(Erlebte) Tiergeschichten

juka

Super Knochen
Servus alle miteinander!
Da ich sehr gerne Geschichten über selbst Erlebtes mit Tieren schreibe (habe schon ein kleines Büchel verfaßt) und annehme, dass es unter Euch auch viele gibt, die auch gerne schreiben, möchte ich diesen Thread eröffnen. Sollte es schon einen diesbezüglichen geben, verzeiht bitte.
Die folgende Geschichte, die ich als Kind vor 51 Jahren erlebte, ist mir so sehr im Gedächtnis geblieben, dass es gestern hätte sein können.... immer wieder sehe ich die Augen des Hundes vor mir....
Sitta und die Dame
Als ich 7 Jahre alt war, holten meine Eltern aus dem Wiener Tierschutzhaus eine - welch ein Zufall! - 7jährige reinrassige Riesenschnauzerhündin, die von ihrer Vorbesitzerin, einer "Dame", wie sich die Pflegerin damals ausdrückte, samt ihren fünf Jungen mit dem Hinweis abgegeben wurde, sie könne und wolle weder für die Jungen noch weiterhin für die Mutterhündin sorgen. Was das Abschieben eines 7jährigen Hundes, dem es bis dahin nicht schlecht ging, ins Heim bedeutet, brauche ich nicht weiter zu erläutern. Die Jungen fanden einen Platz, übrig blieb die alte Hündin.
Ich kam also von der Schule nachhause und fand ein riesiges schwarzes Etwas vor, das sich so gebärdete, als wäre es schon immer Mitglied unserer Familie gewesen. Der Funke zwischen Sitta und mir sprang sofort über. In ihr erwachte der mütterliche Beschützerinstinkt, in mir das Urvertrauen, dass ich nun vor nichts und niemand mehr Angst zu haben brauchte.
Eines schönen Wochenendtages fuhren meine Eltern mit dem Rest der Familie in die Neunkirchner Allee zwecks Befriedigung des übermäßigen Bewegungsdranges von Kind und Hund. Sitta verschwand plötzlich im Föhrenwald. Wir wußten vorerst nicht, dass sie diesen Drang bei einer Jagd nach einem Hasen auslebte, bis sie nach einiger, für uns banger Zeit mit blutverschmierter Schnauze zurück kam. Die folgende Standpauke überhörte sie geflissentlich. Hunde können ja ab und zu an plötzlicher Taubheit leiden...
Am Ende dieses glimpflich verlaufenen Nachmittags - schließlich hätte dem Hund ja nicht nur ein Hase, sondern auch ein Jäger vor die Schnauze laufen können - beschlossen wir, den Tag bei einer guten Jause in einem nahe gelegenen Gasthaus ausklingen zu lassen. Da es warm war, saßen wir im Freien, Sitta lag halb unter dem Tisch und war von ihrem jagdlichen Erfolg sichtlich müde.
Eine Frau betrat den Gastgarten, von der äußeren Erscheinung her als "Dame" zu bezeichnen - um nicht zu sagen, sie war etwas aufgetakelt. Sie ging bei unserem Tisch vorbei, stutzte, drehte sich um, kam zurück, schaute auf den Boden und sagte: "Der Hund sieht aus wie meine Sitta!" Der Hund rührte sich nicht. Meiner Mutter gefror sichtbar vor Wut das Blut in den Adern, sie wurde nämlich leichenblass - schien dies doch jene "Dame" zu sein, die die alte Hündin samt Jungen ins Tierheim abgeschoben hatte. Eigenartigerweise zügelte ich - ob es wohl Instinkt war? - meinen kindlichen Stolz und platze nicht mit den Worten heraus, die ich mir dachte, nämlich dass dieser Hund Sitta ist.
Wenn es um Unrecht ging, das an Tieren begangen wurde, konnte meine Mutter zur Berserkerin werden. Sie hatte also sofort begriffen und antwortete unwirsch: "Das ist nicht Sitta. Und wie kommen Sie überhaupt darauf?" Der Hund rührte sich nicht. Die Antwort meiner Mutter hätte die Dame stutzig machen können, sie ging jedoch ob des rüden Tones meiner Mutter wortlos weiter.
Ich schaute zu dem Hund hinunter. Er lag noch immer regungslos da. Nur die Augen verfolgten die Dame, bis sie außer Sichtweite war. Und dann - dann hob Sitta ganz, ganz langsam, wie in Zeitlupe, ihren Kopf, sah meine Mutter mit einem Blick an, den ich nie im Leben vergessen werde. Es fehlte nur noch, dass sie zu sprechen begann: "Danke. Danke, dass du mich nicht verraten hast".
Manchmal träume ich noch heute von dieser "Szene" und sehe die Augen des Hundes vor mir, aus denen so viel Liebe und Dankbarkeit strahlte. (copyright by juka)
 
