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Sendung vom 23. Mai 2004
Mantrailing – Vermisstensuche mit Hunden
Von Ute Brunne
Mantrailing ist eine Jahrhunderte alte Methode der Vermisstensuche mit Hunden. Weltweit wurden meist Bluthunde, die so genannten Bloodhounds, zum Aufspüren entflohener Häftlinge eingesetzt. In Europa ist das Mantrailing im vergangenen Jahrhundert allerdings in Vergessenheit geraten.
Ursula Massen gründete vor einigen Jahren das Mantrailer-Team Bodensee und brachte das „American Mantrailing“ als eine der ersten wieder nach Deutschland. Ihre Hündin Luna ist eine Expertin für die Suche nach Personen. Oft sucht sie nach vermissten älteren Leuten, Kindern oder verirrten Wanderern. Dazu muss bekannt sein, wo die Person zuletzt gesehen wurde. Dann wird Luna an diesen Ort gebracht und bekommt einen Geruchsartikel mit dem Duft des zu suchenden Menschen. Ursula Massen hat eine Tüte mit einem Schal darin und stülpt sie Luna einmal kurz über den Fang. Die Hündin nimmt einen tiefen Zug aus der Tüte mit dem Duft und springt los.
„Für das Mantrailing werden verschiedene Geruchsartikel benutzt. Alles was im Leben gebraucht wird, wird dem Hund gezeigt. Ein Stift, ein Glas, eine Brieftasche, ein Schlüssel oder ein Kleidungsstück – alles was die vermisste Person angefasst hat, taugt als Geruch für den Hund, um die Fährte aufzunehmen“, erklärt Ursula Massen.
Luna sucht, um den Geruch aus der Tüte wiederzufinden und ihn zu verfolgen. Dabei wittert sie mal mit der Nase unten oder oben, je nachdem, wo der Geruch gerade am stärksten ist. Denn der Mantrailer folgt dem so genannten Individualgeruch einer Person. Dieser Geruch entsteht aus abgestorbenen Körperzellen, die ein Mensch ständig verliert. Bakterien zersetzen die toten Zellen und produzieren dabei ein Gas. Das ist der Individualgeruch – für die Hundenase so unverwechselbar wie ein Fingerabdruck. Je nach Alter der Spur, Wind und Wetter verteilt sich der Geruch.
Während der Suche zeigt der Hund sehr schnell durch Körperhaltung an „jetzt bin ich genau oder nicht mehr ganz auf der Spur“. Das muss der Mensch verstehen lernen, und der Hund muss lernen, das anzuzeigen. „Der Hundeführer muss dem Hund vertrauen, weil der Hund hat die Nase, nicht die Person“, erläutert Ursula Massen die Suche von Luna. Zum Vertrauen gehört auch, den Hund von der Leine zu lassen und ihn unter keinen Umständen zu beeinflussen. Das ist wohl die schwierigste Lektion für den Hundeführer beim Trailen.
Luna ist eine Spinone Italiano, eine Jagdhunderasse mit viel Bluthundanteil. Dennoch ist Ursula Massen der Meinung, dass sich verschiedene Hunde fürs Mantrailing eignen: „Will man mit einem Hund das Mantrailing anfangen, nimmt man am besten einen jungen Hund, weil der ist noch roh, hat also noch keine Erziehung bekommen. Denn der Mantrailer darf nicht zu sehr erzogen werden, weil er soll ja im Suchgeschirr ziehen. Der Hund sollte – wenn möglich – eine gute Suchveranlagung mitbringen. Dafür eignen sich allerdings Jagdhunde besser, die haben den Suchtrieb ja reingezüchtet bekommen. Und der Hund muss auch eine große Eigenständigkeit haben. Denn diese Hunde haben einfach den Dickkopf, jetzt dieser Spur nachzugehen, um das Ende zu finden.“
Heute wird das Mantrailing als eine gute Ergänzung bei der Rettungshundearbeit gesehen. Deshalb trainieren immer mehr Hundeführer die Suche nach vermissten Personen. Inzwischen formieren sich hier und da kleine Gruppen – wie in Dortmund. Susanne Langer und Christiane Liebeck kamen über Ursula Massen ans Mantrailing, als sie für ihre Hunde eine sinnvolle Beschäftigung gesucht haben. Denn Podenco Carlos und die Tiroler Bracken Toss und Carla haben einen extremen Jagdtrieb und sind deshalb ohne Leine kaum zu halten. Für sie ist das Trailen ein willkommener Ausgleich, bei dem sie sich auch an der Leine richtig auspowern können.
