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Betreff: Tierschützer aus Deutschland in Italien unerwünscht
Wichtigkeit: Hoch
Tierschützer aus Deutschland in Italien unerwünscht
Sonntag, 31. Januar 2010, 18.15 - 19.10 Uhr .
Alltag in italienischen Tierasylen: überfüllte Zwinger
Die italienische Tierschützerin Aurora Brizzi führt ein kleines, privates Tierheim in Tuoro, einem Badeort am Trasimenischen See in Umbrien. Ihre Schützlinge profitieren sehr von der Zusammenarbeit mit einem Tierschutzverein aus dem Ruhrgebiet: „Holt uns hier raus e.V.“ holt regelmäßig Hunde aus Tuoro nach Deutschland und vermittelt sie in ein neues Zuhause.
Anders als in Spanien, wo herrenlose Hunde oft nach 21 Tagen Inobhutnahme im Tierasyl getötet werden, verbieten die italienischen Behörden das Einschläfern gesunder Tiere. Während die hübschen und meist unkomplizierten Vierbeiner in Deutschland schnell ein neues Zuhause finden, fristen die in italienschen Heimen verbleibenden Tiere ihr Dasein dauerhaft in einem tristen Zwinger. Denn in Italien gibt es genau wie in Spanien viel zu viele Hunde, die niemand haben will. Massenweise drängen sie sich in den örtlichen Tierheimen auf engstem Raum, oft unter schlimmen Bedingungen.
Die deutschen Tierschützer holen die Hunde aber nicht ausschließlich von Tuoro nach Deutschland. Sie unterstützen das Tierheim von Tierschützerin Aurora Brizzi auch mit Futter und Medikamenten. Außerdem kümmern sie sich um den Ausbau der Anlage. So fährt Vereinsmitglied Gisela Krutzke mehrmals im Jahr nach Italien, macht sich ein Bild von der Lage vor Ort, sucht Hunde für Deutschland aus, bringt Medikamente und Geld.
Aktuelle Probleme im Tierheim Tuoro
Für die Tiere ist ihr Dasein im Tierheim die reinste Qual
Das Tierheim Tuoro befindet sich in touristisch attraktiver Lage. Genau das aber stört den ortsansässigen Bürgermeister. Der möchte das Tierheim jetzt schließen. 30 Hunde darf Aurora Brizzi behalten, der Rest soll auf die Tierasyle der Umgebung verteilt werden. Neue Tiere darf sie nicht mehr aufnehmen, ständig wird die Auflage vom zuständigen Amt kontrolliert. Nun ist sie erst recht dankbar für jeden Hund, der nach Deutschland darf, denn sie kennt die schlechten Bedingungen, unter denen Hunde in anderen Tierheimen leben müssen.
Schwere Vorwürfe gegen deutsche Tierschützer
Bisher nutzten auch andere italienische Tierasyle die Chance, gelegentlich Hunde nach Deutschland zu schicken, um so der totalen Überfüllung zu entgehen. „Holt uns hier raus e.V.“ arbeitete früher auch mit einem Tierheim in Assisi und in Perugia zusammen. Doch damit ist jetzt Schluss.
Denn in Italien macht sich massiver Widerstand gegen den Export von Tierheimhunden breit. Italienische Zeitungen und Tierschützer sprechen von „Deportation“ und „illegalem Tierhandel“. Deutschen Vereinen wie auch Tierschützerorganisationen aus der Schweiz, Österreich und den Niederlanden wird vorgeworfen, unter dem Deckmantel des Tierschutzes Tierhandel zu betreiben. Konkret lautet die Anschuldigung: Deutsche holen Millionen Hunde aus Italien, Spanien, Griechenland, Osteuropa, der Türkei und Nordafrika mit dem Versprechen auf einen „Sofaplatz in Deutschland“. In Wirklichkeit jedoch würden die Tiere dann an Versuchslabore verkauft.