Zuletzt bearbeitet:
*mehrgeschichtenwissenwill* *heul*
Hast Du schon einen Verlag gefunden? Ich würde gern 1 Büchlein bestellen! Deine Geschichte ist so rührend, vielleicht stellst ja noch ein paar rein. :)
 
sunshine1 schrieb:
*mehrgeschichtenwissenwill* *heul*
Hast Du schon einen Verlag gefunden? Ich würde gern 1 Büchlein bestellen! Deine Geschichte ist so rührend, vielleicht stellst ja noch ein paar rein. :)
oh, danke für das kompliment... muss schauen, welche geschichten nicht zuuu lang sind...
kein verlag, nur "privat", aber ich könnte dir ja ein büchel zukommen lassen... dauert nur ein bißchen.
 
*auchmehrgeschichtenlesenwill*

An so einem Büchlein hätte ich auch interesse, ich liebe solche Geschichten und kann gar nicht genug davon kriegen.
 
MORITZ
und der Schmetterling

Mein Moritz ist ein Halbedler, drei Jahre alt. Seine Mutter ist eine reinrassige Siamesin, sein Vater, nun ja, wie das Leben so spielt, hat sich nach Erfüllung der außerehelichen Pflichten aus dem Staub gemacht also Vater unbekannt.

Moritz hat alle Attribute und Wesenseigenschaften seiner Mutter geerbt er ist schlank, hochbeinig, feingliedrig mit dem typisch siamesischen Dreiecksgesicht. Seine Augen sind leuchtend zitronengelb, manchmal werden sie grün. Sein Fell ist unheimlich glänzend, seidenweich und tiefschwarz diese Farbe dürfte wohl das Erbstück des Vaters sein mit an verschiedenen Stellen gezählten zehn weißen Härchen. Nur im gleißenden Sonnenlicht sieht man ein wenig die rostige Unterwolle mit schwacher Tigerzeichnung. Dieses Fell macht süchtig. Man kann einfach nicht mehr aufhören zu streicheln, die Hände darin zu vergraben. Erbstück der Mutter ist auch die Redefreudigkeit. Moritz spricht, wenn er nicht gerade schläft, sehr oft: Mit mir, mit meinem Sohn, mit seiner Gefährtin Micki und mit sich selbst. Er redet, plaudert und schimpft vor allem mit mir.
Dieses Prachtexemplar von einem Kater bescherte mir im Sommer 2001 folgende Geschichte.
Das menschliche Gedächtnis hat es so an sich, ab und zu ein paar Lücken aufzuweisen, so dass eine Memowand aus Metall, gespickt mit entsprechenden aufgeschriebenen Stützen, gute Dienste leistet. Bunte Schmetterlinge in zwei verschiedenen Größen, mit Plastikflügeln und einem Körper aus Magnet anstelle der nichtssagenden Knöpfe machen die Erinnerungsstützen gleich viel bunter und freundlicher. Ein bisschen täuschend echte Natur ins Haus holen, dachte ich, würde auch die Tatsache verschönern, dass das Gedächtnis manchen Streich spielt. Zehn kleine und große Admirale, Pfauenaugen und Zitronenfalter saßen also teils auf der Memowand, teils auf der Kühlschranktür.
Für Nichteingeweihte muss ich erklären, dass mein Moritz alles fängt und frisst, was auch nur annähernd einer potentiellen Beute ähnelt, egal, ob es kriecht, fliegt oder auch sich gerade nicht bewegt. So ein Schmetterling ist also eine potentielle Beute.
Da fällt mir eines Samstagvormittags auf, dass ein kleiner dieser Flattertiere auf der Kühlschranktür fehlt. Blick auf den Boden nichts. Da schießt es mir wie ein Blitz durch den Kopf. Moritz wird doch nicht ... Moritz! Moooooritz! Keine Reaktion. Er liegt in einer Schachtel vis a vis der Küchentür im Vorzimmer und schaut mich still an. Eigenartig, sonst wuselt er doch fast die ganze Zeit durch die Wohnung, wenn ich zuhause bin. Moritz, hast du ...? Sag endlich, hast du... ??? Moritz sagt nichts. Er schaut mich eher mit einem leidenden Hundeblick denn dem eines stolzen Katers an. Meine Überzeugung: Moritz hat ... er hat den Plastikschmetterling samt Magnet gefressen.
