Pitzelpatz
Super Knochen
WIE ICH EIN KRIMINELLER WURDE.
von Stanislav Straka
Als ich zur Welt kam, war ich nach Aussagen meiner Mutter das schönste Kind überhaupt. Wenn ich heute in den Spiegel schaue, neige ich dazu, ihr zu glauben. Außer der üblichen Erbsünde kam ich unschuldig zur Welt. Mit der katholischen Taufe wurde aber auch dieser Makel beseitigt. Ansonsten war ich ein ganz normales Baby.
Als ich eingeschult wurde, waren in der Prager Hilfsschule alle Plätze belegt. Nur diesen Umstand verdanke ich, dass ich alle fünf Klassen der Volksschule mit Erfolg absolvierte. Meine Eltern hatten damals einen Mops und ich hatte einen Wellensittich. Ansonsten war ich aber ein ganz normales Kind.
Auch die nachfolgenden fünf Jahre in der Mittelschule habe ich hinter mich gebracht. Während dieser Zeit starb mein Wellensittich, und ich bekam von meinen Eltern ein Meerschweinchen. Da war ich immer noch ein ganz normaler Junge.
Mit der Lehre begann für mich der Ernst des Lebens. Von meinem ersten Lohn kaufte ich mir einen Foxterrier. Ich war jetzt ein stolzer Hundehalter. Trotzdem war ich ein ganz normaler Jugendlicher.
Nach der Lehre stand ich auf den eigenen Füßen. Ich hatte eine gute Stelle, eine eigene Wohnung, einen Foxterrier, und eines Tages hatte ich auch noch eine Idee. Diese erwies sich rückblickend als Vorstufe meiner krimineller Laufbahn. Ich wünschte mir einen größeren Hund - einen mit dem ich auch arbeiten konnte. Ich kaufte mir einen solchen Hund. Es war eine Deutsche Dogge. Seit dieser Zeit befasste ich mich mit der Ausbildung von Hunden, legte einige Prüfungen ab und gewann zahlreiche Wettbewerbe. Ich war aber immer noch ein ganz normaler junger Mann.
Bei einem dieser Wettkämpfe lernte ich in Ost Berlin meine Frau kennen. Auch sie hatte eine Deutsche Dogge. Kurze Zeit später haben wir geheiratet und lebten einige Zeit in Prag. Jetzt hatten wir zwei große Hunde. Dennoch waren wir ein ganz normales Ehepaar.
Im Jahre 1968 flüchteten wir nach Westdeutschland. Die erste Anschaffung von unserem ersten Lohn war ein Bett, und die zweite Anschaffung war eine Deutsche Dogge. So kam es, dass wir uns eine kleine Doggenzucht aufbauten. Wir waren zufrieden und glücklich. Wir waren ganz normale Hundezüchter.
Es war eine schöne Zeit. Das einzige, was unsere Freude trübte, war die unverhältnismäßige Größe unserer Hunde zu der unserer Wohnung. Nichts dürften wir auf dem Tisch stehen lassen, die Hunde fegten alles was dort stand mit ihren Ruten auf den Boden. Dies war auch der Grund, warum wir unsere Doggenzucht ausliefen ließen. Aber ohne einen Hund zu leben? Unvorstellbar für jemanden, der mit Hunden aufwuchs. Deshalb suchten wir eine Hunderasse die so lieb war wie die deutsche Dogge es ist, die aber der Größe unserer Wohnung eher entsprach. Wir fanden sie. Es war eine Bullterrierhündin, die wir Agathe nannten. Wegen Ihr wurden wir oft auf der Straße von Passanten angesprochen. Viele fragten, ob es ein Hund oder ein Schaf ist, das was wir da an der Leine führen. "Wie niedlich sie doch aussieht" hörten wir oft, "ungewöhnlich" meinten andere, und sogar "komisch" fand man Agathe Für uns hingegen war sie die schönste Hündin, die es je auf der Welt gab. Da waren wir wieder ganz normale Hundehalter.
Dieser Hunderasse blieben wir auch nach dem Tod unserer Agathe treu. Gundula hieß unsere zweite Bullterrierhündin. Sie war genauso lieb wie Agathe. Sie liebte andere Hunde, sie liebte Kinder und alle Menschen, die ihr begegneten. Auch Gundula war die schönste Bullterrierhündin die es je auf der Welt gab. Leider kam Sie aber zu einer Zeit auf die Welt, als Politiker das Aussehen dieser Hunde nicht ungewöhnlich oder gar komisch fanden, sondern Angst einflößend, worüber nachgedacht werden musste. Ein Hundeführerschein für Halter aller ausländische Hunderassen, die einen grimmigen Blick haben kam zur Sprache - und eine Bezeichnung dieser Hunde auch. Und so kam es, dass man sie Kampfhunde nannte. Seit dieser Zeit fragt uns niemand mehr, ob wir einen Hund oder einen Schaf an der Leine führen. Von nun an wechseln die meisten Passanten die Strassenseite wenn sie uns begegnen, und die Mütter reissen Ihre Kinder an ihre Brust und schreien: "Igittigitt ein Kampfhund". Man meidet uns. Fortan sind wir ganz normale Kampfhundehalter.
