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Mit Skalpell und Liebe gegen Hunde-Elend
Margrit Taymur lässt wilde Hunde in Mazedonien kastrieren und hilft so der Bevölkerung
30.07.2005 / www.glattaler.ch
Fällanden - In den abgelegenen Regionen Mazedoniens sind wilde Hunde eine Gefahr für Nutztiere und Bevölkerung. Die Fällanderin Margrit Taymur versucht das Problem vor Ort zusammen mit Schweizer Tierärzten zu lösen. Ihr Rezept: die Kastration.
«Wenn die Nahrung für die wilden Hunderudel im Winter knapp wird, kann man Kinder nicht mehr alleine nach draussen lassen, denn sie würden angegriffen», schildert Margrit Taymur die prekäre Lage in der Region um Gostivar, einer Kleinstadt 60 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Skopje. Man schätzt, dass dort gegen 1000 wilde Hunde ein jämmerliches Dasein fristen. Sie sind von Parasiten und Krankheitserregern befallen, die auch erwachsenen Menschen gefährlich werden können.
Wilde Hunde reissen Ziegen
«Von Hunger getrieben, suchen sie in den Dörfern nach Nahrung», erklärt Taymur, die Coiffeuse und Hundetrainerin ist. «Doch anders als die Wölfe und Bären in den umliegenden Bergen haben die Hunde keine natürliche Scheu vor den Menschen.» Weil die Speisereste und Schlachtabfälle den Nahrungsbedarf der ständig steigenden Population aber nicht decken können, reissen die wilden Hunde jedes Jahr unzählige Ziegen und Schafe auf den Weiden, was die Hirten in ihrer Existenz bedroht. Und: sie bedrohen die Leute in den Dörfern.
Ein 45-Kilo-Problem
Ihre erste Begegnung mit den wilden Hunden in Mazedonien hatte die Fällanderin, als sie vor zwei Jahren ihren Lebenspartner Isaack Aliu in dessen Heimatdorf besuchte. Beim Anblick der Mitleid erregenden Tiere war für sie sofort klar: Hier muss etwas getan werden. Zurück in der Schweiz, gründete sie die private Hilfsorganisation «Hunde helfen Hunden». Der etwas ungewöhnliche Name rührt daher, dass Taymur die ersten Einnahmen für das Projekt mit einem Hunde-Erziehungskurs erzielte womit die gesunden Schweizer Bellos indirekt ihre verwahrlosten Artgenossen in Mazedonien unterstützten.
Vergangenes Jahr reiste Taymur erstmals nach Mazedonien, um zusammen mit einem achtköpfigen Team von Ärztinnen aus dem Tierspital Zürich gegen 80 Kastrationen vorzunehmen. Die behandelten aber nicht nur die wilden Tiere, sondern auch die mazedonischen Herdenschutzhunde, die bis zu 45 Kilo schweren Sarplaninac, die sich zusehends mit den wilden Hunden vermischen und so für ihre Besitzer letztlich selbst zum Problem werden.
5000 Franken sind genug
Im Frühsommer ist die Fällanderin nun vor ihrer zweiten Tierschutzaktion in Mazedonien zurückgekehrt. Diesmal waren 28 Ärzte und freiwillige Helfer während zwei Wochen im Einsatz, darunter auch der Dübendorfer Tierarzt Enrico Clavadetscher. Doch nicht nur die Mediziner, auch das medizinische Material musste in den mausarmen Balkanstaat geschafft werden. Die Operationstische hat sich Taymur beim Schweizer Militär beschafft, als OP-Beleuchtung dienten Bauscheinwerfer aus dem Hobbymarkt. «Für einen Einsatz reichen 5000 bis 6000 Franken, mehr benötige ich gar nicht», so Taymur. «Mit dem Geld finanziere ich das Material und vor allem die Medikamente, die Narkosemittel. Die Reisekosten übernimmt jeder Helfer selbst.» Um das Projekt zu finanzieren, reichen die Einnahmen aus den Hundeerziehungskursen nicht aus. Und so verkauft die Fällanderin Backwerk an den regionalen Märkten, informiert mit Vorträgen über die Situation der Wildhunde in Mazedonien oder organisiert Ausflüge für Hundefreunde.
