Chrisi85
Super Knochen
Hallo!
Ein sehr interessanter Artikel der "Presse":
Ansteckender Krebs bei Hunden
Onkologie. Infektiöse Tumorzellen bilden eine eigene Lebensform, die sich fortpflanzt.
Sind Tumore ansteckend, sind sie, an ders gefragt, eigene Lebensformen, die sich zunächst von einem Körper lossagen und dann über ihn hinaus fortpflanzen können? Bei Menschen nicht, soweit man weiß. Zwar kann man sich auch "Tumore holen", aber nur indirekt, dadurch, dass man sich Viren holt, die Tumore verursachen, vor allem Papilloviren. Aber Tumorzellen selbst gehen nicht von einem Menschen auf den anderen (seltene Ausnahme: Organtransplantate).
Bei Tieren ist das anders, etwa bei Tasmanischen Teufeln, extrem bissigen Nagern in Australien. Sie stehen vor dem Aussterben, weil einer irgendwann einen Tumor bekam, der das Gesicht zerfrisst. Dieses Tier hat einen Artgenossen ins Gesicht gebissen und ihn dabei mit Tumorzellen seiner Mundschleimhaut infiziert, und so weiter. Ein ähnliches Phänomen gibt es bei Syrischen Hamstern, beide Tumore sind tödlich, sie passen zumindest insofern ins herkömmliche Bild von Krebs. Und beide werden verschwinden - als eigene Lebensformen aussterben -, wenn der letzte Tasmanische Teufel respektive Syrische Hamster tot ist.
Bei Hunden ist es wieder anders. Auch sie haben einen Tumor - "transmissibler venerischer Tumor", TVT, auch Sticker-Sarkom genannt - , von dem man schon lange vermutet, dass er durch Tumorzellen übertragen wird, vor allem beim Sex. Für die Hypothese spricht, dass der Tumor sich im Labor nur mit lebenden Zellen übertragen lässt, nicht mit toten. Allerdings gab es auch die Gegenhypothese, derzufolge ein Virus den Krebs auslöst, das nur noch nicht gefunden ist. Nun hat eine Gruppe um Robin Weiss (University College London) Klarheit geschaffen: Man hat zunächst Gewebe von drei infizierten Hunden analysiert - aus Indien, Italien und Kenia - und in allen Tumorzellen Genome entdeckt, die (a) untereinander sehr ähnlich sind und (b) mit dem Genom des restlichen Körpers nichts gemeinsam haben: In den Hunden hausen Zellen anderer Hunde.
Dann hat man die Analyse auf 400 Proben weltweit ausgedehnt: Es gibt zwei TVT-Linien, die sich kurz nach der Entstehung des Tumors getrennt haben. Er kam vermutlich aus Ostasien - in Wölfen oder Züchtungen wie Huskies -, der Zeitraum ist schwer einzuengen, die Entstehung liegt mindestens 2000 Jahre zurück, vielleicht auch 2500, vielleicht noch länger, seitdem lebt das gespenstische Etwas. "Eine Körperzelle ist zu einem übertragbaren Parasiten geworden, der sich über die gesamte Erde verteilt hat", erklärt Weiss: "Und er ist die älteste bekannte kontinuierlich wachsende Zelllinie eines Säugetiers".
Ein Parasit, und zwar ein kluger
Das verdankt er dem, was bei TVT und Hunden anders ist als bei den Tasmanischen Teufeln und ihrem Krebs, es gibt zwei eigenartige Unterschiede. "Gewöhnliche" Tumore mutieren oft und werden immer aggressiver - deshalb sterben die Teufel -, der Hundetumor verändert sich kaum, er hat ein stabiles Genom (und das, obwohl er aneuploid ist, eine falsche Chromosomenzahl hat, was sonst Mutationen antreibt). Und er ist nicht sehr aggressiv, insofern ein klügerer Parasit: Er tötet seine Wirte selten, wird nach einiger Zeit vom Immunsystem unter Kontrolle gebracht - da ist er längst im nächsten Wirt und lebt dort weiter.
"Die Vorstellung einer infektiösen Krebszelle ist sowohl auf- wie furchterregend", kommentiert Elaine Ostrander (National Institute of Health, Bethesda): "Nun müssen sich Onkologen und Evolutionsbiologen fragen, warum es nicht mehr übertragbare Tumore gibt." Vielleicht deshalb, weil TVT einen einzigartigen Weg entwickelt hat, sich vor dem Immunsystem zu verstecken bzw. dessen Gene so zu dämpfen, dass es ihn zunächst nicht detektiert. Vielleicht auch deshalb, weil TVT einen speziellen Infektionsweg gefunden hat. Über die Übertragung ist wenig bekannt, so wenig, dass Ostrander fragt, ob der Krebs auch bei künstlicher Befruchtung kommen kann. Die ist in der Hundezucht verbreitet, auch bei Schutzprogrammen für wilde Hunde-Verwandte.