Wortführerin der Kampagne in Umbrien ist Paola Tintori, die Vorsitzende von ENPA (Ente Nazionale Protezione Animale) der Region Perugia, Professorin für Mathematik an der Universität in Peruga. Die ENPA hat erreicht, dass der Bürgermeister ein Ausreiseverbot für die Hunde der städtischen Asyle verhängt hat. Außerdem verfasste die ENPA eine Petition mit dem Titel „Ti deporto a fare un giro“ („Ich verschleppe Dich“). Ihr Ziel: ein grundsätzliches Ausfuhrverbot für ganz Italien. Die Angriffe italienischer Tierschützer und italienischer Medien sind hart. Mit Schlagzeilen wie „Stoppt die Barbarei“, „Schluss mit der Deportation ins Ausland“, „Pseudoadoption und Deportation“ oder „Die Liga zum Schutz des Hundes sagt Basta“ wird massiv Stimmung gegen deutsche Tierschützer gemacht.
Tierschützer, wie Gisela Krutzke und ihre Mitstreiterin vor Ort, Monica Lungarotti, eine Deutsche, die schon lange in Italien lebt und sich hier intensiv um Tierheimhunde kümmert, fühlen sich zu Unrecht kriminalisiert. Denn für jedes importierte Tier können sie umfangreiche Akten mit sämtlichen Vermittlungsunterlagen, Schutzverträgen und Fotos vorlegen.
Das alles beeindruckt bislang weder die italienische Presse noch die Tierschutzverbände. Paola Tintori, so Monika Lungarotti, lehne es ab, die Unterlagen als Beweis zu akzeptieren. Es steht der Vorwurf im Raum, dass alle Unterlagen gefälscht sind. Auf diese Weise würde viel Geld mit den italienischen Hunden verdient. Auch die Fotos seien gefälscht, um die üblen Geschäfte zu vertuschen.
Was steckt hinter den Vorwürfen?
Für viele Italiener mutet es seltsam an, dass angeblich „Millionen Hunde“ – darunter auch ältere, verletzte oder kranke Tiere – in Deutschland ein Zuhause finden. Sie argumentieren, es gäbe in Deutschland doch auch überfüllte Tierheime, was wolle man also mit italienischen „Unvermittelbaren“? Die Größenordnung „Millionen Hunde“ ist aber völlig überzogen und zeichnen ein ganz falsches Bild der Lage.
In einem Internetforumseintrag ist sogar zu lesen, dass herrenlose Hunde aus Tierheimen oder von Vereinen in Deutschland nicht verschenkt, sondern für 300 bis 400 Euro verkauft würden. In der Tat: Bei einer Million Hunden wäre das ein beachtlicher Gewinn. Diese Rechnung geht aber nur auf, wenn man die oft horrenden Ausgaben für Tierarzt, Medikamente, Unterbringung, Transport, Futter und Betreuung außer Acht lässt. Mangelndes Verständnis oder ungenaue Informationen bieten leicht Raum für Verdächtigungen. Aber nicht nur in Italien, auch in Griechenland oder der Türkei haben Tierschützer mit ähnlichen Vorurteilen zu kämpfen.
Kleine Rechtskunde zum Import
Rein juristisch betrachtet darf man laut EU-Recht Hunde völlig legal im- und exportieren, wenn die aktuell geltenden Auflagen und Impfvorschriften eingehalten werden. Da Fundtiere aber „Sachen“ der zuständigen Gemeinde sind, obliegt es dieser, die Ausfuhr zu erlauben oder zu verbieten.
Trübe Aussichten für das private Tierheim in Tuoro
Deutsche Tierschützer fürchten, die Tiere aus Tuoro nicht mehr rechtzeitig vermitteln zu können
Der Bürgermeister, der für Tuoro und das private Tierheim von Aurora Brizzi verantwortlich ist, sieht das Ganze pragmatisch. Er will das Tierheim schließen und die Tiere einfach nur loswerden – ganz egal, wohin sie reisen.
Gisela Krutzke und ihr Verein würden alle Hunde aus Tuoro herausholen, wenn sie die passenden Plätze hätten. Derzeit leben noch rund 130 Hunde bei Aurora Brizzi: Die meisten von ihnen sind groß, viele alt, manche krank. Eine schwierige Lage für die Tierschützer, denn die Zeit läuft ihnen davon.