Sie kennen das ja sicher: wann bricht zuhause ein Wasserrohr? Natürlich am Wochenende. Wann schmerzt ein Zahn am ärgsten? Natürlich am Wochenende. Wann braucht man ganz dringend einen Tierarzt? Natürlich am Wochenende und/oder wenn der oder die eigene auf Urlaub ist. Es ist Samstag und unsere Tierärztin ist auf Urlaub. Vertretung: die Veterinärmedizinische Universität sozusagen das andere Ende der Welt.
Gott sei Dank gibt es auch am Wochenende Retter in der Not, die Dienst machen, wenn die eigene, vertraute und beste Tierärztin nicht greifbar ist. Ich hänge also am Telefon, schildere die Situation und denke im Stillen, je mehr Meinungen ich höre, desto sicherer weiß ich, was zu tun ist. Vier männliche bzw. weibliche Tierärzte geben mir quasi die gleiche Antwort: Nein, man glaube nicht, dass der Kater das gefressen habe, es wäre doch zu groß und vor allem zu sperrig. Er könne es nicht hinunterschlucken. Ich möge doch nochmals die ganze Wohnung absuchen ... andererseits, wenn er es doch verschluckt haben sollte, dann wäre Eile geboten, denn in den Darm solle das Ding nicht wandern, da wäre eine Operation sehr kompliziert. Wenn ich also das Ding nicht bald fände, wäre es doch gescheiter, auf die Interne der Vet. med. zu fahren. ...
Ich sehe mich schon fliegenden Schrittes mit Moritz im Sog zum Taxi rennen und das Ding bereits in den Darm wandern. Schön cool bleiben und System in die Sache bringen! Bei dreieinhalb Zimmern samt Nebenräumen kann es sich doch ohnehin nur noch um Stunden drehen, bis das corpus delicti gefunden ist. Ich liege mehr am Boden als ich stehe und robbe vor mich hin. Jedes Fleckchen, jede Ecke wird begutachtet, vor den Möbeln, hinter den Möbeln, unter den Möbeln mit Taschenlampe ausgeleuchtet. Ich finde zwar jede Menge Lurch, aber nicht dieses verdammte Plastikvieh. Zuletzt als letzte Hoffnung schaue ich nochmals in die Küche. Ich schaue auf den Boden, ich schaue unter und hinter die Bank, ich schaue in die Abwasch - kein Schmetterling. Ich schaue Moritz in der Schachtel an war da nicht gerade so etwas wie ein Grinsen?
Ich rufe die Interne der Vet. med. an und schildere zum fünften Mal das Geschehene, erweitert durch die Tatsache, dass ich bereits alles abgesucht hätte. Die sehr freundliche Tierärztin am anderen Ende des Drahtes leistet zuerst einmal mir erste Hilfe, beruhigt mich und bedauert den Kater keineswegs. Sie sagt nur: Haben sie eigentlich auch unter dem Kühlschrank nachgeschaut? Kühlschrank? NEIN! Habe ich nicht. Ich bitte sie um ihre Klappennummer zwecks Rückruf. Ich renne mit Taschenlampe zurück in die Küche. Da unten beim Kühlschrank ist ja so gut wie kein Abstand zum Boden. Ich lege mich auf den Bauch und leuchte ... friedlich schlummernd liegt da der kleine Schmetterling. Haben Sie jetzt den Felsbrocken gehört, der mir vom Herzen plumpste? Ich rufe wie vereinbart zurück und sehe die Retterin in der Not direkt vor mir, wie sie heimlich grinst...
Ich schaue Moritz in der Schachtel an. Jetzt meine ich ganz deutlich ein schadenfrohes Grinsen zu sehen und wie er mich geradezu auslacht... Moritz, du schwarze Ratte, wenn du nicht so lieb wärst, würde ich dich jetzt glatt erwürgen.

Post scriptum: der Gerechtigkeit halber muss ich erwähnen, dass meine zweite Katze Micki, ihres Zeichens eine siebenjährige mimosenhafte Fotodiva, mich bei meiner Suchaktion eher verständnislos angeschaut hatte. Ich hätte ja schließlich wissen müssen, dass es Moritz ein diebisches Vergnügen bereitete, mich an der Nase herumzuführen. (copyright by juka)
 
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Und eine letzte Geschichte (sonst bleibt ja vom Büchel nix mehr übrig... :D )

MICKI​

Diese Geschichte spricht für sich selbst und hat keinen Untertitel. Es ist die Geschichte eines Tieres, dessen Leben tragisch verlief und doch viele schöne und auch glückliche Stunden in sich barg.