Bei der Vermisstensuche unverzichtbar ist aber auch korrektes Verhalten. Steigt eine Person zum Beispiel in ein geschlossenes Fahrzeug, ist der Geruch weg. Dann muss der Mantrailer seinem Hundeführer eine klare Negativanzeige machen. Denn auch das Ende einer Spur muss der Hund zuverlässig anzeigen. Der Hund steigt am Hundeführer hoch und gibt ihm damit klar zu verstehen: hier endet die Suche.
Mit dem Ziel echte Einsätze zu laufen, trainieren Christiane und Susanne inzwischen regelmäßig ihre Hunde. Die Tiroler Bracke Toss von Christiane Liebeck verfolgt sogar im Stadtgewimmel zielsicher die Spur. Ein sorgfältig ausgebildeter Mantrailer kann sogar noch mehrere Wochen alte Fährten aufnehmen.
Das Suchen an sich ist leicht zu erlernen. Die Familienmitglieder kann jeder Hund finden und dabei eine Menge Spaß haben. Doch eine ernsthafte Ausbildung zum fertigen Mantrailer ist langwierig und längst nicht jeder Hund hat genug Talent. Den Unterschied zum Freizeittrailen erklärt Christiane Liebeck aus eigener Erfahrung: „Gehe ich in den professionellen Bereich, habe ich einen enormen Zeitaufwand. Ich trainiere zwei bis dreimal die Woche, egal bei welchem Wetter: Regen, Sturm, Schnee, Hitze. Morgens, abends, damit diese Unterschiede auch rauskommen und die Hunde unterschiedliche Situationen haben. Denn der Geruch verändert sich ja mit dem Wetter, der Tageszeit und auch das Alter der Fährte spielt eine Rolle. Das muss alles trainiert werden. Dann muss ich verschiedene Personen animieren, für mich das Opfer zu spielen. Das ist gar nicht so einfach, weil wenn man die dann dreimal gefragt hat, möchten die meisten dann auch schon nicht mehr gesucht werden.“
Doch die Mühe lohnt sich, denn die privat ausgebildeten Mantrailer ziehen inzwischen auch das Interesse der ersten Polizeidiensthunde-Führer auf sich. Andreas Vogel ist Polizeidiensthunde-Führer bei der Polizei in Gütersloh und beschäftigt sich seit Jahren mit dem Mantrailing. Allerdings ist das bisher noch reines Privatvergnügen. Doch er will alles darüber lernen, um das Mantrailing möglicherweise in der Zukunft im Polizeidienst nutzen zu können. Er sagt jedoch ganz klar: „Innerhalb meines Aufgabenbereichs ist es noch kein Thema, und wir haben auch zurzeit nicht die Möglichkeiten auf Grund der Schutzhunde, die wir haben, diese Art der Nachsuche durchzuführen.“ Denn die zum absoluten Gehorsam erzogenen Schutzhunde können nämlich nicht einfach zum Mantrailer ausgebildet werden. Dazu braucht man talentierte Jagdhunde, die von klein an mit dem Trailen groß werden.
Kontaktadressen:
Mantrailer-Team Bodensee e.V.
Ursula Massen
Am Rebberg 29
78337 Öhningen
Tel. (0 77 35) 13 23
Fax (0 77 35) 15 27
Internet:
www.man-trailer.com
E-Mail:
UrsulaMassen@aol.com
Mantrailing-Gruppe NRW
Christiane Liebeck
Mobiltelefon: (01 72) 5 17 95 88
Susanne Langer
Mobiltelefon: (01 73) 7 35 87 17
www.mantrailer.org
Arbeitskreis Mantrailer Deutschland
www.bloodhound-mantrailing.de
Bloodhound-Mantrailing
www.mantrailing.com
National Bloodhound Association of Switzerland
www.otterhound.ch/suchhundA.htm
American Mantrailing – Otterhound-Site
www.hundezeitung.de/ausbildung/mantrailing.html
Online-Hundezeitung
www.drk-rettungshundestaffel.com
Deutsches Rotes Kreuz/Kreisverband Stuttgart e.V.
(unter „Downloads“ gibt es einen ausführlichen Artikel über Mantrailing)