„Wir haben die Grenzen in Europa abgeschafft“, kommentiert eine italienische Tierschützerin, „nun bauen wir sie im Tierschutz wieder auf.“
Autorin:
Cornelia Baumsteiger
Betreff: Tierschützer aus Deutschland in Italien unerwünscht
Wichtigkeit: Hoch
Tierschützer aus Deutschland in Italien unerwünscht
Sonntag, 31. Januar 2010, 18.15 - 19.10 Uhr .
Alltag in italienischen Tierasylen: überfüllte Zwinger
Die italienische Tierschützerin Aurora Brizzi führt ein kleines, privates Tierheim in Tuoro, einem Badeort am Trasimenischen See in Umbrien. Ihre Schützlinge profitieren sehr von der Zusammenarbeit mit einem Tierschutzverein aus dem Ruhrgebiet: „Holt uns hier raus e.V.“ holt regelmäßig Hunde aus Tuoro nach Deutschland und vermittelt sie in ein neues Zuhause.
Anders als in Spanien, wo herrenlose Hunde oft nach 21 Tagen Inobhutnahme im Tierasyl getötet werden, verbieten die italienischen Behörden das Einschläfern gesunder Tiere. Während die hübschen und meist unkomplizierten Vierbeiner in Deutschland schnell ein neues Zuhause finden, fristen die in italienschen Heimen verbleibenden Tiere ihr Dasein dauerhaft in einem tristen Zwinger. Denn in Italien gibt es genau wie in Spanien viel zu viele Hunde, die niemand haben will. Massenweise drängen sie sich in den örtlichen Tierheimen auf engstem Raum, oft unter schlimmen Bedingungen.
Die deutschen Tierschützer holen die Hunde aber nicht ausschließlich von Tuoro nach Deutschland. Sie unterstützen das Tierheim von Tierschützerin Aurora Brizzi auch mit Futter und Medikamenten. Außerdem kümmern sie sich um den Ausbau der Anlage. So fährt Vereinsmitglied Gisela Krutzke mehrmals im Jahr nach Italien, macht sich ein Bild von der Lage vor Ort, sucht Hunde für Deutschland aus, bringt Medikamente und Geld.
Aktuelle Probleme im Tierheim Tuoro
Für die Tiere ist ihr Dasein im Tierheim die reinste Qual
Das Tierheim Tuoro befindet sich in touristisch attraktiver Lage. Genau das aber stört den ortsansässigen Bürgermeister. Der möchte das Tierheim jetzt schließen. 30 Hunde darf Aurora Brizzi behalten, der Rest soll auf die Tierasyle der Umgebung verteilt werden. Neue Tiere darf sie nicht mehr aufnehmen, ständig wird die Auflage vom zuständigen Amt kontrolliert. Nun ist sie erst recht dankbar für jeden Hund, der nach Deutschland darf, denn sie kennt die schlechten Bedingungen, unter denen Hunde in anderen Tierheimen leben müssen.
Schwere Vorwürfe gegen deutsche Tierschützer
Bisher nutzten auch andere italienische Tierasyle die Chance, gelegentlich Hunde nach Deutschland zu schicken, um so der totalen Überfüllung zu entgehen. „Holt uns hier raus e.V.“ arbeitete früher auch mit einem Tierheim in Assisi und in Perugia zusammen. Doch damit ist jetzt Schluss.
Denn in Italien macht sich massiver Widerstand gegen den Export von Tierheimhunden breit. Italienische Zeitungen und Tierschützer sprechen von „Deportation“ und „illegalem Tierhandel“. Deutschen Vereinen wie auch Tierschützerorganisationen aus der Schweiz, Österreich und den Niederlanden wird vorgeworfen, unter dem Deckmantel des Tierschutzes Tierhandel zu betreiben. Konkret lautet die Anschuldigung: Deutsche holen Millionen Hunde aus Italien, Spanien, Griechenland, Osteuropa, der Türkei und Nordafrika mit dem Versprechen auf einen „Sofaplatz in Deutschland“. In Wirklichkeit jedoch würden die Tiere dann an Versuchslabore verkauft.