Ob es unsere Gundula merkte, dass man sie haßte? Vielleicht. Jedenfalls entschied sich diese Welt im alter von 6 Jahren für immer zu verlassen.
Als der Hund eines kriminellen den Türkischen Jungen Volkan in Hamburg tötete, hat sich für uns die Situation geändert. Ein Spaziergang mit unserem Hund glich einem Spießrutenlauf. Es war wieder eine Bullterrierhündin, der wir für den "Kampfhund" typischen Namen Olli Blümchen gaben". Und wieder war sie für uns die schönste Bullterrierhündin, die es je auf der Welt gab. Auch sie liebt Menschen und Hunde. Ja - selbst Hühner und Igel. Sie liebt sogar Briefträger. Die meisten Menschen die sie kennen lieben sie auch. Leser der BILD-Zeitung hingegen lieben Olli Blümchen nicht. Ebenso wenig lieben diejenigen unseren Hund, die sogenannte Fachkommentare von Politikern hören, besonders von solchen, die plötzlich Sachverständige sind. Sachverständige in allen Fragen zum Hund, zum Kampfhund, zur Kampfmaschine und zu blutrünstigen Bestien - zu denen nun auch Olli Blümchen gehört. Für diese Politiker ist aber Olli Blümchen nicht nur ein Kampfhund, eine Kampfmaschine oder eine blutrünstige Bestie. Ihrer Meinung nach ist sie auch eine gefährliche Waffe in Hand eines Kriminellen .
Und so kam es, dass auch ich ein Krimineller wurde.
Vielleicht bin ich sogar ein Zuhälter. Wer weiss? Ein deutscher Politiker hat es mich wissen lassen: "Solche Hunde halten überwiegend Zuhälter". Eine Politikerin hat sogar zur gesellschaftlichen Ächtung aller "Kampfhundehalter" aufgerufen.
Um die Gesellschaft vor mir und vor meiner Frau zu warnen, habe ich mir auf die Heckscheibe meines Autos ein Schild anbringen lassen:
"ACHTUNG AUSSÄTZIGE. WIR HABEN EINEN HUND".
von Stanislav Straka
Als ich zur Welt kam, war ich nach Aussagen meiner Mutter das schönste Kind überhaupt. Wenn ich heute in den Spiegel schaue, neige ich dazu, ihr zu glauben. Außer der üblichen Erbsünde kam ich unschuldig zur Welt. Mit der katholischen Taufe wurde aber auch dieser Makel beseitigt. Ansonsten war ich ein ganz normales Baby.
Als ich eingeschult wurde, waren in der Prager Hilfsschule alle Plätze belegt. Nur diesen Umstand verdanke ich, dass ich alle fünf Klassen der Volksschule mit Erfolg absolvierte. Meine Eltern hatten damals einen Mops und ich hatte einen Wellensittich. Ansonsten war ich aber ein ganz normales Kind.
Auch die nachfolgenden fünf Jahre in der Mittelschule habe ich hinter mich gebracht. Während dieser Zeit starb mein Wellensittich, und ich bekam von meinen Eltern ein Meerschweinchen. Da war ich immer noch ein ganz normaler Junge.
Mit der Lehre begann für mich der Ernst des Lebens. Von meinem ersten Lohn kaufte ich mir einen Foxterrier. Ich war jetzt ein stolzer Hundehalter. Trotzdem war ich ein ganz normaler Jugendlicher.
Nach der Lehre stand ich auf den eigenen Füßen. Ich hatte eine gute Stelle, eine eigene Wohnung, einen Foxterrier, und eines Tages hatte ich auch noch eine Idee. Diese erwies sich rückblickend als Vorstufe meiner krimineller Laufbahn. Ich wünschte mir einen größeren Hund - einen mit dem ich auch arbeiten konnte. Ich kaufte mir einen solchen Hund. Es war eine Deutsche Dogge. Seit dieser Zeit befasste ich mich mit der Ausbildung von Hunden, legte einige Prüfungen ab und gewann zahlreiche Wettbewerbe. Ich war aber immer noch ein ganz normaler junger Mann.
Bei einem dieser Wettkämpfe lernte ich in Ost Berlin meine Frau kennen. Auch sie hatte eine Deutsche Dogge. Kurze Zeit später haben wir geheiratet und lebten einige Zeit in Prag. Jetzt hatten wir zwei große Hunde. Dennoch waren wir ein ganz normales Ehepaar.
