Wenn der beste Freund Herrchen krank macht

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Wenn der beste Freund Herrchen krank macht

Zoonosen: Haustiere können gefährliche Krankheitserreger auf Menschen übertragen / Alte Seuche getilgt, neue tauchen auf


Von Jürgen Langenkämper

Minden (mt). Vierbeiner sind oft der beste Freund eines Menschen. Oft wird dabei aber vergessen, dass auch Haustiere gefährliche Krankheitserreger auf ihren Halter übertragen können Zoonosen.

Mit hohem Fieber lag vor ein paar Wochen ein Mann auf der Intensivstation des Klinikums Minden. Verdacht: Zecken-Meningitis. Denn der Kranke war von einer Zecke gebissen und dieser Anamnese von seinem Hausarzt eingewiesen worden.

Doch dann kam Nierenversagen hinzu. Eine Blutuntersuchung wies Leptospiren nach. Weil diese von erkrankten Kühen übertragen werden können, wenn deren Rohmilch ohne vorherige Erhitzung getrunken wird, schaltete das Kreisgesundheitsamt das Veterinäramt ein. Da der erkrankte Landwirt auch Rinder hielt, untersuchte Kreisveterinär Dr. Egbert Veltmann stichprobenweise die Herde und stellte tatsächlich Antikörper bei zwei Tieren fest allerdings ohne Merkmale einer Erkrankung.

Wahrscheinlicher ist ein zweiter Infektionsweg, so Veltmann bei der Ursachenforschung. Der Landwirt hatte kurz vor der Erkrankung die Abdeckung eines Silos entfernt und darunter auch fortlaufende Ratten gesichtet. Möglicherweise hat er sich an Rattenurin infiziert, vermutet der Veterinär. Denn die Leptospiren hätten auch über Risse in den Händen in die Haut eindringen können. Der Mann ist inzwischen wieder geheilt.

Trotz zuweilen spektakulärer Berichte ist die aktuelle gesundheitliche Bedrohung durch Tierkrankheiten, die die Artengrenze überspringen und auf den Menschen übergreifen können, wohl geringer denn je und doch: Zwar gilt die Tollwut in Europa seit Ende der 80er-Jahre als getilgt, ebenso die Tuberkulose. Aber: Durch zunehmende Migration und Tourismus werden Zoonosen ein großes Problem, warnt Veltmann. Auf dem Wege können auch alte Krankheiten zurückkehren.

So brachten vor Jahren Urlauber einen kleinen Hund aus dem Vorderen Orient mit nach Düsseldorf, der mit Hunderten von Hunden und Menschen in Kontakt kam, bevor die Tollwut bei ihm ausbrach. Zum Glück ohne weitere Folgen.

Veltmann selbst kann sich aus eigener Praxis noch an einen Tollwut-Fall Anfang der 80er in Messlingen erinnern so etwas bleibt haften , als bei einem Pferd nach in diesem speziellen Fall neunmonatiger Inkubationszeit die Tollwut ausbrach und eine Reihe von Kinder geimpft werden mussten, deren Schulweg an dem Stall und der Wiese entlang führte.

Nach Impfungen und gezielter Bejagung gibt es heute wieder viele Füchse, frei von Tollwut, dafür aber in wachsendem Maße Träger des Fuchsbandwurms. Schätzungsweise jeder vierte Fuchs hat ihn, sagt Veltmann. In Süddeutschland ist der Durchseuchungsgrad höher. Mit dem Kot scheidet der Fuchs den Bandwurm aus und verteilt ihn, wenn die Eier auch am Schwanz anhaften, über Waldfrüchte und gegebenfalls in Gärten, wo Füchse als Kulturfolger in Ortslagen vordringen. Gelangen Bandwurmeier über nicht ausreichend erhitzte Pilze, Früchte oder Obst in den menschlichen Organismus, zerstört der Parasit die Leber, bei zu spätem Erkennen mit tödlichen Folgen.

Über befallene Schermäuse, die in geschwächtem Zustand eine leichte Beute für Katzen und Hunde, aber auch für Füchse selbst werden, werden auch die Haustiere befallen allerdings ohne sichtbar zu erkranken, aber mit großen Gefahren für den Halter. Jäger ließen deshalb ihren Jagdhunden prophylaktisch spezielle Bandwurmkuren verabreichen, sagt Veltmann. Übliche Wurmkuren für Haustiere deckten dieses Spektrum sonst nicht ab.

Während früher in landwirtschaftlichen Haushalten der menschliche Wohnbereich und die Stallungen streng voneinander getrennt waren, leben Haustiere heute zuweilen in engem Kontakt mit ihren Herrchen und Frauchen. Ins Bett gehören Tiere nicht, empfiehlt der Amtstierarzt als eine hygienische Vorsichtsmaßregel. Und auch Küsschen und Abschlecken finden nicht gerade sein Wohlgefallen.

Ein Paradebeispiel für das Zusammenwirken menschlicher und tierischer Krankheitserreger liefert Südostasien. Dort leben Menschen, Schweine und Wassergeflügel in manchen Regionen in sehr engem Kontakt, sagt Veltmann. Dadurch entstehen durch den Austausch von Teilen des Genoms immer neue sehr virulente Virusstämme, die durch den internationalen Reiseverkehr in alle Welt verbreitet werden. Der Spanischen Grippe fielen während des Ersten Weltkriegs schätzungsweise 50 Millionen Menschen in Europa zu Opfer, mehr als jeder anderen einzelnen Epidemie, den Schwarzen Tod von 1348, die durch den Rattenfloh übertragene Beulenpest, eingerechnet.

Stichwort Zoonosen

Als Zoonosen werden alle Krankheiten und Infektionen bezeichnet, die auf natürlichem Weg direkt oder indirekt zwischen Wirbeltieren und Menschen übertragen werden. Eine Infektion braucht nicht von krankhaften Erscheinungen gefolgt zu sein. Schon bei der Ansteckung kommt es in der Regel sofort zu einer Abwehrreaktion des Körpers. Nicht jede Infektion führt zu einer Krankheit.

Die Möglichkeit, dass Lebensmittel von klinisch kranken Tieren in den Verkehr gelangen, ist durch die amtliche Schlachttier- und Fleischuntersuchung und sonstige Lebensmittelkontrollen sehr gering. Tiere ohne klinisch sichtbare Krankheitssymptome können trotzdem Träger oder Ausscheider von Zoonosenerregern sein, die durchaus in Lebensmitteln vorkommen können, die von solchen Tieren stammen. Dies bedeutet jedoch nicht generell eine potentielle Gefahr für den Menschen.

Im Rahmen einer möglichst weitgehenden Erfassung und Überwachung wurde bereits 1980 durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein Überwachungsprogramm für die Kontrolle von lebensmittelbedingten Infektionen und Vergiftungen in Europa eingerichtet und das damalige Bundesgesundheitsamt in Berlin mit der Koordinierung betraut. Inzwischen melden von Grönland über den Mittelmeerraum bis zur Pazifikküste 50 Länder Daten das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR).

Quelle: Mindener Tageblatt
 
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