In den Jahren 1981 bis 1990 fuhren mein Sohn und ich jedes Jahr im August nach Grünbach am Schneeberg. Eine Kollegin aus meinen Ministerientagen und ihr Mann besaßen dort mit direktem Blick vom Küchenfenster auf den Schneeberg ein großes Haus mit Garten. Da sie auch zwei Katzen hatten, durften wir jedes Jahr im Juli oder August Katzensitten. Meine Kollegin Annemarie und ihr Mann Franz waren nämlich begeisterte Bergsteiger und lebten ihr Hobby meist in den Tiroler Bergen und in den Dolomiten aus. Ihren Hauptwohnsitz hatten sie allerdings in Wien-Oberlaa, wo sie ebenfalls ein schönes Haus mit Garten besaßen.
Bereits vor ihrer Geburt stand Mickis Leben unter keinem guten Stern. Ihre Mutter, todkrank, legte eines ihrer erst ungefähr vier Wochen alten Jungen in den Garten in Oberlaa. Das Muttertier wurde schon einige Zeit vorher beobachtet, wie sie immer wieder in den Garten kam und dann wieder verschwand. Sie war jedoch so scheu, dass sie sich nicht fangen ließ und konnte deshalb nur gefüttert werden. Sie musste sehr krank gewesen sein und wollte wahrscheinlich ihre Jungen versorgt wissen. Einige Tage, nachdem sie das Junge im Garten abgelegt hatte, wurde sie tot aufgefunden. Wo die anderen Jungen geblieben waren, ist ungewiss. Annemarie und Franz nahmen das Kleine zu sich, zogen es mit der Flasche auf und gaben ihm den Namen Micki. Sie war eine sogenannte Hauskatze, eine kurzhaarige, sehr dunkel gezeichnete Tigerin. Micki war sehr eng an ihre Menschen gebunden und wollte überallhin mitgenommen werden. Gewöhnt an eine Leine, folgte sie ihren Menschen auf Schritt und Tritt. Sie war überhaupt eine sehr freundliche Katze, die sich auch Fremden vertrauensvoll näherte. Mickis große Leidenschaft war das Bergklettern, angeseilt mit ihrer Leine. Bergkameraden staunten nicht schlecht, als sie die Kletterkatze sahen, die bei den letzten Metern einen Spurt hinlegte und stets als Erste auf dem Gipfel ankam. Niemand machte ihr diesen Platz streitig. Mit der Zeit eilte der Kletterkatze der Ruf der unbezwingbaren Bergsteigerin voraus.
Als Micki im dritten Lebensjahr war, verschwand sie eines Tages aus ihrer vertrauten Umgebung in Oberlaa. Die Unruhe ihrer Menschen war sehr groß, die Katze entfernte sich nie sehr weit von ihrem Zuhause. Als sie am nächsten Tag noch immer nicht zurückkam, wurde eine große Suchaktion in naher und weiterer Umgebung mit Zettelaushang gestartet. Annemarie und Franz hatten so eine Ahnung, dass etwas Schreckliches passiert sein musste. Am dritten Tag rief eine Nachbarin, die nur zwei Häuser weiter weg wohnte, an und teilte mit, dass seit kurzer Zeit in ihrem Garten eine Katze läge, die anscheinend tot sei.
Das Tier sah furchtbar aus. Ein Tierquäler hatte sie nicht nur mit einer Schrotflinte in den Kopf geschossen, sondern auch noch an mehreren Stellen des Körpers mit Wachs übergossen. Weil Micki keine Angst vor fremden Menschen zeigte, hatte dieser Unmensch ein leichtes Spiel.
Annemarie und Franz konnten nicht einmal sagen, ob es wirklich ihre Micki war. Bei näherem Hinschauen sahen sie jedoch, dass dieses arme Tier noch lebte! Sie riefen ihren Namen ... als Antwort kam ein ganz leises Miauen. Das schwerverletzte Geschöpf war Micki. Annemarie und Franz fuhren sofort ins Tierspital, wo sich ein Arzt bereit erklärte, die Katze zu operieren und das Wachs zu entfernen. Die Operation dauerte sehr lange. Das Fell wurde, so weit möglich, geschoren, aus der rechten Kopfhälfte entfernte der Arzt zwei Schrottkugeln, eine dritte lag jedoch zu nahe am Gehirn und konnte deshalb nicht entfernt werden. Der Arzt meinte, er glaube nicht, dass Micki diese schwere Verletzung überleben werde, man müsse abwarten. Erst nach einigen Tagen könne man sagen, ob das Tier über den Berg sei. Und es würde behindert bleiben. Annemarie nahm sich Urlaub und verbrachte den ganzen Tag bei ihrer Katze im Tierspital, die an einer Infusion hing und künstlich ernährt wurde.
Es musste wieder eines dieser unerklärlichen Wunder geschehen sein. Micki hatte einen unbändigen Überlebenswillen, dabei half ihr sicher auch die Anwesenheit ihres Menschen, der immer und immer wieder mit ihr redete und sie streichelte.
Sie hatte nicht nur die schwere Verletzung, sondern auch die Operation gut überstanden. Ihre Behinderung bestand darin, dass die rechte Gesichtshälfte gelähmt blieb und das rechte Auge starr war. Um sich räumlich zu orientieren, musste sich Micki erst einmal oder mehrmals links um ihre eigene Achse drehen. Erst dann konnte sie gehen. Springen war unmöglich geworden. Sie konnte normal essen, sehr langsam zwar, aber mit Appetit. Aufs Kistchen ging sie ohne Schwierigkeiten, brauchte aber eine gewisse Zeit, bis sie hinein steigen konnte.
Im Laufe der Zeit entwickelte Micki, was das Essen betraf, ungewöhnliche Vorlieben. Sie aß nur mehr rohes, faschiertes Rindfleisch, jeden Tag in der Früh einen halben Eckerlschmelzkäse und am Abend Cremespinat, zubereitet, wie auch wir Menschen ihn gerne mögen.
Dann folgte eine neue, tragische Wende. Sie bekam epileptische Anfälle, die Folge der noch im Kopf sitzenden Schrottkugel. Jeden Tag musste sie nun auch eine Tablette nehmen, die sie aber bereitwillig schluckte, wenn sie im Käse versteckt war.
Annemarie und Franz hatten unendliche Geduld mit ihrer Micki und sie liebten sie mehr als je zuvor. Sie dankte es ihnen mit einer geradezu hündischen Anhänglichkeit und zeigte ihre Zuneigung vor allem dadurch, dass sie sehr laut schnurrte. Eigentlich war es mehr ein Knarren als Schnurren.
Ich selbst habe einmal so einen epileptischen Anfall miterleben müssen. Wenn man es schaffte, die Katze in den ersten Sekunden in den Arm zu nehmen und zu beruhigen, brach der Anfall nicht voll aus. Im Laufe der Zeit verringerten sich die Anfälle jedoch von selbst und sie brauchte nur mehr eine halbe Tablette.
Micki wurde 16 (in Worten: sechzehn) Jahre alt. Eines Tages ist sie eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht.
Ich glaube, dass dieser schöne Tod das glückliche Ende der tragischen Geschichte eines Katzenlebens ist. (copyright by juka)
 