Kastration im Akkord
Die Eingriffe wurden in einer leer geräumten, rund 100 Quadratmeter grossen Autowerkstatt vorgenommen. Im angrenzenden Unterstand konnten sich die Hunde im Stroh erholen, bis man sie wieder zu ihren Rudeln zurückbrachte. «Es war fast wie Kriegsmedizin», fasst Taymur zusammen. «Dabei waren die hygienischen Bedingungen aber durchaus nicht schlechter als in einem Spital, wo es unzählige Keime gibt, weil immer im gleichen Raum operiert wird.»
Während die Ärztinnen und Ärzte den insgesamt 220 Hunden im Akkord die Hoden und Eierstöcke entnahmen, war Taymur mit dem Einfangen der Tiere beschäftigt, wofür sie mit Betäubungsmittel präparierte Köder verwendete. «Weil das Mittel erst nach einiger Zeit wirkt, darf man die Hunde nie aus den Augen verlieren», erklärt die Tierschützerin.
«Ausserdem erwischt man so fast nur die Hunde der niedrigeren Hierarchiestufen. Die sind froh, dass sie überhaupt mal etwas zu fressen bekommen. Der Nachteil ist, dass sie sich im Vergleich mit den Alphatieren weniger fortpflanzen.» Für Taymur ist die Kastration dennoch der einzige Weg, um die Ausbreitung der wilden Hunde in Griff zu bekommen. Auch wenn sie sich über die nachhaltige Wirksamkeit keine Illusionen macht: «Die Natur reproduziert zu einem grossen Teil, was wir dezimieren.»
Gegen Hunde-«Schlepper»
Gar kein Verständnis hat die Fällanderin für Organisationen und Einzelpersonen, die wilde Hunde in die Schweiz bringen egal ob aus Mazedonien, Spanien oder Rumänien. «Das sind für mich Schlepper», sagt sie kämpferisch. «Denn die Hunde tragen nicht nur gefährliche Krankheiten in sich, sie bleiben in der Regel auch ihr ganzes Leben stark verhaltensgestört.»
Ein längefristiges Ziel der Fällanderin ist es, den Leuten vor Ort aufzuzeigen, wie das Zusammenleben von Mensch und Hund auch aussehen könnte. Sie macht es gleich vor, denn als Rudelführerin im Nebenamt lässt sie ihre vier Deutschen Schäfer natürlich nicht für Wochen zu Hause in der Schweiz, und auch der Kater Päuli hat die Reise im Auto schon zweimal mitgemacht. «Gerade die Kinder sind jeweils ganz erstaunt, dass selbst die halbwilden Haus- und Herdenschutzhunde nicht beissen, wenn man nett zu ihnen ist und sie streichelt. Bis sich der Umgang mit den Hunden wesentlich verbessert, wird es aber noch einige Zeit dauern», ist Taymur realistisch, «schliesslich gibt es auch in der Schweiz immer noch Bauern, die ihre überzähligen Hunde oder Katzen einfach ertränken oder erschlagen.»
Sie vergisst Menschen nicht
Bei allem Engagement für die Hunde übersieht Taymur aber auch das Leid der Menschen nicht: «Die Gesundheitsversorgung in den Bergregionen Mazedoniens ist desaströs.» Aus diesem Grund unterstützt sie eine Bergschule, einen Kindergarten und initiierte ein Zahnarztprogramm für Kinder. Denn für Taymur ist klar: «Die Menschen können ihre Hunde nur gut behandeln, wenn es ihnen selber gut geht.»