Im Jahre 1968 flüchteten wir nach Westdeutschland. Die erste Anschaffung von unserem ersten Lohn war ein Bett, und die zweite Anschaffung war eine Deutsche Dogge. So kam es, dass wir uns eine kleine Doggenzucht aufbauten. Wir waren zufrieden und glücklich. Wir waren ganz normale Hundezüchter.
Es war eine schöne Zeit. Das einzige, was unsere Freude trübte, war die unverhältnismäßige Größe unserer Hunde zu der unserer Wohnung. Nichts dürften wir auf dem Tisch stehen lassen, die Hunde fegten alles was dort stand mit ihren Ruten auf den Boden. Dies war auch der Grund, warum wir unsere Doggenzucht ausliefen ließen. Aber ohne einen Hund zu leben? Unvorstellbar für jemanden, der mit Hunden aufwuchs. Deshalb suchten wir eine Hunderasse die so lieb war wie die deutsche Dogge es ist, die aber der Größe unserer Wohnung eher entsprach. Wir fanden sie. Es war eine Bullterrierhündin, die wir Agathe nannten. Wegen Ihr wurden wir oft auf der Straße von Passanten angesprochen. Viele fragten, ob es ein Hund oder ein Schaf ist, das was wir da an der Leine führen. "Wie niedlich sie doch aussieht" hörten wir oft, "ungewöhnlich" meinten andere, und sogar "komisch" fand man Agathe Für uns hingegen war sie die schönste Hündin, die es je auf der Welt gab. Da waren wir wieder ganz normale Hundehalter.
Dieser Hunderasse blieben wir auch nach dem Tod unserer Agathe treu. Gundula hieß unsere zweite Bullterrierhündin. Sie war genauso lieb wie Agathe. Sie liebte andere Hunde, sie liebte Kinder und alle Menschen, die ihr begegneten. Auch Gundula war die schönste Bullterrierhündin die es je auf der Welt gab. Leider kam Sie aber zu einer Zeit auf die Welt, als Politiker das Aussehen dieser Hunde nicht ungewöhnlich oder gar komisch fanden, sondern Angst einflößend, worüber nachgedacht werden musste. Ein Hundeführerschein für Halter aller ausländische Hunderassen, die einen grimmigen Blick haben kam zur Sprache - und eine Bezeichnung dieser Hunde auch. Und so kam es, dass man sie Kampfhunde nannte. Seit dieser Zeit fragt uns niemand mehr, ob wir einen Hund oder einen Schaf an der Leine führen. Von nun an wechseln die meisten Passanten die Strassenseite wenn sie uns begegnen, und die Mütter reissen Ihre Kinder an ihre Brust und schreien: "Igittigitt ein Kampfhund". Man meidet uns. Fortan sind wir ganz normale Kampfhundehalter.
Ob es unsere Gundula merkte, dass man sie haßte? Vielleicht. Jedenfalls entschied sich diese Welt im alter von 6 Jahren für immer zu verlassen.
Als der Hund eines kriminellen den Türkischen Jungen Volkan in Hamburg tötete, hat sich für uns die Situation geändert. Ein Spaziergang mit unserem Hund glich einem Spießrutenlauf. Es war wieder eine Bullterrierhündin, der wir für den "Kampfhund" typischen Namen Olli Blümchen gaben". Und wieder war sie für uns die schönste Bullterrierhündin, die es je auf der Welt gab. Auch sie liebt Menschen und Hunde. Ja - selbst Hühner und Igel. Sie liebt sogar Briefträger. Die meisten Menschen die sie kennen lieben sie auch. Leser der BILD-Zeitung hingegen lieben Olli Blümchen nicht. Ebenso wenig lieben diejenigen unseren Hund, die sogenannte Fachkommentare von Politikern hören, besonders von solchen, die plötzlich Sachverständige sind. Sachverständige in allen Fragen zum Hund, zum Kampfhund, zur Kampfmaschine und zu blutrünstigen Bestien - zu denen nun auch Olli Blümchen gehört. Für diese Politiker ist aber Olli Blümchen nicht nur ein Kampfhund, eine Kampfmaschine oder eine blutrünstige Bestie. Ihrer Meinung nach ist sie auch eine gefährliche Waffe in Hand eines Kriminellen .
Und so kam es, dass auch ich ein Krimineller wurde.
Vielleicht bin ich sogar ein Zuhälter. Wer weiss? Ein deutscher Politiker hat es mich wissen lassen: "Solche Hunde halten überwiegend Zuhälter". Eine Politikerin hat sogar zur gesellschaftlichen Ächtung aller "Kampfhundehalter" aufgerufen.
Um die Gesellschaft vor mir und vor meiner Frau zu warnen, habe ich mir auf die Heckscheibe meines Autos ein Schild anbringen lassen:
"ACHTUNG AUSSÄTZIGE. WIR HABEN EINEN HUND".