Wortführerin der Kampagne in Umbrien ist Paola Tintori, die Vorsitzende von ENPA (Ente Nazionale Protezione Animale) der Region Perugia, Professorin für Mathematik an der Universität in Peruga. Die ENPA hat erreicht, dass der Bürgermeister ein Ausreiseverbot für die Hunde der städtischen Asyle verhängt hat. Außerdem verfasste die ENPA eine Petition mit dem Titel „Ti deporto a fare un giro“ („Ich verschleppe Dich“). Ihr Ziel: ein grundsätzliches Ausfuhrverbot für ganz Italien. Die Angriffe italienischer Tierschützer und italienischer Medien sind hart. Mit Schlagzeilen wie „Stoppt die Barbarei“, „Schluss mit der Deportation ins Ausland“, „Pseudoadoption und Deportation“ oder „Die Liga zum Schutz des Hundes sagt Basta“ wird massiv Stimmung gegen deutsche Tierschützer gemacht.
Tierschützer, wie Gisela Krutzke und ihre Mitstreiterin vor Ort, Monica Lungarotti, eine Deutsche, die schon lange in Italien lebt und sich hier intensiv um Tierheimhunde kümmert, fühlen sich zu Unrecht kriminalisiert. Denn für jedes importierte Tier können sie umfangreiche Akten mit sämtlichen Vermittlungsunterlagen, Schutzverträgen und Fotos vorlegen.
Das alles beeindruckt bislang weder die italienische Presse noch die Tierschutzverbände. Paola Tintori, so Monika Lungarotti, lehne es ab, die Unterlagen als Beweis zu akzeptieren. Es steht der Vorwurf im Raum, dass alle Unterlagen gefälscht sind. Auf diese Weise würde viel Geld mit den italienischen Hunden verdient. Auch die Fotos seien gefälscht, um die üblen Geschäfte zu vertuschen.
Was steckt hinter den Vorwürfen?
Für viele Italiener mutet es seltsam an, dass angeblich „Millionen Hunde“ – darunter auch ältere, verletzte oder kranke Tiere – in Deutschland ein Zuhause finden. Sie argumentieren, es gäbe in Deutschland doch auch überfüllte Tierheime, was wolle man also mit italienischen „Unvermittelbaren“? Die Größenordnung „Millionen Hunde“ ist aber völlig überzogen und zeichnen ein ganz falsches Bild der Lage.
In einem Internetforumseintrag ist sogar zu lesen, dass herrenlose Hunde aus Tierheimen oder von Vereinen in Deutschland nicht verschenkt, sondern für 300 bis 400 Euro verkauft würden. In der Tat: Bei einer Million Hunden wäre das ein beachtlicher Gewinn. Diese Rechnung geht aber nur auf, wenn man die oft horrenden Ausgaben für Tierarzt, Medikamente, Unterbringung, Transport, Futter und Betreuung außer Acht lässt. Mangelndes Verständnis oder ungenaue Informationen bieten leicht Raum für Verdächtigungen. Aber nicht nur in Italien, auch in Griechenland oder der Türkei haben Tierschützer mit ähnlichen Vorurteilen zu kämpfen.
Kleine Rechtskunde zum Import
Rein juristisch betrachtet darf man laut EU-Recht Hunde völlig legal im- und exportieren, wenn die aktuell geltenden Auflagen und Impfvorschriften eingehalten werden. Da Fundtiere aber „Sachen“ der zuständigen Gemeinde sind, obliegt es dieser, die Ausfuhr zu erlauben oder zu verbieten.
Trübe Aussichten für das private Tierheim in Tuoro
Deutsche Tierschützer fürchten, die Tiere aus Tuoro nicht mehr rechtzeitig vermitteln zu können
Der Bürgermeister, der für Tuoro und das private Tierheim von Aurora Brizzi verantwortlich ist, sieht das Ganze pragmatisch. Er will das Tierheim schließen und die Tiere einfach nur loswerden – ganz egal, wohin sie reisen.
Gisela Krutzke und ihr Verein würden alle Hunde aus Tuoro herausholen, wenn sie die passenden Plätze hätten. Derzeit leben noch rund 130 Hunde bei Aurora Brizzi: Die meisten von ihnen sind groß, viele alt, manche krank. Eine schwierige Lage für die Tierschützer, denn die Zeit läuft ihnen davon.
„Wir haben die Grenzen in Europa abgeschafft“, kommentiert eine italienische Tierschützerin, „nun bauen wir sie im Tierschutz wieder auf.“
Autorin:
Cornelia Baumsteiger