Weitere Informationen im Internet unter www.adikom.ch/hunde_in_mazedonien. Spendenkonto: 87-048819-8, Vermerk «Hunde helfen Hunden»
lg
Karin
Margrit Taymur lässt wilde Hunde in Mazedonien kastrieren und hilft so der Bevölkerung
30.07.2005 / www.glattaler.ch
Fällanden - In den abgelegenen Regionen Mazedoniens sind wilde Hunde eine Gefahr für Nutztiere und Bevölkerung. Die Fällanderin Margrit Taymur versucht das Problem vor Ort zusammen mit Schweizer Tierärzten zu lösen. Ihr Rezept: die Kastration.
«Wenn die Nahrung für die wilden Hunderudel im Winter knapp wird, kann man Kinder nicht mehr alleine nach draussen lassen, denn sie würden angegriffen», schildert Margrit Taymur die prekäre Lage in der Region um Gostivar, einer Kleinstadt 60 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Skopje. Man schätzt, dass dort gegen 1000 wilde Hunde ein jämmerliches Dasein fristen. Sie sind von Parasiten und Krankheitserregern befallen, die auch erwachsenen Menschen gefährlich werden können.
Wilde Hunde reissen Ziegen
«Von Hunger getrieben, suchen sie in den Dörfern nach Nahrung», erklärt Taymur, die Coiffeuse und Hundetrainerin ist. «Doch anders als die Wölfe und Bären in den umliegenden Bergen haben die Hunde keine natürliche Scheu vor den Menschen.» Weil die Speisereste und Schlachtabfälle den Nahrungsbedarf der ständig steigenden Population aber nicht decken können, reissen die wilden Hunde jedes Jahr unzählige Ziegen und Schafe auf den Weiden, was die Hirten in ihrer Existenz bedroht. Und: sie bedrohen die Leute in den Dörfern.
Ein 45-Kilo-Problem
Ihre erste Begegnung mit den wilden Hunden in Mazedonien hatte die Fällanderin, als sie vor zwei Jahren ihren Lebenspartner Isaack Aliu in dessen Heimatdorf besuchte. Beim Anblick der Mitleid erregenden Tiere war für sie sofort klar: Hier muss etwas getan werden. Zurück in der Schweiz, gründete sie die private Hilfsorganisation «Hunde helfen Hunden». Der etwas ungewöhnliche Name rührt daher, dass Taymur die ersten Einnahmen für das Projekt mit einem Hunde-Erziehungskurs erzielte womit die gesunden Schweizer Bellos indirekt ihre verwahrlosten Artgenossen in Mazedonien unterstützten.
Vergangenes Jahr reiste Taymur erstmals nach Mazedonien, um zusammen mit einem achtköpfigen Team von Ärztinnen aus dem Tierspital Zürich gegen 80 Kastrationen vorzunehmen. Die behandelten aber nicht nur die wilden Tiere, sondern auch die mazedonischen Herdenschutzhunde, die bis zu 45 Kilo schweren Sarplaninac, die sich zusehends mit den wilden Hunden vermischen und so für ihre Besitzer letztlich selbst zum Problem werden.
5000 Franken sind genug
Im Frühsommer ist die Fällanderin nun vor ihrer zweiten Tierschutzaktion in Mazedonien zurückgekehrt. Diesmal waren 28 Ärzte und freiwillige Helfer während zwei Wochen im Einsatz, darunter auch der Dübendorfer Tierarzt Enrico Clavadetscher. Doch nicht nur die Mediziner, auch das medizinische Material musste in den mausarmen Balkanstaat geschafft werden. Die Operationstische hat sich Taymur beim Schweizer Militär beschafft, als OP-Beleuchtung dienten Bauscheinwerfer aus dem Hobbymarkt. «Für einen Einsatz reichen 5000 bis 6000 Franken, mehr benötige ich gar nicht», so Taymur. «Mit dem Geld finanziere ich das Material und vor allem die Medikamente, die Narkosemittel. Die Reisekosten übernimmt jeder Helfer selbst.» Um das Projekt zu finanzieren, reichen die Einnahmen aus den Hundeerziehungskursen nicht aus. Und so verkauft die Fällanderin Backwerk an den regionalen Märkten, informiert mit Vorträgen über die Situation der Wildhunde in Mazedonien oder organisiert Ausflüge für Hundefreunde.