Ein sehr interessanter Artikel der "Presse":
Ansteckender Krebs bei Hunden
Onkologie. Infektiöse Tumorzellen bilden eine eigene Lebensform, die sich fortpflanzt.
Sind Tumore ansteckend, sind sie, an ders gefragt, eigene Lebensformen, die sich zunächst von einem Körper lossagen und dann über ihn hinaus fortpflanzen können? Bei Menschen nicht, soweit man weiß. Zwar kann man sich auch "Tumore holen", aber nur indirekt, dadurch, dass man sich Viren holt, die Tumore verursachen, vor allem Papilloviren. Aber Tumorzellen selbst gehen nicht von einem Menschen auf den anderen (seltene Ausnahme: Organtransplantate).
Bei Tieren ist das anders, etwa bei Tasmanischen Teufeln, extrem bissigen Nagern in Australien. Sie stehen vor dem Aussterben, weil einer irgendwann einen Tumor bekam, der das Gesicht zerfrisst. Dieses Tier hat einen Artgenossen ins Gesicht gebissen und ihn dabei mit Tumorzellen seiner Mundschleimhaut infiziert, und so weiter. Ein ähnliches Phänomen gibt es bei Syrischen Hamstern, beide Tumore sind tödlich, sie passen zumindest insofern ins herkömmliche Bild von Krebs. Und beide werden verschwinden - als eigene Lebensformen aussterben -, wenn der letzte Tasmanische Teufel respektive Syrische Hamster tot ist.
Bei Hunden ist es wieder anders. Auch sie haben einen Tumor - "transmissibler venerischer Tumor", TVT, auch Sticker-Sarkom genannt - , von dem man schon lange vermutet, dass er durch Tumorzellen übertragen wird, vor allem beim Sex. Für die Hypothese spricht, dass der Tumor sich im Labor nur mit lebenden Zellen übertragen lässt, nicht mit toten. Allerdings gab es auch die Gegenhypothese, derzufolge ein Virus den Krebs auslöst, das nur noch nicht gefunden ist. Nun hat eine Gruppe um Robin Weiss (University College London) Klarheit geschaffen: Man hat zunächst Gewebe von drei infizierten Hunden analysiert - aus Indien, Italien und Kenia - und in allen Tumorzellen Genome entdeckt, die (a) untereinander sehr ähnlich sind und (b) mit dem Genom des restlichen Körpers nichts gemeinsam haben: In den Hunden hausen Zellen anderer Hunde.
Dann hat man die Analyse auf 400 Proben weltweit ausgedehnt: Es gibt zwei TVT-Linien, die sich kurz nach der Entstehung des Tumors getrennt haben. Er kam vermutlich aus Ostasien - in Wölfen oder Züchtungen wie Huskies -, der Zeitraum ist schwer einzuengen, die Entstehung liegt mindestens 2000 Jahre zurück, vielleicht auch 2500, vielleicht noch länger, seitdem lebt das gespenstische Etwas. "Eine Körperzelle ist zu einem übertragbaren Parasiten geworden, der sich über die gesamte Erde verteilt hat", erklärt Weiss: "Und er ist die älteste bekannte kontinuierlich wachsende Zelllinie eines Säugetiers".
Ein Parasit, und zwar ein kluger
Das verdankt er dem, was bei TVT und Hunden anders ist als bei den Tasmanischen Teufeln und ihrem Krebs, es gibt zwei eigenartige Unterschiede. "Gewöhnliche" Tumore mutieren oft und werden immer aggressiver - deshalb sterben die Teufel -, der Hundetumor verändert sich kaum, er hat ein stabiles Genom (und das, obwohl er aneuploid ist, eine falsche Chromosomenzahl hat, was sonst Mutationen antreibt). Und er ist nicht sehr aggressiv, insofern ein klügerer Parasit: Er tötet seine Wirte selten, wird nach einiger Zeit vom Immunsystem unter Kontrolle gebracht - da ist er längst im nächsten Wirt und lebt dort weiter.
"Die Vorstellung einer infektiösen Krebszelle ist sowohl auf- wie furchterregend", kommentiert Elaine Ostrander (National Institute of Health, Bethesda): "Nun müssen sich Onkologen und Evolutionsbiologen fragen, warum es nicht mehr übertragbare Tumore gibt." Vielleicht deshalb, weil TVT einen einzigartigen Weg entwickelt hat, sich vor dem Immunsystem zu verstecken bzw. dessen Gene so zu dämpfen, dass es ihn zunächst nicht detektiert. Vielleicht auch deshalb, weil TVT einen speziellen Infektionsweg gefunden hat. Über die Übertragung ist wenig bekannt, so wenig, dass Ostrander fragt, ob der Krebs auch bei künstlicher Befruchtung kommen kann. Die ist in der Hundezucht verbreitet, auch bei Schutzprogrammen für wilde Hunde-Verwandte.