Das tut mir leid, ich kann auch gut verstehen, wie es ist, wenn die Trauer irgendwie wegbleibt.
Meine Oma ist am 22 August 2003 gestorben, und ich kann dich verstehen, dass dir nicht nach Trauern ist. Auch meine war lange krank, sie brach plötzlich zusammen und vegetierte im Krankenhaus monatelang jämmerlich daher und redete wirres Zeug. Anfang kam sie noch einmal zur Besinnung und als sie merkte, in was für einer entwürdigenden Situation sie war (sie war immer sehr groß und arrogant), fing sie fürchterlich an zu weinen.
Es war eine Erlösung für sie, die ich ihr schon lange heimlich gewünscht hatte, weil für mich klar war, dass sie nicht mehr gesund werden wird. Und dass man ihr das nicht antun kann. Außerdem war ich als ich es erfahren hab, sehr weit weg von allem Kummer (in einem Kurort in Japan) und war nur ein bisschen traurig, aber sonst? Monatelang hieß es "Anna, die Oma liegt im Sterben, Anna, der Oma geht's wieder etwas besser, Anna, die Oma liegt jetzt wirklich im Sterben, Anna, die Oma,..."
Wenn ich sie besucht hatte, erkannte ich sie nicht mehr, wollte nur weg wie ein Kleinkind, das nicht weiß, was los ist. Das war nicht mehr unsere Oma, die bei ihren Enkelkinder das Statut einer Göttin hatte, das war ein jämmerlicher Schatten ihrerselbst.
Ich finde, man muss sie gehen lassen können, wenn es ihnen unheilbar dreckig geht. Ab einem gewissen Alter muss man sich bei seinen Großeltern auch mit dem Gedanken abfinden, dass es nicht mehr lange dauern wird. Meine Omat hatte ein gutes Leben und ein dreckiges, zum Glück nicht allzu langes, Ende.
Aber für mich ist und bleibt sie in meiner Erinnerung die große, mächtige, liebe, großzügige, (falsche, beängstigende, arrogante) Oma, die die besten Dampfnudeln und Markklößchensuppe der Welt gemacht hat und das reicht mir