Kastration im Akkord
Die Eingriffe wurden in einer leer geräumten, rund 100 Quadratmeter grossen Autowerkstatt vorgenommen. Im angrenzenden Unterstand konnten sich die Hunde im Stroh erholen, bis man sie wieder zu ihren Rudeln zurückbrachte. «Es war fast wie Kriegsmedizin», fasst Taymur zusammen. «Dabei waren die hygienischen Bedingungen aber durchaus nicht schlechter als in einem Spital, wo es unzählige Keime gibt, weil immer im gleichen Raum operiert wird.»
Während die Ärztinnen und Ärzte den insgesamt 220 Hunden im Akkord die Hoden und Eierstöcke entnahmen, war Taymur mit dem Einfangen der Tiere beschäftigt, wofür sie mit Betäubungsmittel präparierte Köder verwendete. «Weil das Mittel erst nach einiger Zeit wirkt, darf man die Hunde nie aus den Augen verlieren», erklärt die Tierschützerin.
«Ausserdem erwischt man so fast nur die Hunde der niedrigeren Hierarchiestufen. Die sind froh, dass sie überhaupt mal etwas zu fressen bekommen. Der Nachteil ist, dass sie sich im Vergleich mit den Alphatieren weniger fortpflanzen.» Für Taymur ist die Kastration dennoch der einzige Weg, um die Ausbreitung der wilden Hunde in Griff zu bekommen. Auch wenn sie sich über die nachhaltige Wirksamkeit keine Illusionen macht: «Die Natur reproduziert zu einem grossen Teil, was wir dezimieren.»
Gegen Hunde-«Schlepper»
Gar kein Verständnis hat die Fällanderin für Organisationen und Einzelpersonen, die wilde Hunde in die Schweiz bringen egal ob aus Mazedonien, Spanien oder Rumänien. «Das sind für mich Schlepper», sagt sie kämpferisch. «Denn die Hunde tragen nicht nur gefährliche Krankheiten in sich, sie bleiben in der Regel auch ihr ganzes Leben stark verhaltensgestört.»
Ein längefristiges Ziel der Fällanderin ist es, den Leuten vor Ort aufzuzeigen, wie das Zusammenleben von Mensch und Hund auch aussehen könnte. Sie macht es gleich vor, denn als Rudelführerin im Nebenamt lässt sie ihre vier Deutschen Schäfer natürlich nicht für Wochen zu Hause in der Schweiz, und auch der Kater Päuli hat die Reise im Auto schon zweimal mitgemacht. «Gerade die Kinder sind jeweils ganz erstaunt, dass selbst die halbwilden Haus- und Herdenschutzhunde nicht beissen, wenn man nett zu ihnen ist und sie streichelt. Bis sich der Umgang mit den Hunden wesentlich verbessert, wird es aber noch einige Zeit dauern», ist Taymur realistisch, «schliesslich gibt es auch in der Schweiz immer noch Bauern, die ihre überzähligen Hunde oder Katzen einfach ertränken oder erschlagen.»
Sie vergisst Menschen nicht
Bei allem Engagement für die Hunde übersieht Taymur aber auch das Leid der Menschen nicht: «Die Gesundheitsversorgung in den Bergregionen Mazedoniens ist desaströs.» Aus diesem Grund unterstützt sie eine Bergschule, einen Kindergarten und initiierte ein Zahnarztprogramm für Kinder. Denn für Taymur ist klar: «Die Menschen können ihre Hunde nur gut behandeln, wenn es ihnen selber gut geht.»
Weitere Informationen im Internet unter www.adikom.ch/hunde_in_mazedonien. Spendenkonto: 87-048819-8, Vermerk «Hunde helfen Hunden»
lg
Karin