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danke flaxig.... also, wenn wer wirklich interesse haben sollte, ich kann ihm gern ein büchel zukommen lassen....
jetzt aber - als allerallerallerletztes - eine etwas andere art von tiergeschichte... ein gedicht.

Der alte Baum
Wie oft sah ich in all den Jahren
deine Arme Blätter tragen?
Schon lange trägst du keine Früchte mehr,
dein Herz ist ausgebrannt und leer.
Du neigst dein kahles Haupt zur Winterzeit,
schwer ist die Last, die abertausend
glitzernd weißer Sterne dir bereit'.
Wie lange wirst du diese Mühsal noch ertragen?

Wie lang wird's dauern, bis Blitz und Donner
dich zu Boden schlagen?
Halt aus, du guter, alter Baum!
Ich möcht' noch viele Jahre in deine Arme schau'n!
Du darfst nicht sterben!

Denn in der Fülle deines ehrfurchtsvollen Haupts,
dort, wo deine Arme dünn gen Himmel streben,
hallt tausendfach noch zwitschernd Leben.
So strebst du also, alter Baum, auch sterbend noch,
den letzten Sinn dir zu erfüllen
und hilflos mit den nackten Flügeln schlagende Geschöpfe
mit deinen Blätterarmen schützend zu umhüllen.
(copyright by juka)
PS: es handelt sich um einen Obstbaum, der vor meinem Fenster im Haus einer Freundin im Mühlviertel stand. Der Baum mußte voriges Jahr gefällt werden.
 
Einfach wunderschön und sehr berührend. Ich finde, du solltest diese Geschichten veröffentlichen.
 
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