Also ich hab mit meinem Jagdgeier auch ein Odysee durch Hundeschulen und -vereine hinter mir...

Schlimm, was sich da immer noch so tummelt!

Bei der o.g. Dame wäre ich nach den ersten Äußerungen aus ähnlichen Gründen wie meine kritischen Vorredner auch höchst skeptisch...
Das Üble ist ja, dass man zuerst naiv glaubt, da kenne sich jemand aus, weil er das von sich behauptet. Bei unserer ersten Hundetrainerin hat dann ziemlich schnell mein Bauch rebelliert (die hat nur heftigst an der Leine geruckt und wollte jegliches Jagdverhalten strikt unterbinden), ich habe angefangen, mich nach anderen Trainern umzusehen und dann habe ich erstmal begonnen, mein Kopf zu füttern und unheimlich viele Infos aus dem Netz und von Bekannten aufgeklaubt und mit durch einen Wust von Hundeliteratur gearbeitet, weil ich es mit so einem Hardcore-Jäger noch nie zu tun hatte und wir auch 10 Jahre Hundepause hatten und sich seitdem ja einiges (GottseiDank) in der Hundeerziehung getan hat...
Dabei bin ich auf das "Antijagdtraining"-Buch von Pia Gröning und Ariane Ullrich gestoßen und das schien mir endlich ein stimmiges Gesamt-Konzept zu sein, wenn man auf der Basis positiver Bestärkung arbeiten will. Das ist zudem ein Super-Arbeitsbuch, nach dem man auch alleine gut arbeiten kann. Ich hab das Glück, dass Pias Hundeschule nur rund 80km von hier entfernt ist, deshalb habe ich da auch Einzelstunden genommen, denn live und in Farbe erklärt, gefällt mir noch besser.
Ich arbeite seit Nov.2005 nach dem Konzept und wir haben enorme Fortschritte gemacht. Ich kann ihn immer noch nicht ableinen, aber ich bin inzwischen sicher, dass wir dahin kommen werden.
Das Training umfasst indirektes (Orientierungsübungen, Impulskontrolle -> beides wird geclickert; alternative Beschäftigung, Auslastung des Hundes) und direktes Antijagdtraining. Letzteres besteht aus Schleppleinentraining und in der Vollendung dann in Stoppen und Abruf vom Wild. Der Titel AJT ist eigentlich irreführend: Es geht nämlich eigentlich im Wesentlichen darum, das Jagen zu kontrollieren, insofern wäre Jagdkontrolltraining passender. Es geht um den Abruf und das kontrollierte Jagen lassen.
Das Schleppleinentraining ist mühselig - gerade im Herbst und Winter; Sie setzen darauf, dass an der Leine nicht gezogen wird, es wird gewartet, bis der Hund das gewünschte Verhalten selbst zeigt. Später wird die Leine durch eine leichte Wäscheleine ersetzt, beides soll den "Leineneffekt" abmildern. Ihr könnt euch vorstellen: Das ist ein Trainingskonzept, dass viel Geduld und Konsequenz erfordert. Wochenlang habe ich gedacht, es geht gar nichts. Schlimme Jagdspaziergänge liegen hinter uns, aber irgendwann ist der Damm gebrochen und vieles ging plötzlich viel leichter.
Moritz interessiert sich draußen und bei Wildkontakt auch nicht für Leckerlies oder Spielzeug. Wir haben den Superschlachtruf auf's gemeinsame Mäusebuddeln aufgesetzt. Man kann da nicht gegen den Trieb, sondern wirklich nur mit dem Trieb arbeiten - alles andere halte ich für aussichtslos. Auch die "Triebabfuhr" muss möglich sein, sonst wird's nicht klappen.
Wahrscheinlich werden mir hier die anderen Jägermeister-Besitzer zustimmen, wenn ich sage, dass man sich als "Normalo-Hund"-Besitzer dieses extreme Jagdverhalten kaum nachvollziehen kann. Früher hätte ich auch gesagt: Das hat nur was mit Bindung und Gehorsam zu tun. Hat es natürlich
auch, aber eben gegen einen unglaublichen Trieb. Und bei dieser Triebsteuerung greifen auch die meisten Erziehungsmethoden nicht mehr zuverlässig. Wenn ihr mal mit offenen und ehrlichen Jägern sprecht, dann gestehen die durchaus ein, dass selbst ihre Hunde nicht immer 100% Gehorsam zeigen und jeder wird unumwunden zugeben, dass die Ausbildungszeit besser nicht in Monaten, sondern eher in Jahren zu messen ist. Wenn man's dann noch mit einem älteren Second-Hand-Tier zu tun hat, wird's auch nicht leichter... Aber es geht, davon bin ich jetzt überzeugt - ich denke, ich werde meinen Hund in bestimmten Gebieten bzw. zu gewissen Tageszeiten immer anleinen müssen, aber eine gewisse Freiheit wird möglich sein.
Das Buch von Clarissa von Reinhardt hat mich übrigens sehr enttäuscht. Ich kann gar nicht verstehen, dass das immer wieder so gut aufgenommen wird - ist das der Animal Learn-Hype?!
Ich schätze CvR sehr und bin dankbar für all das, was sie für die Verbreitung neuer Erziehungs-Ansätze in der Hundeerziehung im deutschsprachigen Raum getan hat, aber: Dieses Werk ist
viel zu oberflächlich. Wer selbstständig danach arbeiten will, wird m.E. nach zu keinem positiven Ergebnis kommen. Die Beschreibungen der Übungsaufbauten der Kommandos oder für Alternativbeschäftigungen sind viel zu stark vereinfacht. Mir fehlt hier auch das Gesamtkonzept. Es wird kein zielgerichteter Übungsplan vorgestellt. Manches finde ich auch von der Position her zu übertrieben (z.B. die kategorische Ablehnung von Versteckspielen weil diese dem Hund angeblich seelische Pein bereiten...

Die meisten Jagdhunde, die ich beobachtet habe, wissen meist sowieso sofort wo ihr Mensch sich versteckt hat; schauen dann mal ab und an hin und stöbern weiter...

).
Zudem ist mir in diesem Werk besonders die Selbstdarstellung der Autorin negativ aufgefallen. Irgendwann mag man nicht mehr lesen, wie toll sie mit Hunden umgehen kann, wie sie arme Geschöpfe errettet hat und wie sie viele Menschen durch ihre Fähigkeiten erstaunt hat. Verstärkt wird dieser selbstbeweihräuchernde Gestus durch die zahlreichen Bilder, die immer wieder CvR bei der Arbeit, mit den Hunden auf der Bank, beim Spaziergang, usw. usw. abbilden, aber nur zum kleinen Teil tatsächlich den Text unterstützen, indem sie ihn illustrieren. Dieses Bilderbuch hätte nicht sein müssen, weil's größtenteils Fotoalbum-Wert hat. Die Bilder und die gebundene Ausgabe machen aber auch den saftigen Preis aus. Wer schon viel von Animal Learn gehört hat und sich darüber mal informieren möchte und der zudem noch nichts anderes von denen gelesen hat, der kann auch ganz gut mal in dieses Werk reinlesen. Aber ehrlich gesagt: Macht das in der Bücherei - Kaufen würde ich es mir nicht! Da gibt's Besseres auf dem Markt für Jagdgeiergeplagte...
