: Die Leine ist ganz sicher ein sehr »menschliches« Eingreifen in die Hundenatur. Sie bewirkt auf den Hund etwas anderes, als wir eigentlich wollen. Trotzdem ist sie täglicher Bestandteil einer Mensch-Hunde-Beziehung, zumindest dort, wo es eben nicht anders geht. Und obwohl ich ein sehr grosser Hundeliebhaber und Fan bin, werde ich mir gründlichst überlegen, nach diesem Hund einen weiteren zu mir zu nehmen, zumindest solange ich in einer Stadt lebe, und den Hund nicht so artgerecht halten kann, wie ich es eigentlich will....