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Aus FOCUS Nr. 28 (1995)
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Deutschland
TIERSCHUTZ
Geht voll ab
Wegen Veruntreuung von Spenden ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Animal Peace
Von Frank Siering
Die Zuschauer im Zirkus Krone in Köln waren überrascht. Kurz vor Schluß der Vorstellung, die Elefanten hatten gerade ihre Kunststückchen beendet, stürmten mehrere Jugendliche in roten Anoraks die Arena. „Manege frei von Tieren“, schrien sie ins Publikum. Bärenstarke Ordner drängelten die Störenfriede vors Zelt.
Die Jugendlichen in der roten Kluft waren Anhänger der radikalen Tierrechtsorganisation Animal Peace. Durch ihre spektakulären und medienwirksamen Aktionen machten sie in den vergangenen Wochen mehrfach auf sich aufmerksam.
Animal Peacler ketteten sich an den Gorillakäfig im Münchner Zoo, liefen zum Protest gegen die Pelzträger nackt durch Deutschlands Innenstädte, störten Treibjagden im gesamten Bundesgebiet, brachen in Legebatterien ein und legten Vorführungen in Delphinarien lahm.
Die Wirkung blieb nicht aus. Fernsehsender, Radiostationen, Zeitungen berichteten, die Öffentlichkeit interessierte sich plötzlich für die engagierten Robin Hoods der Tiere. Mit der Publicity schwappte Geld in die leeren Kassen von Animal Peace. Sprunghaft nahmen die Spenden zu. Die Sponsoren standen plötzlich Schlange. Ein Tierfan schenkte einen BMW der 7er Reihe, ein anderer will das dazugehörige Benzin bezahlen. Die Zentrale von Animal Peace, ein freistehendes Haus in angenehmem ländlichen Ambiente in der Nähe von Köln, wurde ausgebaut.
Die Action macht´s. Spätestens seit „Brent Spar“ haben die Verbraucher ihr Kämpferherz – zumindest im Geldbeutel – wiederentdeckt. Geschickt surft auch Animal Peace auf dem Trittbrett der Spender. Nicht ganz zufällig sind bei fast jeder Aktion TV-Teams oder mehrere Fotografen dabei.
Nur wenn es um die Buchführung der eigenen Organisation geht, bleiben die militanten Tierfreunde lieber unter sich. Immerhin ermittelt die Staatsanwaltschaft Darmstadt wegen Betrugs und Untreue gegen Animal Peace. Nach Erkenntnissen der Kripo Offenbach hat die Organisation demnach in drei Jahren rund eine Million Mark an Spenden eingenommen. Nur ein Prozent der Summe sei für den Tierschutz verwendet worden.
„Diese Ermittlungen betreffen den alten Vorstand“, verteidigt sich Silke Ruthenberg, seit 1993 Vorsitzende von Animal Peace. Dennoch gibt sie zu, daß „99 Prozent unserer Ausgaben für Werbung und Aktionen draufgehen“. Das sei noch nie anders gewesen.
Ruthenberg, die Tiere und Menschen als gleichwertige Individuen sieht, ist der Kopf der Organisation, die 1987 von sogenannten autonomen Tierrechtlern in Frankfurt gegründet wurde.
Ursprünglich stammt die Tierrechtsbewegung aus den USA. Sie unterscheidet sich vom Natur- und Tierschutz, indem sie sich ausschließlich um individuelle Geschöpfe kümmert. Dabei ist es egal, ob eine Tierart bedroht ist oder nicht. Einer der Vordenker, der Amerikaner Tom Regan, verteufelt ökologisches Naturverständnis als „Umweltfaschismus“.
So wie er sehen Tierrechtler keinen Grund, warum der Mensch dem Tier gegenüber besondere Rechte haben sollte. Der Tierrechtsphilosoph Helmut F. Kaplan: „Auch das Töten von Menschen ist ökologisch unbedenklich.“
Ruthenberg, etwas vorschnell und publicitygerecht als deutsche Brigitte Bardot betitelt, teilt diesen irrwitzigen Gedanken. Sie und ihre Organisation geraten jetzt in die Schußlinie anderer Tierschützer. Heinz Kourim, Vizepräsident im Deutschen Tierschutzbund: „Wir leiden, weil die so einen Blödsinn daherreden.“ Martina Moorbach von der Konkurrenzorganisation „Vier Pfoten“ aus Hamburg stellt sogar die Frage, ob Animal Peace „nur Öffentlichkeit oder tatsächlich etwas für die Aktion erreichen will“. Immerhin habe sie noch nie jemanden von Animal Peace bei der schwierigen und kameraunattraktiven Lobbyarbeit in Bonn gesehen.
Schindluder mit Tierschutz? – Kourim glaubt, Animal Peace sei „eine Zeiterscheinung“, die sich „am Markt kaum halten kann“. Moorbach, die jahrelang bei Greenpeace aktiv war, wird noch deutlicher: „Mit Tierschutz wollen viele die schnelle Mark machen.“
Unbeeindruckt von solcher Kritik will Silke Ruthenberg weiterkämpfen, jetzt, „wo es gerade richtig Spaß macht und voll abgeht“. Gerade neulich, so sagt sie, sei sie doch glatt „um ein Autogramm gebeten worden“, weil sie jemand aus dem Fernsehen erkannt habe. Es sei ihr zwar peinlich gewesen, aber unterschrieben habe sie dann doch – im Namen der Tiere natürlich.
JUNG UND MILITANT
Die Tierrechtsorganisation Animal Peace arbeitet bundesweit und hat derzeit 20 000 Mitglieder. Die meisten sind zwischen 18 und 30 Jahre alt. Mitgliedsbeitrag per annum: 20 Mark. Dazu kamen in acht Jahren Millionenspenden.
SPEKTAKULÄRE AKTIONEN VON ANIMAL PEACE
DORTMUND – Nackt durch die Innenstadt: In Anlehnung an mehrere Top-Models ließen auch die Vertreter von Animal Peace die Hüllen fallen, um gegen Pelzkäufer und -industrie zu demonstrieren
MÜNCHEN – Angekettet an den Affenkäfig im Münchner Zoo – gegen das Tierelend
lg caro